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# taz.de -- Die Wahrheit: Alle verhaften!
> Wann greift die Weltjustiz einmal richtig durch? Kommt endlich die große
> Säuberungswelle? Politiker sollten sich warm anziehen.
Bild: Es wird schon länger nach ihnen gefahndet: Merkel und Schäuble.
Fast 2.000 Jahre nachdem die römische Justiz Gott hopsgenommen und
hingerichtet hatte, gelang es der scheinbar vorbildlich in die moderne Zeit
gewachsenen deutschen Polizei, die Blicke des Globus auf sich zu lenken: Im
Juni 2015 – einige politisch sattelfeste Leser erinnern sich sicherlich –
nahm sie auf dem Flughafen Berlin-Tegel den Journalisten Ahmed Mansur fest.
Dem Ägypter, der in seiner von al-Dschasira weltweit verspritzten Sendung
„Bi La Hudud“ (Ohne Grenzen) seine scharfe Zunge auch am Kairoer
Militärregime wetzt, drohte wohlverschnürt die Auslieferung in das Land am
Nil. Die Weltöffentlichkeit dampfte zu Recht vor Zorn, weshalb Deutschland,
das fast in eine 1.000 Jahre alte Vergangenheit abgestrudelt wäre, eilends
zurückschraubte: Mansur wurde nach zwei Tagen binnen Minuten auf freie Füße
gesetzt.
Die Aufregung war kaum verhallt, da buchtete Großbritannien Karenzi Karake
ein, der zu den Gründern der Ruandischen Patriotischen Front gehört, die
1994 den Völkermord der Hutu an den Tutsi beendete. Allerdings soll die RPF
auch neun Spanier zermalmt haben, weshalb Madrid seine auf Punkt und Komma
genaue Auslieferung verlangt; schließlich rücken die Spanier traditionell
ihre Generäle und Politiker heraus, wenn deren Subalterne im Ausland Dreck
am Stecken erworben haben.
## Im Handstreich die Fifa ausgeräuchert
Während mit Spanien und Großbritannien zwei Kolonialmächte mit einem
afrikanischen Land Pingpong spielen, wurde Sudans schwarzer Präsident
Baschir von genauso Schwarzen im südafrikanischen Johannesburg in vollem
Ornat abgeführt. Zwar kam er aufgrund eines Gerichtsbeschlusses wieder an
die frische Luft und durfte heimwärts rudern. Doch es ist klar geworden,
dass in vielen Staaten Polizei und Staatsanwaltschaft in anderen Staaten
mit allem Pipapo aufzuräumen gedenken: wie gerade eben die US-amerikanische
Justiz, die tief in die Schweiz hineinlangte und in einem Handstreich die
halbe Fifa ausräucherte.
Indes, das ist luftige Pillepalle, verglichen mit den bleischweren
Anklagen, die auf europäische Politiker zumarschieren, wenn sie bald wegen
unterlassener Hilfeleistung für die übers Mittelmeer anrollenden
Flüchtlinge in Marokko, Tunesien und Libyen eingeliefert werden! Vielleicht
kommt ihnen aber Griechenland schnellen Schrittes zuvor: Zwar lebt Athen
auch aus hausgemachten Ursachen auf dem Zahnfleisch, doch um die Stimmung
ins Rosarote zu heben, hilft es, wenn ausländische Potentaten wie Merkel,
Schäuble, Dijsselbloem und Juncker von der europäischen Supermacht
Luxemburg ins Fadenkreuz geschoben werden.
Eigene Interessen und handfest gewachsene Motive braucht es für die große
Säuberung aber nicht unbedingt. Wo immer Menschenrechte beschädigt werden,
ist man in der Pflicht: Staaten wie Eritrea, Ungarn oder der Iran, in denen
Recht und Gesetz seit Jahren vertrocknet sind, und lustig aufgeblasene
Personen wie Kim Jong Un oder Recep Erdoğan brauchen nicht erst genannt zu
werden, um zu wissen, wer gemeint ist!
Doch es geht nicht nur um Länder und Leute aus dem Hinterzimmer des
Planeten. Überall, wo Grundrechte – wie das Postgeheimnis, die Homo-Ehe für
alle und das Recht auf Leben, selbst wenn die amerikanische Polizei sich
vor einem aufbaut – durchlöchert werden, sind die Ermittlungsbehörden
anderer Staaten aufgerufen.
## Ein gerecht gezimmertes Urteil für Altfälle
Was den Punkt Leben angeht, müssen im Übrigen noch einige ältere Fälle
abgetragen werden und Schröder, Fischer und Scharping sich mit Eisenkugel
und in Zebrakleidung in Belgrad einfinden. In Den Haag wiederum wird sich
George W. Bush eine magere Zelle mit Barack Obama teilen. Letzterer darf
für Drohnenangriffe, durch die allein in Pakistan rund 3.000 Personen
gefressen wurden, davon 95 Prozent unbescholtene Bevölkerung, auf ein
gerecht gezimmertes Urteil setzen.
Andere Länder und Institutionen insbesondere aus Übersee werden andere
Personen und Staaten auf den Boden der Gerechtigkeit zurückholen. Gerade
westliche Politiker, Unternehmer und Konsumenten leben ab sofort auf heißen
Kohlen.
Sicher fühlen darf sich selbst der Dalai Lama nicht. Er ist der 14. und
bislang letzte seiner Art und haftet als Wiedergeburt seiner Vorgänger für
das jahrhundertelange Gewaltregime der tibetischen Mönche. Da nach deren
fest gebackener Lehre die Bauern wegen eines übelriechenden früheren Lebens
selbst schuld an ihrer Ausbeutung und, wenn sie zickten, Folterung waren,
wird der Dalai Lama die aufgelaufene Rechnung für seine früheren Leben gern
begleichen.
Noch nicht geklärt ist, ob die Queen und zahllose Engländer für die
britische Herrschaft über Indien ihre Knochen hergeben müssen, da der
Hinduismus ebenfalls an die Reinkarnation der Individuen aus dem 18. bis
20. Jahrhundert glaubt.
Egal, ist der Kompass erst einmal richtig geölt, spurtet die Weltgeschichte
geradewegs auf eine glänzende, porentief gereinigte Zukunft zu. Wenn die
Menschheit also endlich genügend Mumm hat, dann guten Morgen!
15 Jul 2015
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Weltjustiz
Fußball
Sprache
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
Griechenland
Landwirtschaft
G7-Gipfel in Elmau
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