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# taz.de -- Fünf Jahre nach dem Loveparade-Unglück: Verantwortliche gesucht
> Opfer und Hinterbliebene der Tragödie in Duisburg fordern weiter
> Aufkärung und Gerechtigkeit. Vor Gericht steht bisher niemand.
Bild: Blumen erinnern an die Unglücksstelle in Duisburg.
Berlin taz | Es ist ein schwerer Gang für Klaus-Peter und Stefanie
Mogendorf – an den Ort, an dem ihr Sohn Eike bei der Loveparade ums Leben
kam. Am Donnerstag sind die Eltern in Düsseldorf gelandet und dann nach
Duisburg weitergefahren. Sie kommen aus Italien, wo sie die Mutter eines
anderen Opfers jenes Technospektakels besucht haben: Nadia Zanacchi, die
damals ihre Tochter Giulia verloren hat. Zusammen reisen sie nach Duisburg,
wo sie erst in die Salvatorkirche, dann zur Gedenkfeier „Nacht der 1.000
Lichter“ gehen.
Auf den Tag genau sind es fünf Jahre her, als die Loveparade von Duisburg
in eine Katastrophe mündete. An jenem 24. Juli 2010 verloren bei der
Massenpanik auf der Zugangsrampe zu dem eingezäunten Partygelände 21
Menschen ihr Leben. Viele stammten aus dem Ruhrgebiet.
Andere kamen von weit her, aus Australien, den Niederlanden, Spanien,
Italien und China. Darüber hinaus wurden 652 Loveparade-BesucherInnen
verletzt, etliche schwer. Tausende sind bis heute traumatisiert. Sechs
TeilnehmerInnen der Parade haben Suizid begangen.
Den Überlebenden und Hinterbliebenen macht schwer zu schaffen, dass bis
heute das Geschehen juristisch nicht aufgearbeitet ist. „Es gibt keine
Verantwortlichen“, sagt Klaus-Peter Mogendorf bitter. „Es ist, als würde
man sagen: Die waren selber schuld.“
## Dreieinhalb Jahre ermittelt
Eine fatale Mischung aus Größenwahn, Inkompetenz und
Verantwortungslosigkeit hat zu der Loveparade-Katastrophe geführt. Die
Veranstaltung hätte nie genehmigt werden dürfen, ist die Staatsanwaltschaft
überzeugt. Dreieinhalb Jahre hat sie ermittelt. Die Hauptakte umfasst
44.000 Seiten. Zehn Beschuldigte wurden im Februar 2014 angeklagt: sechs
Bedienstete der Duisburger Stadtverwaltung und vier Mitarbeiter des
Veranstalters Lopavent. Sie sollen sich der fahrlässigen Tötung in
Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung schuldig gemacht haben. Ihnen
drohen Geldstrafen und Haft bis zu fünf Jahren.
Ob den Beschuldigten jemals der Prozess gemacht wird, ist ungewiss. „Ich
habe keine Hoffnung mehr“, sagt Mogendorf. Seit rund eineinhalb Jahren
prüft die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg, ob sie die
Anklage zulässt.
Auf keinen Fall auf der Anklagebank sitzen werden der Lopavent-Chef Rainer
Schaller und Duisburgs damaliger Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Nach
Ansicht der Staatsanwaltschaft „liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass
sie selbst Einfluss auf die fehlerhafte Planung oder Erteilung der
rechtswidrigen Genehmigung genommen haben“.
## Strafrechtliche Aufarbeitung
Bei der Anklage gehe es nur um die strafrechtliche Aufarbeitung, nicht um
politische oder moralische Verantwortung. Die tragen Schaller und Sauerland
gewiss. Wäre es nach dem Ex-OB gegangen, wäre er heute noch im Amt. Er
wurde nach dem Unglück im Februar 2012 per Bürgerentscheid abgewählt.
Schaller, Gründer und Geschäftsführer der Billigsportstudio-Kette McFit,
macht bis heute lohnende Geschäfte.
Beide äußern sich öffentlich nicht mehr zum Geschehen von 2010. „Die
Katastrophe nach der Tragödie“, nennt der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter
das juristische Trauerspiel. Er vertritt rund 100 Opfer der Loveparade und
Hinterbliebene. „Die Eltern wollen wissen, wieso ihre Kinder gestorben
sind“, sagt er. „Sie können innerlich nicht abschließen.“
Solange die Schuldfrage offen ist, kann auch die Frage der Entschädigung
nicht abschließend geklärt werden. Opfer und Hinterbliebene haben zwar
Abschlagszahlungen bekommen. Doch viele sollen mit geringen Beträgen
abgespeist werden. Die Stadt Duisburg hat die Abwicklung auf den
Haftpflichtversicherer der Loveparade, die Axa, übertragen. Nach Ansicht
von Anwälten verschleppt der Versicherer die Fälle. Die Axa bestreitet das.
Wie viel sie bislang gezahlt hat, will die Gesellschaft nicht sagen.
Weniger als zehn Prozent der Fälle seien noch nicht reguliert, weil
Schweigepflichtentbindungen oder Unterlagen nicht vorlägen, heißt es bei
der Axa.
„Den Betroffenen geht es nicht um Geld“, sagt Jörg Teich von der Initiative
Lopa 2010, in der sich Besucher der Duisburger Loveparade organisiert
haben. „Es geht darum, Ruhe finden und abschließen zu können.“
## Keiner hört mehr zu
Teich leidet an einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung, er
ist erwerbsunfähig. Er gehört zu denen, die sich auf einen Schadenersatz
geeinigt haben. Eine fünfstellige Summe habe er bekommen, sagt er. Diese
Seite der Katastrophe ist für ihn erledigt. An eine juristische
Aufarbeitung glaubt auch er nicht mehr.
Fast 430 Menschen hat die Initiative nach Teichs Angaben betreut. Darunter
waren Besucher der Loveparade, die mitten in der Massenpanik waren, und
etliche, die zwar in sicherer Entfernung waren, das Geschehen aber gesehen
und die Todesschreie der Sterbenden gehört haben. Auch von ihnen leiden
viele noch heute unter Traumatisierungen. Aber jenseits der Jahrestage sind
sie mit ihrem Leid alleine, sagt Teich. „Den Leuten hört ja heutzutage
keiner mehr zu.“
Bei der Trauerfeier für die Opfer hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft
eine bewegende Rede gehalten. Kraft, deren Sohn auch auf der Loveparade
gefeiert hatte, war tief erschüttert. Den Opfern und ihren Angehörigen
seien „wir es schuldig, das Geschehene und Unfassbare lückenlos
aufzuklären“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme.
Die Loveparade-Opfer und die Hinterbliebenen jedoch fühlen sich von ihr
alleingelassen „Die Betroffenen sind auf sie zugegangen, aber sie hat nicht
reagiert“, sagt Jörg Teich. Auch Klaus-Peter Mogendorf ist von Kraft tief
enttäuscht. Sie hätten sich mehrfach an sie gewandt, sagt er. „Aber sie hat
gesagt: Da kann man nichts machen.“ Aufklärung sehe anders aus. Mogendorf:
„Da kommt nichts.“
24 Jul 2015
## AUTOREN
Anja Krüger
Pascal Beucker
## TAGS
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Duisburg
Justiz
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