# taz.de -- BND-Spionagezentrale in Bad Aibling: Alles so schön rund hier | |
> In Bad Aibling sammelt der BND in riesigen weißen Bällen Daten – auch für | |
> die Geheimdienste der USA. Wie finden das die Bad Aiblinger? | |
Bild: Die Abhörstation in Bad Aibling hat der BND vom US-Geheimdienst übernom… | |
Bad Aibling, eine oberbayerische Stadt nahe dem Chiemsee mit 18.000 | |
Einwohnern, mit Zwiebelturmkirche, Minigolf und Heimatmuseum. Und mit | |
großen Kugeln, die wie riesige Golfbälle auf der Wiese liegen, hartes Weiß | |
auf saftigem Grün – eine Skulptur. Dahinter steigt blau das Alpenpanorama | |
auf. | |
In Bad Aibling sieht Bayern aus wie auf einem Kalenderbild. Der Musiker | |
Werner Schmidbauer hat dem Ort ein Lied gewidmet, er singt über die „Felder | |
hinter „Oabling“ – es ist eine Coverversion von Stings „Fields of Gold�… | |
Bad Aibling ist die perfekte Idylle. Wären da nicht die Kugeln. | |
„Schwammerl“, Pilze, nennt man sie hier. „Radom“ lautet der Fachbegriff. | |
Sie gehörten zur Überwachungsanlage auf dem Gelände der | |
Bad-Aibling-Station, einst Abhörbasis der US-Geheimdienste. | |
Im Jahr 2004 wurde die Basis offiziell aufgelöst. Doch die Antennen blieben | |
bis heute aktiv, und in der NSA-Geheimdienstaffäre bekommen sie plötzlich | |
Beachtung. | |
Felix Schwaller, der CSU-Bürgermeister der Stadt, klingt, als wäre er stolz | |
auf die mit Maschendraht umzäunten Kugeln. „Wer hat das sonst schon?“ Sein | |
Bad Aibling ist jetzt ständig in Zeitungen und im Fernsehen zu sehen. | |
Beschwerden gebe es keine, Probleme auch nicht, der Kontakt zum BND vor Ort | |
sei bestens, sagt er. Und die Überwachung? Die Bürgerinnen und Bürger | |
lebten seit Jahrzehnten mit der Anlage. Den Bundesnachrichtendienst | |
verbinde man mit Berlin, nicht mit Bad Aibling. „Das Thema ist in Bad | |
Aibling kein Thema.“ | |
Nicht nur zu sehen sind die Kugeln, auch zu hören – ein leises Rauschen | |
senden sie aus. Als ob die Daten, auf die es der Lauschangriff abgesehen | |
hat, tatsächlich Geräusche machten. Doch es ist nur die Luft, die ständig | |
in die weißen Schutzhüllen geblasen wird, um sie gegen Wind und Wetter | |
gespannt zu halten. Darunter stecken die Antennen, flexibel drehbar in jede | |
Richtung. | |
## „Vorsicht, Schusswaffengebrauch!“ | |
Ein Schild weist die Anlage als militärischen Sicherheitsbereich aus | |
(“Vorsicht, Schusswaffengebrauch!“). Direkt daneben liegt ein Fußballfeld, | |
darauf trainieren die Spieler des benachbarten Deutschen Fußballinternats | |
und fluchen über verfehlte Pässe. Ein paar hundert Meter entfernt sitzt der | |
BND hinter hohen Mauern. Lange war das Gelände als | |
„Fernmeldeweitverkehrsstelle“ der Bundeswehr getarnt. Der BND bekam die | |
Radome von den Amerikanern geschenkt, benutzte sie weiter und gab – als | |
Gegenleistung sozusagen – Informationen an die NSA weiter. Ein Überbleibsel | |
der Zeit, in der die Amerikaner in Bad Aibling stationiert waren, wie | |
vieles hier. | |
Johnny’s Bowlingbahn ist so ein Relikt. Draußen große Kugeln, drinnen | |
kleine. Ein Bild von James Dean an der Wand, gegenüber drei Uhren; sie | |
zeigen die Zeit in Washington, Las Vegas und Bad Aibling. Johnnys Frau, | |
Nancy, 35, blonder Pferdeschwanz, sympathisches Lächeln, steht hinter der | |
Theke und brät Burger, die Bacon-Cheese-Version für 4,10 Euro. Von der | |
Überwachung bekomme man nichts mit, sagt sie. | |
Johnny D’Silvas Eltern betrieben die Bahn schon, als das Gelände ringsum | |
noch US-Kaserne war. Seit 1966 waren sie angestellt. Johnny ist heute 46, | |
ein schlaksiger Typ. Er wuchs zwischen den Amerikanern auf. Neben der | |
Bowlingbahn standen damals ein amerikanischer Supermarkt und ein | |
Aufenthaltsraum mit Billardtisch und Büchern auf Englisch. Wer von außen | |
zum Bowling kommen wollte, musste seinen Ausweis vorzeigen, zeitweise | |
brauchte man sogar ein polizeiliches Führungszeugnis. Hinter dem Tor begann | |
Amerika. | |
## Zum Abschied eine Parade | |
Die frühere Kaserne liegt im Ortsteil Mietraching, drei Kilometer entfernt | |
von der verkehrsberuhigten Aiblinger Innenstadt. Als im Jahr 2004 die | |
Amerikaner offiziell abzogen, gab es zum Abschied eine Parade durch die | |
Stadt, Kostüme und historische Fahrzeuge, wie im Fasching, die | |
Einheimischen winkten mit Sternenbannerfähnchen. | |
Die Agenten waren beliebt, als Mieter, als Befreier und Freunde, die einmal | |
