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# taz.de -- Verdachtsdatenbanken beim BKA: Schützt die Polizei!
> „Landstreicher“, „Geisteskrank“, „Ansteckungsgefahr“ – ein
> Anfangsverdacht reicht aus, um beim BKA in einer dieser Kategorien
> aufzutauchen.
Bild: Das Bundeskriminalamt soll rund eine Million Menschen als „BTM-Konsumen…
Georg Kreisler sang einst: „Wir ham den Denkmalschutz, wir haben auch den
Jugendschutz / und einen Schutzverband, der schützen soll vor Schund und
Schmutz. / Doch es gibt jemand, den man überhaupt nicht schützt / Ich
möchte hoffen, daß man mich da unterstützt: / Schützen wir die Polizei /
vor Verdruss und Schererei / Wenn ein Räuber überrascht wird / Und das
Weglaufen vergisst: / Ja, wer schützt den Polizist?“ Kreisler komponierte
seinen Chanson vor Jahrzenten, doch die Situation der Polizei hat sich
nicht geändert. Überall lauern Gefahren, jeder Mensch kann eine tickende
Zeitbombe sein.
Gott sei Dank hat sich nun herausgestellt, dass das Bundeskriminalamt (BKA)
„personengebundene Hinweise“ in seinen Datenbanken sammelt. Insgesamt
anderthalb Millionen Bürgerinnen und Bürger sind erfasst – und
kategorisiert. So soll das BKA rund eine Million Menschen als
„BTM-Konsumenten“ eingestuft haben, als Leute, die Betäubungsmittel zu sich
nehmen. Andere sind der „Prostitution“ verdächtig, selbstredend gibt es
auch die Kategorien „Ausbrecher“, „Landstreicher“, „Rocker“, „Sex…
und „Straftäter – linksmotiviert“.
Hinzu kommen zusätzliche Warnhinweise wie „Ansteckungsgefahr“, „Bewaffne…
oder „Explosivstoffgefahr“. Der Berliner Polizei reicht das nicht. Nach
schriftlicher Auskunft des Berliner Innensenators Frank Henkel führt sie
noch Kategorien wie „Stalking/Nachstellung“, „Serienbrandstifter“ oder
„Rezeptfälscher“. Das von deutschen Sprachschützern so wild geliebte Wort
„Zigeuner“ fehlt merkwürdigerweise – dabei ist die Polizei doch gar nicht
gezwungen, politisch korrekt zu kategorisieren. Und tut es sonst ja auch
nicht.
Der Polizist also, der einen möglichen Delinquenten aufgreift, hat, wenn er
dessen Personaldaten in den Computer eingibt, sofort eine Ahnung, mit wem
er es da zu tun hat. Mit einer gefährlichen Person! Unter die Kategorien
fällt jemand übrigens bereits dann, wenn ein „begründeter Anfangsverdacht�…
besteht. Eine Verurteilung oder zumindest strafrechtliche Verfolgung muss
es dafür nicht gegeben haben. Warum auch? Wir schützen ja die Polizei! Und
wann ist da ein „begründeter Anfangsverdacht“ nicht gegeben? Und ist da
nicht eben einer zu einer dem BKA nicht bekannten Person, einer Fremden,
ins Auto gestiegen? Besser sofort unter „Prostitution“ ablegen.
## Mitsubsumierte
Interessant ist auch, dass es unter „Freitodgefahr“ große Schwankungen gibt
– zurzeit sind in Berlin rund zweihundert Personen erfasst, im letzten Jahr
waren es noch über dreihundert. Haben diese Straftäter vielleicht die Tat,
derer sie anfangsverdächtig sind, bereits begangen? Man weiß es nicht. Die
unter „Geisteskrank“ subsumierten dagegen – sie werden erst seit 2013
erfasst – haben in Berlin schon 18 Mitsubsumierte verloren, aber vielleicht
waren ja einige zugleich als Freitodgefährliche eingestuft? Dann wüssten
wir wieder, woran es liegt.
Wir wissen aber vor allem, dass der Polizist dank dieser famosen Liste
rundum geschützt ist. Der ansteckende Landstreicher, der sich als
Rezeptfälscher verdingt und somit seine Explosivstoffgefahr erhöht, wird
sogleich erkannt.
Und sollten nun ausgerechnet Sie derjenige sein, der unter diese Kategorien
fällt, und fürchten Sie, bei der nächsten Passkontrolle sofort erschossen
zu werden, dann weiß der Innensenator guten Rat: „Anträge können formlos,
unter Beilegung einer Kopie des Personalausweises, bei der Polizei Berlin
auf dem Postweg oder per E-Mail eingereicht werden. Der Antrag auf
Datenauskunft und Datenlöschung bei der Polizei Berlin ist kostenfrei.“
25 Sep 2014
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
## TAGS
BKA
Datenbank
Verdacht
personenbezogene Daten
Schwerpunkt Überwachung
Polizei
Jörg Ziercke
Bundeskriminalamt
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