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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Geheimniskrämer
> Schurken, die die Welt beherrschen wollen. Heute: Christian „Stummi“
> Schmidt, der sich nach langen Jahren eines Politikerlebens endlich
> outete.
Bild: Versteckt sich und seine Ansichten seit Jahren: Christian Schmidt
Sein ganzes Leben war es Christian Schmidt gelungen, seine heimliche
Leidenschaft, seine wahres Ich, seine wirkliche Orientierung vor der gierig
nach Enthüllungen schmatzenden Medienöffentlichkeit zu verbergen. 1957
unauffällig im fränkischen Obernzenn zur Welt gekommen, hatte er,
vordergründig gut angepasst, das Abitur erworben und anschließend seinen
Wehrdienst abgebrummt, ohne dass den Kameraden etwas aufgefallen wäre.
Er studierte wie viele sonst ganz normale Männer Jura und kam 1985 im
deutschen Gerichtswesen als Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Arbeits- und
Wettbewerbsrecht unter, ohne den Kollegen und Klienten seine eigentliche
Neigung jemals zu erkennen zu geben.
Dass er schon während der Pubertät zur CSU gefunden hatte, fand in Bayern
sowieso niemand verdächtig, und so saß Christian Schmidt seine Zeit ruhig
im Gemeinderat Obernzenn ab, bis er 1990 einen Stuhl ganz hinten im
Bundestag bezog. Selbst hier, im geschützten Dunkel am Ende des Saales,
entfloh kein verräterisches Wort dem Gehege seiner Zähne.
Im Gegenteil, er perfektionierte in der Öffentlichkeit seine Tarnung: wurde
1993 im Präsidium des völlig arglosen Auto- und Reiseclubs Deutschland ARCD
ansässig, 2006 von den nichts ahnenden Mitgliedern der Deutschen
Atlantischen Gesellschaft zum Präsidenten ernannt, 2010 vom hinter dem Mond
lebenden Evangelischen Arbeitskreis der CSU zum Landesvorsitzenden
befördert und 2011 von Horst Seehofer zum stellvertretenden
Parteivorsitzenden erhoben - ob Seehofer wirklich uninformiert war oder
längst hinter der hohlen Hand Bescheid wusste, steht dahin, denn … doch
Geduld!
## Bauernhof und Rübenacker
Offiziell wusste im Bundestag niemand, wie es um Christian Schmidt wirklich
stand. Als außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischer Sprecher der
CSU sowie als Mitglied im Verteidigungs- und im Auswärtigen Ausschuss kam
er durch, ohne jemals sein wahres Gesicht zu zeigen. Auch als
parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium und danach im
Entwicklungshilfeministerium, der überdies im Nebenberuf Aufsichtsrat im
Zentrum für Internationale Friedenseinsätze war, verstand er es geschickt,
seine eigentlichen Begierden nicht aus dem Topf springen zu lassen.
Erfolgreich nahm Christian Schmidt ein Jahr nach dem anderen vom Kalender
und wähnte schon, sein Leben unerfüllt und ehrbar bis zu Ende abwickeln zu
müssen - wie so viele. Niemand wäre ihm auf die Schliche gekommen, und die
tapferen Leser dieses Textes wären noch mit seinen Lebenslügen traktiert
worden, bis ihnen die Augen müde in den Kopf gesunken wären. Doch dann kam
Angela Merkel und redete ihm das nötige Gläschen Mut zu.
Nachdem auch Horst Seehofer sein Ja geräuspert hatte, war es am 17. 2. 2014
so weit: Christian Schmidt, scheinbar Fachmann für Arbeits- und
Wettbewerbsrecht, vorgeblich Experte für Auto und Reise, vermeintlicher
Spezialist für Protestantismus, angeblicher Profi in Entwicklungshilfe und
internationalen Friedenseinsätzen und nach außen hin der Liebling der
Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, outete sich und wurde
Minister für Ernährung und Landwirtschaft.
Christian Schmidt überrumpelte damit nicht nur seine engsten Angehörigen.
Auch Freunde, Nachbarn, Kollegen und selbst die härtesten Schnüffelnasen
unter den Hardcore-Journalisten der Hauptstadt waren bis tief unters Hemd
überrascht. Schmidt, der scheinbar nie genug internationale Atmosphäre
atmen konnte und sogar in deutsch-britischen, deutsch-israelischen und
deutsch-tschechischen Parlamentariergruppen und Gesprächsforen durch
körperdicke Anwesenheit glänzte - dass ihn der große Duft der weiten Welt
nicht einen Krümel interessierte und er in Wahrheit Bauernhof und
Rübenacker, Schlachtvieh und fette Landluft in möglichst großen Portionen
liebt, ahnte kein Mensch, auch kein Politiker.
## Unsicher und unbeholfen
Und siehe da - der Öffentlichkeit wars schnurz: Gelebte Toleranz beweist
sie für einen, dessen Ego sich an langen Salatgurken hochschraubt.
Christian Schmidt, dessen Unsicherheit und sprachliche Unbeholfenheit einst
dem Spiegel auffiel, ohne dass sich das oberflächlich dahinsegelnde Magazin
in die geheimen Ursachen dieser Störung hineingewühlt hätte, Christian
Schmidt ist denn auch selbstbewusst geworden, ist wie entfesselt, seit er
sich ohne schlechtes Gewissen mit Festmist beschäftigen, seit er genetisch
verändertes Saatgut in Hochglanzmagazinen betrachten darf, ohne bis zum
späten Feierabend damit warten zu müssen.
Dass er den von ihm besiedelten Bereich der Chefetage im Ministerium durch
eine Glaswand, die zusätzlich mit Milchglasfolie bepflanzt ist, vor dem
Rest des Flurs gesichert hat, steht dazu nicht im Widerspruch. Schließlich
hat Christian Schmidt schon noch Dinge zu erledigen, die vor der
Allgemeinheit versteckt bleiben müssen. TTIP heißt das Stichwort, und wenn
deutscher Schinken demnächst aus Texas kommt, wo er mit dem Hodenextrakt
hingerichteter Mörder aromatisiert wird, geht das niemanden etwas an!
12 Jun 2015
## AUTOREN
Peter Köhler
## TAGS
Landwirtschaft
CSU
Christian Schmidt
Weltjustiz
Schwerpunkt TTIP
G7-Gipfel in Elmau
Sprache
Schurken
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