# taz.de -- Natururlaub im Nordwesten Balis: Aufforsten im Korallengarten | |
> In der Gegend rund um Pemuteran warten traumhafte Tauchgebiete, ein | |
> Nationalpark und Balis einsamste Riesenschildkröte auf Besucher. | |
Bild: Da wächst was. Der Korallenwald hat die Biorock-Metallstrukturen schon f… | |
Buddy ist die vielleicht einsamste Meeresschildkröte von ganz Bali. Sein | |
Lebensraum ist ein etwa vier mal acht Meter hellblauer Plastikbottich. In | |
der „Turtle Hatchery“ von Pemuteran lebt das knapp ein Meter große | |
Karettschildkrötenmännchen ganz allein. Besucher dürfen ihm dem | |
braun-schwarz-gelb-gemusterten Panzer streicheln, was Buddy angeblich gut | |
gefällt, und ihm zur Fütterungszeit Fische hinhalten, die er mit seinem | |
Schnabelmaul direkt aus der Hand fischt und mit wenigen Bissen verschlingt. | |
Zehn Jahre ist Buddy alt, der zunächst von zwei Mädchen aus dem Dorf | |
großgezogen wurde, und nicht mehr ausgewildert werden kann. Bis zu 200 | |
Jahre könnte er theoretisch so verbringen – zum Glück gelten | |
Meeresschildkröten ohnehin als Einzelgänger. | |
Menschen hingegen schätzen Pemuteran gerade wegen seiner relativen | |
Einsamkeit. Denn im touristisch ausgelaugten Bali mit rund vier Millionen | |
Besuchern pro Jahr ist diese Ecke im Nordwesten ein ruhiger Ort geblieben. | |
Die Anfahrt vom Flughafen Denpasar dauert mit dem Auto fast vier Stunden. | |
Schon das ist den meisten Party- und Sonnentouristen zu viel. Und so liegt | |
in der Nebensaison am Strand von Pemuteran höchstens alle fünfzig Meter ein | |
Touristenpärchen. Hier sind nicht alle Strandabschnitte von Hotelressorts | |
belegt, noch findet man direkt am Meer Fischerhütten, vor denen Männer ihre | |
Netze ausbessern und kleine Kinder in europäischen Fußballtrikots spielen. | |
Direkt nebenan wird eine weitere der hier üblichen Hotelanlagen gebaut: | |
Eine Anlage von mehreren Bungalows im balinesischen Hüttenstil errichtet um | |
einen Garten mit Pool. Meerblick gibt es gegen Aufpreis. Der Strand | |
umschließt eine kleine Bucht. In ihrer Mitte ankern Fischerboote und die | |
Shuttleschiffe der Tauchunternehmen – deren Kulisse im Hinterland eine | |
sanft ansteigende Kette von Hügeln bildet; die kleinen grasgrün mit Bäumen | |
gesprenkelt, die größeren voll bewachsen und dennoch nur ein Vorgeschmack | |
auf die Höhen, die Balis Norden noch erreicht, wenn man weiter Richtung | |
Osten fährt. | |
## Balis einziger Nationalpark liegt gleich nebenan | |
Wer sich ein Mofa mietet, schafft es von Pemuteran in einer Stunde bis zu | |
den heißen Quellen in Banjar. In die andere Richtung sind es auf der | |
Küstenstraße nur knapp zwanzig Minuten zum Fährhafen Gilimanuk, von wo aus | |
im Halbstundentakt die Fähren über die schmale Straße von Bali nach Java | |
übersetzen. Auf dem Weg dorthin durchquert man den Taman Nasional Bali | |
Barat, den einzigen Nationalpark der Insel. Wer das 190 Quadratkilometer | |
große Areal besichtigen will, muss einen der autorisierten Wildführer | |
buchen. Das lohnt sich, denn sichtbare Wege gibt es nicht und die Führer | |
sind Auge und Ohr zur Natur. | |
Einer von ihnen ist Madi. 19 seiner 35 Lebensjahre ist Madi nun beim | |
Nationalpark angestellt. Er kann erklären, wie das steinharte | |
Luftwurzelgeflecht der Mangroven das Wasser filtert, dass ihre Samen wie | |
Speere im Boden stecken bleiben und warum man im Monsunwald die Hirsche | |
besser nachmittags beobachten kann (weil sie dann wegen der Hitze woanders | |
stehen). | |
