Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ölpest in Kanada: Es riecht beißend nach Teer
> Umweltkatastrophe im Norden Kanadas: Fisch- und Jagdgründe sind bedroht.
> Ein großes Pipelineleck bringt die Ölsand-Industrie in Erklärungsnot.
Bild: Die bunten Fähnchen sollen Vögel davon abhalten, sich in dem ölverpest…
EDMONTON taz | Robert Cree wohnt in der Nähe von Fort McMurray mitten im
Zentrum der kanadischen Ölsand-Industrie. Der Häuptling der
Cree-Ureinwohner ist dieser Tage in Sorge um seine traditionelle Heimat,
die Natur und die Fisch- und Jagdgründe, von denen er und seine Familie
seit Generationen leben.
Schuld daran ist eine Leck in einer Öl-Pipeline, das in Kanada seit einer
Woche für Schlagzeilen sorgt. Ein Ölarbeiter hatte die undichte Stelle
unweit von Fort McMurray entdeckt – und seitdem wächst in den
Ureinwohner-Gemeinden der Gegend die Furcht „Der Unfall macht mich krank“,
sagte Cree dem kanadischen Sender CTV.
Mit über fünf Millionen Litern ist der Ölunfall einer der größten, die es
in Kanada jemals gegeben hat. Der Vorfall übertrifft auch deutlich die
Katastrophe von Kalamazoo, bei der vor fünf Jahren im US-Bundesstaat
Michigan eine Pipeline des kanadischen Enbridge-Konzerns geplatzt war, was
weltweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Betroffen ist jetzt ein sumpfiges Gebiet von rund 16.000 Quadratmetern rund
um die „Long Lake“-Förderanlage, die dem chinesischen Konzern Nexen Energy
gehört und etwa 35 Kilometer südöstlich von Fort McMurray liegt. „Ich
möchte mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen“, erklärte Nexen-Chef
Fang Zhi gestern bei einer ersten Ortsbesichtigung.
## Warnsystem ausgefallen
Der Konzern hatte das Leck in der nur ein Jahr alten, doppelwandigen
Ölleitung auf Grund einer technischen Panne lange nicht selbst entdeckt.
Nach Angabe von Nexen leckte die Röhre womöglich zwei Wochen lang, weil das
zur Leitung gehörende Warnsystem ausgefallen war. Mittlerweile wurde die
Leitung geschlossen.
Nexen kann bislang nicht erklären, wie es zu dem Ausfall kommen konnte.
Laut Zhi wird die Ursachensuche mehrere Monate dauern. Die kanadische
Aufsichtsbehörde sprach von einem „großen Versagen“. Rund um die
Unfallstelle riecht es beißend nach Teer.
Um die Ölpest einzudämmen, hat der Konzern 130 Spezialisten zum Unfallort
entsandt und eigens eine Straße in die entlegene Region bauen lassen. Mit
gigantischen Maschinen soll nun das aus der Leitung entwichene Gemisch, das
aus ölhaltigem Bitumen, Sand und Abwasser besteht, aus dem Sümpfen
abgepumpt werden.
Mit hohen Zäunen sowie Abschreckkanonen sollen zudem gefährdete Wildtiere
ferngehalten werden. Allerdings wurden mittlerweile auch tote Enten
entdeckt. Auch die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Bewohner sind
unklar. Die Provinzregierung hat eine umfassende Untersuchung versprochen.
## Schadstoffe in den Sümpfen
Die Ureinwohner sind skeptisch, dass die Folgen komplett beseitigt werden
können. Es sei unmöglich, alle entwichenen Schadstoffe aus den Sümpfen zu
entfernen, meinte ein Sprecher der Chipewyan-Ureinwohner. Die Unfallstelle
liege nahe einem Fluss, und es bestehe die Gefahr, dass Schadstoffe in das
fischreiche Athabasca-Delta gelangten.
