| # taz.de -- Google und die Suchneutralität: „Es zählt nur, was die Nutzer w… | |
| > Die EU klagt gegen Google. Der Jurist und Programmierer James Grimmelmann | |
| > erklärt, warum er das für übertrieben hält. | |
| Bild: Google-Store in London: Eine Kundin trifft auf ihre Suchmaschine. | |
| Herr Grimmelmann, Was haben Sie zuletzt auf Google gesucht? | |
| James Grimmelmann: Einen meiner Texte zur Suchneutralität. Ich wollte mich | |
| auf dieses Interview vorbereiten. | |
| Haben Sie das relevanteste Ergebnis bekommen? | |
| Ja, habe ich. Ich wusste aber auch genau, was ich finden wollte und habe | |
| die Worte entsprechend gewählt. Wenn ich mich inspirieren lassen will, in | |
| welchem Restaurant ich essen gehen soll oder in welchem Hotel übernachten, | |
| nutze ich Google nicht. Ich bevorzuge spezialisierte Suchmaschinen wie das | |
| Empfehlungsportal Yelp oder die Reisesuchmaschine Kayak. Da bekomme ich | |
| bessere Ergebnisse. | |
| Google ist gar nicht Ihre Lieblings-Suchmaschine, obwohl Sie den Konzern | |
| immer zu verteidigen scheinen? | |
| Nicht für diese Art von Suchanfragen. Es ist meine bevorzugte Suchmaschine, | |
| wenn es darum geht ein paar erste Informationen zu einem Thema zu bekommen. | |
| Gestern hat meine Tochter eine Kindersendung über Baumaschinen im Fernsehen | |
| angeschaut. Da war die Frage, was der Unterschied zwischen einem | |
| Löffelbagger und einer Aushubmaschine ist. Um das herauszufinden, sind wir | |
| auf Google gegangen, lasen einige Wikipedia-Einträge und ein paar Infos auf | |
| Webseiten von Baumaschinenherstellern. Für diese Art von unstrukturierter | |
| Suche ist Google gut. | |
| Sind die Suchergebnisse, die Google liefert Ihrer Meinung nach vollständig | |
| und unparteiisch? | |
| Sie werden vollständig, wenn Sie sich durch genug Seiten klicken. Wenn Sie | |
| sich nur Ergebnisse auf fünf bis zehn Seiten anschauen möchten, werden Sie | |
| nicht alles sehen. Unparteiisch? Nein, ich glaube zu diesem Zeitpunkt | |
| nicht... Obwohl, lassen Sie mich das anders formulieren: Google ist | |
| unparteiisch im Umgang mit Unternehmen, zu denen es keine Beziehung hat. | |
| Aber seine eigenen Karten etwa stellt es prominent in den Vordergrund. | |
| Google ist ein Monopol. Ist es in Ordnung, dass der Konzern systematisch | |
| seine Konkurrenz ausschaltet? | |
| Es ist in Ordnung, wenn Google dadurch bessere Suchergebnissen für mich | |
| liefert. Wenn Google mir dabei hilft, besser zu finden, was ich suche, | |
| schätze ich das. | |
| Aber was, wenn Google Suchergebnisse seiner Konkurrenten aus reinem | |
| Eigeninteresse versteckt? | |
| Das fände ich beunruhigend... | |
| In Ihren Veröffentlichungen liest man etwas anderes. | |
| Ich habe geschrieben, dass es für viele Suchanfragen keine richtige Antwort | |
| gibt. Der Maßstab, an dem wir Suchmaschinen wie Google messen sollten ist: | |
| Haben sie ihre bestmögliche, aufrichtige Antwort zu der Frage des Nutzers | |
| geliefert? Und es passiert, dass Google diese bestmögliche, ehrliche | |
| Antwort nicht liefert. Es ist vielleicht eine gute Antwort, aber sie | |
| bezieht sich nur auf Googles eigene Produkte. Für die beste aller möglichen | |
| Antworten hätte man vielleicht zu Webseiten anderer Anbieter verlinken | |
| müssen. | |
| Der Google Konkurrent Foundem fordert derzeit in einem Rechtsstreit | |
| zwischen der EU und Google, dass Suchneutralität gelten müsse. Also: | |
| unparteiische, umfassende und relevante Ergebnisse. Sie haben das Konzept | |
| scharf attackiert. | |
| [1][Ich habe vor fünf Jahren eine Arbeit zu Suchneutralität | |
| veröffentlicht.] Darin stand ich dieser Idee sehr skeptisch gegenüber, da | |
| reine Neutralität einfach unmöglich ist. Es gibt keine objektiv beste | |
| Antwort auf eine Frage. Allerdings bin ich in den vergangenen Jahren zu dem | |
| Schluss gekommen, dass ein Suchergebnis dennoch subjektiv schlecht sein | |
| kann, wenn die Suchmaschine weiß, dass es eigentlich nicht das Ergebnis | |
| ist, das ich am liebsten sehen möchte. Wenn der Algorithmus sich zwar | |
| bewusst ist: „James würde wirklich gerne dieses Ergebnis von Yelp mit allen | |
| Bewertungen sehen“. Er zeigt mir aber stattdessen eine Google + Seite, im | |
| Wissen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich dann darauf klicke um 40 | |
| Prozent sinkt. Das ist meiner Meinung nach subjektiv falsches Verhalten. | |
| Ich denke, es gibt eine beträchtlichen Spielraum für Fehler. Wir sollten | |
| Suchmaschinen nicht zu schnell verurteilen, aber man könnte ihnen dieses | |
| Verhalten schon vorwerfen. Und in den vergangenen Jahren gibt es bei Google | |
| mehr und mehr starke Beweise für dieses Verhalten. | |
