# taz.de -- Fernwärme in Mitte Altona: Mogelpackung Modellquartier | |
> Fernwärmeversorgung für Mitte Altona widerspricht Bebauungsplan, sagt | |
> Ex-Staatsrat Maaß. Zudem werde die Öko-Fernwärme doppelt verbucht. | |
Bild: Fernwärme aus Abfallholz: Pieter Wasmuth (l.) und Gunther Müller (r.) v… | |
HAMBURG taz | Das Neubaugebiet Mitte Altona sollte ein Modellquartier für | |
den Klimaschutz werden – folgt man den Kritikern ist das Ganze aber ein | |
Mogelpackung. | |
Wie der ehemalige grüne Staatsrat Christian Maaß in einem Gutachten für die | |
Firma BZE Ökoplan ausführt, widerspricht die geplante Fernwärmeversorgung | |
dem Bebauungsplan. Außerdem verletze das Angebot von Vattenfall-Fernwärme | |
das Doppelvermarktungsverbot für Erneuerbare Energie. | |
In Altona sollen auf ehemaligem Bahnhofsgelände im ersten Abschnitt 1.600 | |
Wohnungen entstehen. Das neue Quartier sollte im Sinne des Klimaschutzes an | |
ein Wärmenetz angeschlossen werden, „das überwiegend mit erneuerbaren | |
Energien versorgt wird“. Außerdem sollte es laut Bebauungsplan darum gehen | |
„die Anteil dieser Wärmeversorgungsart zum Schutz des Klimas zu erhöhen“. | |
## 46 Prozent teurer | |
Dazu schlossen die Grundstückseigner mit Vattenfall einen Vertrag über die | |
Lieferung von „Fernwärme Natur Mix“, der zu 40 Prozent herkömmlich erzeugt | |
wird und zu 60 Prozent durch Verbrennung von Holz und Biogas. Die Bio-Wärme | |
wird schon heute ins Netz gespeist. Für die Mitte Altona wird davon ein | |
Anteil rechnerisch dem Natur Mix zugeordnet – wofür die Bezieher 46 Prozent | |
mehr bezahlen müssen. | |
Ein gutes Geschäft für Vattenfall? „Das liegt schlicht am Brennstoff“, | |
lautet die schlichte Antwort von Vattenfall-Sprecherin Karen Kristina | |
Hillmer auf die Frage, warum der Natur Mix teurer sei. | |
Maaß kritisiert, dass der Natur Mix die Vorgaben der Stadt nicht erfülle, | |
denn darüber wie erneuerbare Energien bei der Fernwärme angerechnet werden, | |
gebe es anders als beim Strom oder Gas keine Regeln. Abgesehen davon werde | |
die Mitte Altona gar nicht aus einem Netz beliefert, das überwiegend mit | |
erneuerbaren Energien gespeist wird, „sondern nur zu 13,8 Prozent“. | |
## Doppelte Vermarktung | |
Zudem werde das Doppelvermarktungsverbot verletzt. Vattenfalls Fernwärme | |
werde wie andere Energieträger nach der Energieeffizienz und | |
Klimafreundlichkeit bewertet. Vattenfalls Fernwärme schneidet dabei gut ab, | |
nicht zuletzt wegen des Bio-Anteils. Alle Hauseigentümer, die diese | |
Fernwärme beziehen können, dürfen anderswo Abstriche bei der Wärmedämmung | |
und der Nutzung erneuerbarer Energien machen. | |
Daran ändere sich nach den geltenden Regeln auch nichts, wenn grüne | |
Fernwärme wie für den Natur Mix gesondert verkauft wird. „Dadurch wird die | |
‚grüne‘ Eigenschaft doppelt klimapolitisch in Anspruch genommen und doppelt | |
wirtschaftlich verwertet“, schreibt Maaß. Und der Senat habe nichts getan, | |
um das zu verhindern. | |
## Nur scheinbar ökologisch | |
„Es ist ein Betrug am Klimaschutz“, sagt Schwarzfeld von Ökoplan. Wegen der | |
scheinbar ökologischen Fernwärme würden die Häuser in der Mitte Altona | |
klimaschutztechnisch mit dem Standard von 1968 gebaut. | |
Der Senat kann „nach jetzigem Kenntnisstand“ eine Doppelbilanzierung nicht | |
erkennen. Die Argumente würden sorgfältig geprüft, teilt die Umweltbehörde | |
mit. „Klar ist, dass man erneuerbare Energien nicht doppelt verkaufen | |
kann.“ Vattenfall wiederum beruft sich auf die Angaben der Stadt: „Wir | |
haben unser Angebot abgegeben; das wurde von der Behörde geprüft und für | |
gut befunden.“ | |
9 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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