Der Unfall ist kein Einzelfall und wirft erneut einen Schatten auf die
kanadische Ölsand-Industrie, die wegen ihrer schlechten Umwelt- und
Klimabilanz schon seit Jahren unter Imageproblemen leidet. Vor vier Jahren
waren aus einer Pipeline in der Nähe von Little Buffalo schon einmal etwa
4,5 Millionen Liter Rohöl ausgeströmt und hatten drei Hektar Land zerstört.
Im Mai 2012 waren es nahe Rainbow Lake 3,5 Millionen Liter.
Das neue Leck dürfte auch die Debatte über den Bau neuer Ölpipelines
negativ beeinflussen. Regierung und Industrie wollen mehrere neue Leitungen
von den Ölsandgebieten Kanadas an die Pazifikküste, den Golf von Mexiko und
den Atlantik durchsetzen und damit die Förderung von Ölsanden massiv
ausweiten.
## Politische und juristische Probleme
Die Pipelines sind bei Ureinwohnern und Umweltschützern heftig umstritten
und kommen wegen politischer und juristischer Probleme nicht voran. In den
USA etwa weigert sich Präsident Barack Obama, die Keystone-XL-Pipeline zu
genehmigen – was die politischen Beziehungen zwischen Kanada und den USA
zuletzt stark belastet hat. Keystone XL soll von der kanadischen Provinz
Alberta, die über eines der größten Teersandvorkommen der Welt verfügt,
über 1.900 Kilometer bis zu den Raffinerien im südlichen US-Bundesstaat
Texas führen.
Die Planungen für die Pipeline laufen seit Jahren, die erste Genehmigung
wurde im September 2008 beantragt. Anfang 2012 legte Obama das Projekt dann
auf Eis. Die oppositionellen Republikaner sehen den Widerstand gegen
Keystone XL als Beispiel dafür, dass die Umweltpolitik des Präsidenten und
seiner Demokraten das Wirtschaftswachstum hemme.
23 Jul 2015
## AUTOREN
Jörg Michel
## TAGS
Ölpest
Umweltverschmutzung
Kanada
Umweltkatastrophe
Pipeline
Kanada
Ölpipeline
Ureinwohner
Keystone-XL-Pipeline
Kalifornien
Ölpest
Kalifornien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ölförderung in Kanada: Pipeline-Bau vor dem Aus
Wegen großer Widerstände von Umweltschützern und Ureinwohnern baut der
Konzern Kinder Morgan die Trans-Mountain-Röhre nicht weiter.
1.900-Kilometer lange Öl-Pipeline: Zweifel an der schwarzen Schlange
Die Nord-Dakota-Pipeline gerät von unerwarteter Seite unter Druck. Tausende
NorwegerInnen demonstrieren virtuell und real.
US-Ureinwohner gegen Ölpipeline: Flüsse und Kultstätten in Gefahr
Die Sioux wollen in North Dakota den Bau einer Pipeline verhindern, die
Heiligtümer und Wasserversorgung bedroht. Ein Gericht entscheidet nun.
Aufschub für Ölpipeline Keystone XL: Hoffen auf anderen US-Präsidenten
TransCanada will eine Prüfungspause bei der geplanten Pipeline. Aktivisten
glauben, der Konzern hoffe auf einen ölfreundlicheren US-Präsidenten.
Ölpest in den USA: Kalifornien sperrt erneut Strände
Es ist der zweite Zwischenfall in nur zehn Tagen: Die Behörden in
Kalifornien haben erneut Strände schließen müssen. Woher kommt das Öl?
Pipelineleck in Kalifornien: 14 Kilometer langer Ölteppich
Zehntausende Liter Öl fließen in den Pazifik. US-Marine und Umweltschützer
versuchen, die Ausbreitung zweier Ölteppiche zu verhindern.
Pipelinebruch in Kalifornien: 80.000 Liter Öl in Pazifik geströmt
Stundenlang fließen tausende Liter Öl aus einer lecken US-Pipeline nahe
Santa Barbara ins Meer. Umweltschützer fürchten um Wale und andere Tiere.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.