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# taz.de -- Boko Haram in Nigeria: Die geschundenen Frauen
> Tausende Nigerianerinnen sind von Boko Haram entführt worden, viele
> wurden vergewaltigt. Dürfen sie abtreiben, wenn sie wieder frei sind?
Bild: Befreite Boko-Haram-Geiseln beim Transport nach Yola, hier am 2. Mai.
Abuja taz | Jetzt ist es traurige Gewissheit: Nigerias islamistische
Terrormiliz Boko Haram hat ihre Entführungsopfer in den vergangenen Monaten
massenhaft vergewaltigt. Als die Armee ab Ende April die ersten Verstecke
im Sambisa-Wald entdeckte, sagten die Vereinten Nationen (UN), dass „eine
große Zahl der befreiten Frauen und Mädchen schwanger“ sei. Dutzende
dürften mittlerweile entbunden haben.
Diejenigen, die noch schwanger sind, rücken nun unfreiwillig in den
Mittelpunkt einer großen Abtreibungsdebatte. Schon das Wort Abtreibung ist
in Nigeria ein rotes Tuch. Erlaubt ist sie nur, wenn das Leben der Mutter
in Gefahr ist. Trotzdem sind illegale Abbrüche an der Tagesordnung.
Durch das Internet geistert die Zahl 760.000 pro Jahr, die jedoch niemand
überprüfen kann. Bis zu 34.000 Frauen sollen dabei jährlich sterben.
Nigeria zählt rund 180 Millionen Einwohner.
Zwar gehört Nigeria zu jenen 28 Staaten Afrikas, die bisher das
Maputo-Protokoll für mehr Frauenrechte in Afrika unterzeichnet haben. Nach
Vergewaltigung oder Inzucht soll Abtreibung legal möglich sein, heißt es
dort. Doch daran denkt niemand, wenn es um die Boko-Haram-Opfer geht.
## „Abtreibung ist eine Sünde“
Zu einem Schwangerschaftsabbruch dürfe es nicht kommen, findet Schülerin
Rhoda Nkeki Mutah. Sie ist ein zierliches Mädchen, das auf den ersten Blick
eher unscheinbar wirkt. „Abtreibung ist nicht gut. Es ist eine Sünde“, sagt
Rhoda, die später einmal Juristin werden will. „Das Kind kann doch nichts
dafür.“ Besser sei es, dass der Staat beim Aufziehen der Kinder helfe.
Die Schülerin hat zwei Kusinen, die im April 2014 in Chibok von Boko Haram
aus ihrer Schule verschleppt wurden und bis heute verschwunden sind.
Nigerias unzählige christliche Kirchen argumentieren genau so, ebenso viele
nichtstaatliche Organisationen. Die Stiftung für afrikanisches Erbe (FACH)
schreibt, dass es unlogisch wäre, den Mädchen nach allem, was sie erlebt
haben, auch noch eine „traumatisierende, brutale und lebensbedrohliche
Abtreibung“ zuzumuten. Schuld an der ganzen Diskussion habe der
Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). Direktor Babatunde
Osotimehin bestreitet jedoch, jemals einen Schwangerschaftsabbruch für die
Opfer gefordert zu haben.
## „Die Mädchen sollen entscheiden“
Diese Forderung kommt von den Aktivisten, die in der Kampagne
#BringBackOurGirls für die Entführungsopfer von Chibok eintreten. Für
Aktivistin Aisha Yesufu ist die Diskussion unbegreiflich. „Das sind junge
Mädchen. Manche sind gerade erst 15 Jahre alt. Sie sind Opfer, die jeden
Tag von einem anderen Mann vergewaltigt wurden“, sagt sie und fordert: „Sie
haben das Recht zu entscheiden, ob sie die Babys wollen oder nicht. Alles
andere wäre unmenschlich.“
So sehe es, sagt Yesufu, auch das muslimische Dawah-Komitee: Jede
Schwangerschaft bis zum 120. Tag dürfe abgebrochen werden. Wollten die
Mädchen die Kinder auf die Welt bringen, dürften sie entscheiden, ob sie
sie aufziehen oder lieber zur Adoption freigeben. „Doch egal, was sie
machen: Sie dürfen nicht stigmatisiert werden“, fordert Yesufu.
Das dürfte schwierig werden, weshalb die Massenentführungen tatsächlich
perfide Kriegsstrategie sind. Sie machen vergewaltigte und
zwangsverheiratete Frauen zu Terroristen-Bräuten, denen niemand mehr traut.
Und wer in Boko-Haram-Gewahrsam schwanger wird, bekommt ein
Terroristen-Balg.
Die Rückkehr in die Heimatdörfer und zu den Familien dürfte deshalb
schwierig werden. Nigerianischen Sicherheitsexperten zufolge hat das
Militär mehrfach Familien von Boko-Haram-Kämpfern in Sippenhaft genommen.
15 Jul 2015
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Nigeria
Boko Haram
Sexuelle Gewalt
Schwerpunkt Abtreibung
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