| # taz.de -- Tour de France: Mit Leihrad und langem Umweg | |
| > Mit Tony Martin und André Greipel bestimmen die Deutschen in den ersten | |
| > Tagen das Renngeschehen. Für beide ein ungewohntes Gefühl. | |
| Bild: Führende der Sprint- (André Greipel) und Gesamtwertung (Tony Martin). | |
| Das Siegerpodium bei der Tour de France ist in deutscher Hand. Drei Mal | |
| wurden in den ersten Tagen deutsche Profis als Etappensieger aufs Treppchen | |
| gerufen. Zwei Mal galt die Aufforderung André Greipel, einmal Tony Martin. | |
| Wenn die wichtigsten Wertungstrikots verteilt werden, führt der Weg an | |
| beiden nicht vorbei. Martin nimmt gelb als Führender der Gesamtwertung in | |
| Empfang, Greipel als bester Sprinter grün. | |
| Dabei hatte es gar nicht gut begonnen. Tony Martin durfte sich nach der | |
| ersten Etappe nur ersatzweise das grüne Trikot überstreifen. Der | |
| australische Prologsieger Rohan Dennis hatte sowohl das gelbe wie das grüne | |
| Leibchen in Besitz. Und Martin, der als dreifacher Zeitfahrweltmeister so | |
| gern selbst den Auftakt gewonnen hätte, musste grün spazieren fahren. | |
| Bei Martin setzte sich das Pech auch in den nächsten Tagen fort. Zwar | |
| wechselte jeden Tag die Führung, doch vor Martins Nase saß stets ein neuer | |
| Spitzenreiter. Kaum Trost vermochte Martin in der Tatsache zu finden, dass | |
| er Sekunde um Sekunde dem ersten Gesamtrang näher kam. Trennten ihn nach | |
| der ersten Etappe noch fünf Sekunden von Dennis, so waren es nach der | |
| zweiten drei Sekunden auf Fabian Cancellara und nach der dritten nur noch | |
| eine winzige Sekunde auf Chris Froome. | |
| Genau genommen waren es 0,08 Sekunden. Denn der Tageszweite Froome hatte | |
| zwar einige Meter Abstand auf den Sieger Joaquim Rodriguez, in | |
| Zeiteinheiten waren das 0,93 Sekunden. Bei 1,01 Sekunden hinter Rodriguez | |
| wäre für Froome eine Sekunde mehr gewertet worden und Martin hätte gelb | |
| überstreifen. „Wir dachten, das Schicksal meint es aber ganz schön hart mit | |
| uns“, seufzte Martins Betreuer Rolf Aldag. | |
| ## Immer knapp vorbei | |
| Auch in den Jahren zuvor war Martin mehrfach knapp am großen Erfolg | |
| vorbeigeschrammt. 2009 verkalkulierte er sich im Zweiersprint nach | |
| Ausreißversuch auf der prestigeträchtigen Etappe hoch zum Mont Ventoux und | |
| wurde nur Zweiter. Beim Tourprolog ein Jahr später schnappte ihm Cancellara | |
| gelb weg. | |
| 2012 waren es eine Reißzwecke im Hinterrad und ein erneut starker | |
| Cancellara, die ihm im Weg standen. Bei den Olympischen Spielen 2012 in | |
| London erhielt er statt der erträumten Gold- nur die Silbermedaille, auch | |
| aufgrund der Sturzfolgen bei der Tour des gleichen Jahres. | |
| Martin schien der ewige Zweite. Das hat sich mit dem Solosieg in Cambrai | |
| endgültig geändert. Geradezu symptomatisch für einen Pechvogel wie ihn | |
| gelang ihm dieser Erfolg auf einem geborgten Rad. Nach einem Platten gab | |
| ihm Teamgefährte Matteo Trentin seines. Es passte eigentlich nichts, der | |
| Sitz war falsch, die Bremshebel vertauscht und dennoch gewann er. | |
| ## Mit 33 im Olymp der Sprinter | |
| Auch André Greipel musste lange warten. Viele Jahre fuhr er im Schatten | |
| seines damaligen Teamkollegen Mark Cavendish. Der ist zwar drei Jahre | |
| jünger, hatte aber schon 15 Etappensiege bei der Tour eingefahren, als | |