im Jahr ihre Kaserne öffneten und die ganze Stadt zum Volksfest einluden. | |
Bäcker, Metzger, Handwerker, alle verdienten an ihnen. „Die Hoteliers haben | |
geheult wie die Wölfe bei Vollmond, als die Amis weg sind“, sagt Franz | |
Kriechbaumer, 76, der „alte Wirt“ im Gasthaus direkt gegenüber dem früher… | |
Kaserneneingang – ein Familienbetrieb seit 160 Jahren. | |
Der Kriechbaumer hieß bei den Amerikanern „Last Chance“, wenn es nirgendwo | |
mehr ein Bier gab, hier gab es noch eins. Und so saßen die „Amis“ dann an | |
den Tischen auf der einen, die Einheimischen auf der anderen Seite des | |
Kachelofens. Spezialisten gab es, erinnert sich der Wirt, die konnten | |
schafkopfen, das waren wohl die extra ausgebildeten Spione. „Heute dagegen | |
spielt man sich so auf wegen der Spionage, ich versteh gar nicht, warum“, | |
sagt er. | |
Nach und nach wurde die Basis in den sechziger Jahren zur Abhörstation | |
ausgebaut, bis die NSA sie übernahm. Roy McGehee war von 1968 bis 1971 hier | |
stationiert. „Last Chance“ und Bowlingbahn waren damals sein zweites | |
Zuhause. Schnitzel beim Wirt, Ausflüge nach Rosenheim, ein bisschen was von | |
Europa sehen. „Die Einheimischen haben uns respektvoll behandelt“, meint | |
er. Aufs Oktoberfest ist er einmal gefahren, aber das, sagt er, war nichts | |
im Vergleich zu den Dorffesten, wo die echten bayerischen Feiern | |
stattfanden. | |
## Freibier und Leberkäse | |
Die Bad Aibling Station war beliebt bei den Amerikanern. Bei Johnny und | |
Nancy in der Bowlingbahn hängt noch das Emblem der Bad Aibling Station: Das | |
Stadtwappen – der heilige Georg als geharnischter Ritter, der mit dem Speer | |
den Drachen tötet – vor einer bayerischen und einer US-amerikanischen | |
Flagge, darunter der Spruch „Loyalty above all“. Bald spielte man mit den | |
Deutschen zusammen, eine Bowlingmannschaft, die „Fuizlers“, gibt es seit 38 | |
Jahren. Unter den Snowden-Dokumenten fand sich eine „Kleine Bad Aibling | |
Nostalgie“, in der sich NSA-Mitarbeiter wehmütig an Freibier und Leberkäse | |
erinnern. | |
„Es war eine Wohlfühlatmosphäre“, sagt Michael Poschmann. Er organisierte | |
im vergangenen Jahr eine Demo gegen Überwachung – die erste und einzige in | |
Bad Aibling. Poschmann, 39, ist Ingenieur, parteilos und im Mangfalltal | |
aufgewachsen. In seiner Schulzeit waren die Kugeln in Sichtweite. Später | |
dann kamen die Snowden-Enthüllungen, und Poschmann fragte sich, warum | |
niemand etwas unternahm. | |
„Dieses Gymnasium hat jedes Jahr mindestens 100 Abiturienten, und trotzdem | |
fand kein Widerspruch statt“, sagt er. 250 Menschen bekam er dann mit der | |
Hilfe von Grünen, Linken, Piraten, SPD und Attac zusammen. Ob das viel ist | |
für die Stadt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Demo schaffte | |
es immerhin in die „Tagesschau“. „Unsere Forderung an die Bundesregierung, | |
die Verflechtungen von NSA und BND aufzuklären, ist immer noch aktuell“, | |
sagt Poschmann heute. | |
## Anstatt Kaserne gibt es jetzt Öko-Häuser | |
Die Bad Aiblinger, so scheint es, waren seit dem Abzug der Amerikaner vor | |
allem mit der Frage beschäftigt, wie sie das Gelände umgestalten sollten. | |
Wo früher Kaserne war, stehen heute ökologische Holzhäuser, der Anfang | |
einer Null-Energie-Stadt. Daneben ein Tagungshotel, zwischen Bäumen, die | |
der Betreiber als Park zu verkaufen weiß. | |
Im unteren Teil der früheren Kaserne finden nun Festivals statt. Beim | |
„Echelon“ feiern Zehntausende zu Elektro-Musik – benannt ist das Festival | |
nach dem weltumspannenden Spionagenetzwerk, gezeltet wird direkt neben den | |
Radomen. Beim „Holi-Fest“ bewerfen sich junge Leute in indischer Tradition | |
mit bunten Farben. Fragt man sie nach den weißen Kugeln, wissen die | |
wenigsten, was sich darin verbirgt. Und selbst wenn – „was wollen die schon | |
mit dem, was ich auf WhatsApp schreibe?“, sagt Katharina, 18. Es wird | |
Abend, es wird kalt. Sie will nach Hause.Das Thema ist kein Thema, und | |
Antworten gibt es keine. | |
Vor den Kugeln nähert sich langsam ein schwarzer Passat. Ein Mann steigt | |
aus. Dunkle Jacke, gedrungene Statur, neben sich hat er einen Schäferhund. | |
Der Mann besitzt den Schlüssel zum Tor im Maschendraht. Er sperrt auf und | |
verschwindet zwischen den Radomen. Auf Fragen reagiert er nicht. | |
12 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Elisa Britzelmeier | |
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