# taz.de -- Polit-Skandal in Österreich: „Begnadet wie Goebbels“ | |
> Ein SPÖ-ler vergleicht den FPÖ-Wahlkampfstrategen Kickl mit dem | |
> NS-Verbrecher Joseph Goebbels. Kickl soll die Parteikasse der FPÖ gut | |
> gefüllt haben. | |
Bild: Kickl soll die Parteikasse der FPÖ mit so einigen Euroscheinen gefüllt … | |
WIEN taz | Nazivergleiche – das geht gar nicht. Auf diesem Standpunkt steht | |
jedenfalls Herbert Kickl, in vielen Wahlkämpfen erprobtes Mastermind und | |
Verseschmied der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Die Empörung | |
Kickls rief ein Facebook-Eintrag eines SPÖ-Hinterbänklers aus dem Wiener | |
Rathaus hervor, der flapsig vermerkt hatte: „Kickl gilt als der begnadetste | |
Kommunikationsstratege seit Joseph Goebbels“. | |
Der Angesprochene forderte einen Ordnungsruf von Bürgermeister Michael | |
Häupl für besagten Landtagsabgeordneten Peko Baxant. Denn einen | |
demokratischen Politiker mit einem NS-Verbrecher, der Millionen Tote zu | |
verantworten hatte, zu vergleichen, sei nicht nur beleidigend und | |
diffamierend, sondern stelle auch eine „sträfliche Verharmlosung des | |
Nationalsozialismus“ dar. | |
Normalerweise sind es grenzwertige Wortmeldungen und Nazi-Rhetorik von | |
FPÖ-Politikern, die in der politischen Landschaft für Aufruhr sorgen. Die | |
Vergangenheit und politische Sozialisation mancher Parteigrößen schlägt | |
immer wieder durch. | |
Schließlich ging die FPÖ aus dem Verband der Unabhängigen (VdU) hervor, der | |
als Sammelbecken von Altnazis nach dem Krieg gegründet wurde. So toben sich | |
die Fans von Parteichef Heinz-Christian Strache gern auf dessen | |
Facebook-Seite aus und fordern schon einmal die Abschiebung von „eine | |
Million Ost-, Balkan- und Orient-Parasiten“. | |
## Unterste Schublade | |
Kickl selbst vermeidet es, mit dem NS-Verbotsgesetz in Konflikt zu geraten, | |
greift aber bei seinen Wahlkampfsprüchen gerne in die unterste Schublade. | |
Die Welt verdankt ihm Sprüche von so berückender Poesie wie „Daham statt | |
Islam!“ oder „Pummerin statt Muezzin!“. | |
Die Pummerin ist die aus erbeuteten Kanonen der Osmanen gegossene Glocke | |
des Wiener Stephansdoms. Wenn sich auch der politische Gegner über manchen | |
Reim lustig macht oder entrüstet: der politische Erfolg gibt dem | |
FPÖ-Generalsekretär recht. | |
Kickl ist nicht nur ein begnadeter Kommunikator. Er wird auch verdächtigt, | |
sich um die Finanzen der Partei verdient gemacht zu haben. Als Teilhaber | |
der Werbeagentur „Ideenschmiede“, die später in leicht veränderter | |
Konstellation als Textacy neu gegründet wurde, soll er Kickbacks an die FPÖ | |
geleistet haben. | |
Der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz spricht sarkastisch von „Kicklbacks“. Er | |
fordert eine Untersuchung der Vorwürfe, wonach die seinerzeitige | |
FPÖ-geführte Kärntner Landesregierung bei Kickls Agentur fette Kampagnen in | |
Auftrag gegeben habe. Als Gegenleistung, so der Verdacht, habe Kickl | |
„Spenden“ an die Partei abgeführt. | |
## 20 bis 30 Millionen Euro | |
In einem Fall ist die Rede von 70.000 Euro in bar. Rolf Holub, Landesrat | |
der Grünen in Kärnten und Aufdecker zahlreicher Skandale der ehemaligen | |
Landesregierung unter Jörg Haider, schätzt die Summen, die über die | |
Werbeagenturen vom Land in Richtung der Freiheitlichen flossen, auf 20 bis | |
30 Millionen Euro. | |
Die Staatsanwaltschaft war bereits im Jahr 2013 bei einer Razzia auf Akten | |
gestoßen, die belegen, dass Kickl heimlicher Hälfte-Eigentümer der | |
Werbeagentur „Ideenschmiede“ gewesen sei. Das berichtete die Wiener | |
Wochenzeitung Falter in ihrer jüngsten Ausgabe. Solange Jörg Haider in | |
Kärnten am Ruder war, sollen laut Falter fast alle Aufträge an die | |
„Ideenschmiede“ gegangen sein. Und aus einem Dokument gehe hervor, dass die | |
FPÖ bei Aufträgen von FPÖ-Landesregierungsbüros „20 Prozent des | |
Auftragsvolumens von der Agentur zugeschrieben“ bekommen solle. | |
Herbert Kickl und die FPÖ dementieren natürlich die Vorwürfe. Und Kickl, | |
der Abgeordneter im Nationalrat ist, genießt parlamentarische Immunität. | |
Das hält die Korruptionsstaatsanwaltschaft aber nicht davon ab, ihre | |
Ermittlungen fortzusetzen. | |
20 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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