| Greipel überhaupt das erste Mal für die Frankreichrundfahrt berücksichtigt | |
| wurde. „Ich hatte damals auch meine eigenen Siege, aber eben im | |
| B-Programm“, blickte er in Amiens auf seine Anfänge zurück. | |
| Auch beim belgischen Lotto-Rennstall lief es nicht immer wie gewünscht. | |
| „Beim Tourauftakt im letzten Jahr, mit all dem Regen in England, fühlte | |
| André sich nicht sicher genug“, erklärt Teamchef Marc Seregeant. | |
| Der clever herausgefahrene Sieg auf der zweiten Etappe gab Greipel dann | |
| aber Sicherheit. „Er ist im Finale so cool geblieben. Er hat gewartet und | |
| gewartet. Zehn Mann zogen links an ihm vorbei. Ich war dankbar, dass wir im | |
| Teamfahrzeug keine Livebilder hatten. Ich wäre ausgeflippt. Dann aber | |
| suchte er den Weg außen rum. Das machst du nur, wenn du dir deiner Mittel | |
| sicher bist“, lobte Sergeant seinen Schützling. | |
| Greipel, der bei dieser Tour 33 Jahre alt wird, ist endlich im Olymp der | |
| Sprinter angekommen. Martin, 30 Jahre alt, hat sich endgültig von dem Ruf | |
| befreit, nur beim Zeitfahren gewinnen zu können. Im Moment des Erfolgs ist | |
| alles Leiden vergessen. Der Weg auf den Gipfel führte aber durch manches | |
| Tal. | |
| 9 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
| ## TAGS | |
| Tour de France | |
| Tour de France | |
| Christopher Froome | |
| Radsport | |
| Tour de France | |
| Tour de France | |
| Radsport | |
| E-Bikes | |
| Berlin | |
| ARD | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nairo Quintana bei der Tour de France: Der Verfolger | |
| Der Kolumbianer Nairo Quintana ist dem Briten Chris Froome auf den Fersen. | |
| Kann er ihn in den Bergen noch schlagen? | |
| Attacken gegen Radsportteam Sky: Urin für ihn | |
| Ein Faustschlag für Rad-Profi Porte, ein Pipi-Anschlag auf Kapitän Froome. | |
| Auf der Tour de France regt sich Unmut, vor allem gegen Team Sky. | |
| Dopingdiskussionen im Radsport: Mister 416 Watt | |
| Die Leistungen von Spitzenreiter Chris Froome sorgen für Diskussion. | |
| Befeuert werden sie durch gehackte oder geleakte Leistungsdaten. | |
| Massensturz bei der Tour de France: Crashituri te salutant | |
| Der Massensturz der Tour de France ist ein guter Anlass, als Zuschauer wie | |
| als Chronist, die eigene Lust am Spektakel des Leidens zu hinterfragen. | |
| Radfahren in den Niederlanden: Die großen Abfahrer | |
| Die Tour de France startet in den Niederlanden. Dort ist Radfahren | |
| Alltagskultur. Mit politischem Druck gelang es, den Autoverkehr | |
| zurückzudrängen. | |
| Radrennen Giro d‘Italia: Aus dem Osten rollt was an | |
| Beim Giro bestimmen finanzkräftige osteuropäische Rennställe das Geschehen. | |
| Dabei setzen sie vermehrt auch auf einheimische Talente. | |
| Mit dem Elektrorad in der Provence: Radeln wie Gott in Frankreich | |
| Der Luberon ist nicht nur ein großer Naturpark, die Gebirgskette ist auch | |
| ein Paradies für E-Biker. Zahlreiche Routen locken die Besucher. | |
| Sechstagerennen in Berlin: Radeln, bis es wehtut | |
| Ein "Flieger" wie Walter Rütt täte den Sixdays gut. Berlins einstiger | |
| Bahnrad-Superstar fuhr 933 Siege ein - und doch geriet er in Vergessenheit. | |
| Radsport in Deutschland: Renaissance der Berufsradler | |
| Nach dem Neustart wollen nun alle bei der Tour de France dabei sein: zwei | |
| Profirennställe, das Fernsehen und die deutschen Städte. |