| # taz.de -- Kritik an Polizeidatenbank: „Anst“ wie ansteckend | |
| > 164 Menschen sind bei Schleswig-Holsteins Polizei als „ansteckend“ oder | |
| > „geisteskrank“ geführt – Datenschützer kritisieren dieses Verfahren. | |
| Bild: Nach Blick in die Datenbank: das richtige Equipment dabei. | |
| Kiel taz | Ansteckend, gewalttätig, „geisteskrank“ oder | |
| selbstmordgefährdet: Für 164 Männer und Frauen in Schleswig-Holstein sind | |
| solche „personengebundenen Hinweise“ in der Polizeidatenbank Inpol | |
| gespeichert. Das erklärte Innenminister Stefan Studt (SPD) auf Anfrage des | |
| Kompetenznetzwerks Aids. | |
| Dessen Vorsitzender Bernd Facklam kritisierte etwa das Merkmal „anst“ für | |
| „Ansteckungsgefahr“ als “nicht nur stigmatisierend, sondern fachlich | |
| unsinnig“. Denn „bei Personen, die nicht wissen, dass sie infiziert sind, | |
| ist die Viruslast und somit auch die in der Regel sehr hoch“ – weit höher | |
| als bei HIV-Positiven, die Medikamente nehmen. | |
| Kritik an dem Verfahren kommt auch vom Datenschutzbeauftragten des Landes, | |
| Thilo Weichert. Während das Innenministerium in Kiel noch vor einigen | |
| Monaten auf eine Anfrage der Piratenpartei lediglich geantwortet hatte, die | |
| Daten seien „Verschlusssache“, antwortete Minister Studt jetzt mit einem | |
| Brief und verteidigte die darin Datensammlung von Inpol: Das Verfahren sei | |
| bundesweit abgestimmt und werde in allen anderen Ländern umgesetzt. | |
| Zweck der Speicherung sei die „besondere Sensibilisierung“ der Beamten „im | |
| Bezug auf die Eigensicherung“. Heißt: Wenn die Polizei weiß, dass jemand | |
| eine übertragbare Krankheit hat, sind Handschuhe angebracht. Und wenn | |
| jemand aggressiv ist, weil er Stimmen hört, kann die Polizei anders damit | |
| umgehen: Das Verfahren sei also „primär zum der Schutz der Betroffenen“, | |
| sagte Studt. | |
| „Warum werden dann trotzdem Leute von einer Polizeiübermacht abgeknallt, | |
| wenn sie sich offenkundig verrückt verhalten?“, fragt Matthias Seibt vom | |
| Bundesverband der Psychiatrie-Erfahrenen und erinnert an Fälle aus den | |
| vergangenen Jahren, in denen genau das passierte. | |
| Etwa im Sommer 2013, als ein Mann erschossen wurde, der in Berlin nackt in | |
| einem Brunnen stand und mit einem Messer fuchtelte – er stand unter Drogen | |
| und wurde wegen Schizophrenie behandelt. Schon im November 2012 gab es auch | |
| in Berlin einen ähnlichen Fall. | |
| Der Verweis auf eine psychische Störung sei sogar gefährlich, sagt Seibt. | |
| Denn die psychiatrische Diagnose sorge dafür, dass Vorurteile abgespult | |
| werden, statt die Lage objektiv zu klären. Gerade wenn es, etwa bei | |
| Verletzungen, auf schnelle Behandlung ankäme, werden Hilferufe auf die | |
| Psyche geschoben. | |
| „Unsereins kann blau anlaufen und landet eher in der Psychiatrie als im | |
| Krankenhaus“, sagt Seibt. Und bei einem Streit werde nicht gefragt, ob | |
| jemand vielleicht einen guten Grund habe, wütend zu sein. „Ich sehe auch | |
| die Gefahr, dass Leute in die Psychiatrie eingewiesen werden, wenn ein | |
| einfacher Platzverweise gereicht hätte.“ | |
| Er wünsche sich statt einer Datenbank eine Zusammenarbeit von Polizei und | |
| Betroffenenverbänden. „Schulungen wären hilfreich, damit die Beamten im | |
| Zweifelsfall wissen, wie sie mit Leuten umgehen sollen, die eben nicht | |
| adäquat reagieren, wenn eine Uniform auftaucht“, sagt Seibt. | |
| Akzeptabel sei laut Seibst nur die Kategorie ‚schräg, aber harmlos‘: „Da… | |
| kann die Polizei die Leute einfach in Ruhe lassen, schließlich gibt es | |
| keinen Zwang, normal zu sein.“ | |
| 14 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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