Er zeigt Mimosen, gigantische Fici Benjamini und eine Blumenart, bei der | |
eine Art Naturkleister aus dem Stengel quillt, wenn man die Blüten | |
abbricht. Er sieht ein fast halbmetergroßes Eichhörnchen, wo andere nur | |
einen Strauch sehen, und kann den Ruf der schwarzen Affen nachmachen, die | |
versteckt oben in den Bäumen schlafen. | |
Ebenfalls zum Naturparkgebiet gehört die kleine Insel Menjangan. Unter den | |
unzähligen Spitzentauchgebieten im indonesischen Archipel gilt Menjangan | |
als besonders großartig. Doch kann man für den schnellen Einstieg auch | |
direkt am Strand von Pemuteran ein paar Dutzend knallbunter Fischsorten | |
erschnorcheln, denn auch hier gibt es Korallen. | |
## Kleine Metallröhren sollen die Korallen retten | |
Und es werden mehr – dank der Biorock-Strukturen, einer Technologie, die in | |
den 70er-Jahren vom deutschen Architekten Wolf Hilbertz erfunden wurde: | |
Durch Gebilde aus dünnen Metallröhren fließt schwacher Strom, der mit Hilfe | |
von Elektrolyse dafür sorgt, dass sich die aus dem Meerwasser gelösten | |
Salze Aragonit und Brucit ablagern. So wachsen die Strukturen stetig – und | |
bieten nebenbei einen idealen Nährboden für Korallen, die hier bis zu | |
viermal schneller wachsen können. | |
Mit einer Gesamtfläche von zwei Hektar sind die Biorock-Strukturen vor | |
Pemuteran die größten der Welt und ein kleiner Beitrag gegen das weltweite | |
Korallensterben. Und sie sind nicht das einzige Ökoprojekt hier: Seit über | |
20 Jahren pflegen die „Reef Gardeners“ die regionalen Korallengärten. Ein | |
Team von Tauchern pflegt beschädigte Korallen und entfernt Fressfeinde wie | |
den Dornenkronenseestern. Ihren Ursprung haben die Gardeners im Reef Seen | |
Divers’ Ressort, das vom Australier Chris Brown als erste Tauchschule vor | |
Ort begründet wurde. | |
Brown, heute 55 Jahre alt, hat die gesamte touristische Entwicklung | |
Pemuterans mitbekommen – und zusammen mit den Einheimischen auch zu | |
beeinflussen versucht: „Wir haben in den ersten acht, neun Jahren sogar die | |
Reiseführer darum gebeten, Pemuteran aus ihren Büchern rauszulassen, damit | |
der Tourismus hier nicht zu schnell wächst und anschließend implodiert wie | |
an so vielen anderen Orten“, sagt er. | |
## 2001 wurde das Dynamitfischen verboten | |
Seit ungefähr sieben Jahren sei die Zahl der Besucher, Hotels und | |
Dive-Shops in Pemuteran stark gestiegen, so Brown. „Für mich ist das | |
Hauptproblem aktuell: Wie schaffen wir es, dass unsere Standards so hoch | |
bleiben wie bisher und gleichzeitig die Dorfgemeinschaft intakt? Das ist | |
eine Gratwanderung.“ Brown hat sich in den letzten 25 Jahren dafür | |
eingesetzt, bei den lokalen Fischern und Farmen Verständnis für Umwelt- und | |
Artenschutz zu vermitteln. 2001 wurden das Zyanid- und Dynamitfischen | |
verboten. | |
Auch die von ihm gegründete Schildkrötenaufzuchtstation, in der Buddy seine | |
einsamen Kreise dreht, würde ohne die Hilfe der Einheimischen nicht | |
funktionieren: Sie bringen gefundene Eier, damit die bedrohte | |
Meeresschildkrötenpopulation vor Ort stabilisiert wird. In der Hatchery | |
werden die Eier unterirdisch ausgebrütet, anschließend wachsen die | |
Babyschildkröten, noch klein wie Kinderhände, in den Schwimmbecken neben | |
Buddy auf. Nach wenigen Monaten werden sie ausgesetzt – bis heute wurden | |
von der Hatchery 14.000 Schildkröten ins Meer gebracht. Sie sollen ein | |
besseres Leben haben als Buddy. | |
19 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Brake | |
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