# taz.de -- Der Modellfisch Guppy: Attraktive Homos | |
> Guppys sind bunt, können Zicken und Machos sein und reagieren auf LSD mit | |
> Größenwahn. Ansonsten sind sie Fische, an denen viel getestet wird. | |
Bild: Guppys: Gedeihen Im Kühlsystem eines Kraftwerks besonders gut. | |
Die Poecilia reticulata, besser bekannt unter dem Namen Guppys – benannt | |
nach ihrem englischen Erforscher R. J. L. Guppy –, sind kleine | |
lebendgebärenden Süßwasserfische aus der Karibik, die sich in Aquarien | |
leicht züchten lassen. Sowohl professionelle Züchter als auch Anfänger | |
widmen sich seit vielen Jahrzehnten den Guppys, und heute existiert eine | |
überwältigende Fülle an Farben, Mustern und Formen. | |
Daneben dienen sie den Biologen als „Modellorganismen“ und werden in der | |
Entwicklungsbiologie, Ökologie, Verhaltensforschung, Genetik, Krebs- und | |
Fischereiforschung eingesetzt. Das Max-Planck-Institut für | |
Entwicklungsbiologie berichtete: „Bunte Guppymännchen haben die besten | |
Chancen bei der Fortpflanzung“ – auch bei der Selektion durch Aquarianer, | |
die es bunt lieben, möchte man hinzufügen. | |
Englische Fischforscher beschäftigten sich mit der „sexuellen Belästigung“ | |
von Guppyweibchen: „Wenn sich diese aus dem Weg gehen, untereinander | |
bekämpfen und ‚rumzicken‘, sind die Männchen daran nicht unschuldig: Indem | |
sie die Weibchen sexuell bedrängen, verändert sich das Sozialverhalten der | |
Weibchen untereinander“, berichteten die Wissenschaftler in den Biology | |
Letters.“ | |
## Von der Guppy-Forschung wird man verrückt | |
Bei einer mit den Guppys verwandten Art – Poecilia mexicana – entscheidet | |
sich das Weibchen angesichts zweier kämpfender Männchen eher für das | |
„Verlierermännchen“, wie die Fischforscher David Bierbach und Martin Plath | |
von der Goethe-Universität Frankfurt herausfanden. Besonders attraktiv | |
fänden die Weibchen homosexuelles Verhalten von Männchen. Wahrscheinlich, | |
weil sie von diesen anschließend ebenfalls weniger aggressiv bedrängt | |
werden. | |
Zwei Auricher Gymnasiasten, Trebesch und Broers, erforschten wild lebende | |
Guppys auf Trinidad, indem sie einzelne Tiere markierten. Dabei fanden sie | |
heraus: Je mehr ihr Platz eingeschränkt wurde, umso aggressiver wurden die | |
Guppys; sie entwickelten regelrechte „Beißhierarchien“. | |
Fisch Nummer 8, der bevorzugtes Opfer von „Machoguppys“ wurde, tat ihnen | |
sogar „irgendwie leid“, was die Gymnasiasten damit erklären, „dass man a… | |
ein bisschen verrückt wird, wenn man sich so lange mit ihnen beschäftigt“. | |
In Moskau, wo die Aquarianer „Guppy-Wettbewerbe“ veranstalten, widmen sich | |
einige Fischforscher neuerdings ausgewilderten Guppys: Sie untersuchten | |
drei Populationen, die in der Moskwa leben – dort, wo eintretende Wärme von | |
Heizkraftwerken für die nötigen Temperaturen sorgt. Jede der Populationen | |
entwickelte besondere Eigenschaften. | |
## Ins Kraftwerk geschüttet | |
In Berlin erzählte mir ein Techniker des Kraftwerks Rummelsburg, dass er | |
ein Aquarium mit Guppys besaß. Als er in Urlaub fahren wollte, wusste er | |
nicht wohin damit, und entsorgte die Fische kurzerhand im Kühlsystem des | |
Kraftwerks. Jahre später musste das System überholt werden – und dazu das | |
Kühlwasser abgelassen werden, dabei kamen mehrere Zentner Guppys mit | |
heraus. | |
Inspiriert von den LSD-Versuchen der Harvard-Psychologen und der | |
Armeeführung in den USA teste der Germanist Dirk Reich die Droge erst | |
einmal bei Fischen. Er besaß ein Aquarium mit großen und kleinen Fischen. | |
Die kleinen, Guppys, obwohl in der Überzahl, hatten unter den großen, | |
Schwertfischen, gelegentlich zu leiden, vor allem fraßen sie ihnen | |
regelmäßig den Nachwuchs auf. | |
Nachdem er seinen LSD-Trip ins Wasser geworfen hatte, verkrochen sich die | |
Großen hinter Steinen und Pflanzen, während die Kleinen sich zunächst an | |
der Wasseroberfläche sammelten. Dann schwammen sie zu den großen – und | |
attackierten sie – so lange, bis sie tot waren. | |
Dieses Experiment kam mir wie ausgedacht vor. Aber dann las ich im Spektrum | |
der Wissenschaft, dass zwei Zoologen der Universität Umea die Wirkung von | |
Medikamentenrückstände in Gewässern untersucht hatten, konkret den Effekt | |
des angstlösenden Wirkstoffs Oxazepam auf einheimische Flussbarsche (Perca | |
fluviatilis). | |
Sie beobachteten deren Verhalten vor und nach Zugabe von Oxazepam zum | |
Wasser und stellten fest, dass die Fische durch das Präparat aktiver | |
wurden, schneller fraßen und bereitwilliger neue Beckenbereiche | |
erforschten. „Normalerweise sind Barsche scheu und jagen in Schwärmen. Das | |
ist eine bewährte Überlebensstrategie. Doch diejenigen, die in Oxazepam | |
schwimmen, sind wesentlich mutiger“, meinte einer der Forscher. | |
29 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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