| Sind Foundem und andere Konkurrenten Googles ihrer Ansicht nach nun also | |
| doch im Recht, wenn sie fordern, dass Google diese Art von subjektiv | |
| schlechten Suchergebnissen bei Preisvergleichsseiten unterlassen soll? Es | |
| geht ja immer darum, dass Google seinen eigenen Dienst Google Shopping | |
| bevorzugt. | |
| Ich stand dem Fall immer skeptisch gegenüber. Ich halte die Beweise für | |
| einen Verstoß Googles im Fall Google Shopping für unzureichend. Allerdings | |
| gab es in den vergangenen Jahren immer mehr faktische Beweise für ein | |
| Fehlverhalten Googles im Bereich der lokalen Suche. Damit meine ich | |
| klassische „In der Nähe von“-Suchen. Also: „Restaurant in der Nähe von.… | |
| Das ist das Geschäftsfeld, in dem sich etwa auch Yelp und Trip Advisor | |
| bewegen. | |
| Angenommen, es gäbe eine eindeutige Beweislage dafür, dass Google | |
| Suchergebnisse für die lokale Suche im eigenen Interesse manipuliert: Wären | |
| Verbraucher dann geschädigt? | |
| Schwer zu sagen. In jedem Fall werden Verbraucher, die Konkurrenten von | |
| Google kennen und wissen, wie viel besser ihre Ergebnisse sind, aufhören | |
| Google für lokale Suche zu verwenden. Ich würde niemals mit meinem | |
| Smartphone auf Google gehen, um nach der Wäscherei zu suchen. Ich würde | |
| immer die Yelp-App verwenden. | |
| Nicht alle Verbraucher sind so informiert wie Sie. Manche kennen diese | |
| alternativen Apps zu Google vielleicht nicht. Werden diese Menschen nicht | |
| geschädigt, indem sie nicht die besten Ergebnisse zu ihrer Suche kriegen? | |
| Ich denke sie werden geschädigt. Aber man muss Kosten und Nutzen | |
| ausbalancieren, wenn man diesen Schaden beheben möchte. Es könnte eine | |
| dieser Situationen sein, die sich von alleine löst, wenn Nutzer | |
| konkurrierende Apps entdecken. Das mobile Geschäft bedroht Googles | |
| marktbeherrschende Stellung in der Desktop-Suche, denn auf dem Handy gibt | |
| es einfach viel mehr Apps. Diese Art Schaden für die Verbraucher könnte | |
| sich von selbst korrigieren. Damit wären Argumente für eine | |
| kartellrechtliche Intervention geschwächt. | |
| Im Jahr 2004 hat Larry Page gesagt: Begünstigung der eigenen Inhalte | |
| schafft einen Interessenkonflikt. | |
| Es gibt keine Möglichkeit eine Suchmaschine zu bauen, die keinen | |
| Interessenkonflikten ausgesetzt ist. Die einzige Möglichkeit, diesen | |
| Konflikt zu vermeiden wäre, wenn Verbraucher die Suchmaschine direkt | |
| bezahlen, um die Suche in ihrem Namen auszuführen. | |
| Gibt es so ein Modell? | |
| Die Suchmaschine, die diesem Modell am nächsten kommt, ist | |
| [2][duckduckgo.com]. | |
| Google hat eine ähnliche Funktion wie Zeitungen oder Rundfunkanstalten hat: | |
| Menschen informieren sich hier. Sollten für den Konzern ähnliche | |
| Richtlinien wie für die Medien gelten, um Unparteilichkeit zu | |
| gewährleisten? | |
| Meiner Ansicht nach wird es unendlich paradox, wenn man versucht bestimmte | |
| Regeln für Handel und den öffentlichen Diskurs zu formulieren. Nachdem Sie | |
| eine gute Analyse durchgeführt haben, können Sie über ehrliche, gut | |
| gemeinte Suchergebnisse für Verbraucher im kommerziellen und | |
| nachrichtenbasierten Diskurs sprechen und Sie würden ähnliche Ergebnisse | |
| kriegen. Was ich damit meine: Ich sprach bereits von meiner Überzeugung, | |
| dass Suchmaschinen ihre bestmögliche, ehrliche Antwort zu der Frage eines | |
| Nutzers liefern sollten. Das sollte für kommerzielle Fragen gelten wie „Wo | |
| kann ich am günstigsten ein Motorrad kaufen?“ und für Fragen, wie „Sag mi… | |
| wer die Präsidentschaftskandidaten sind“. In beiden Fällen denke ich, das | |
| Suchmaschine sich richtig verhalten, wenn Nutzerziele Priorität haben und | |
| sich falsch verhalten, wenn ein anderer Agenda – sei es eigene | |
| wirtschaftliche Interessen, Werbekunden, spezielle Websites oder die | |
| Regierung zu bedienen – verfolgt wird. Das einzig moralisch legitime Ziel | |
| für eine Suchmaschine ist: Was wollen ihre Nutzer. | |
| Wenn Google seinen Wettbewerbern Sanktionen auferlegt, werde ich deren | |
| Ergebnisse nie sehen. Ist es falsch zu fordern, dass das aufhört? | |
| Auch hier wäre die Frage wieder: Geschieht diese Sanktionierung im | |
| Interessen der Nutzer oder nicht? Manchmal sanktioniert Google Webseiten, | |
| weil sie die Suchergebnisse zuspammen, oder weil sie von geringer Qualität | |
| sind. Wenn Google solche Webseiten sanktioniert, ist das für den Nutzer | |
| gut. | |
| Google will Geld verdienen. Sicherlich hat es andere Interessen als nur die | |
| der Nutzer. Nehmen wir den Fall, als vor allem Google Shopping Ergebnisse | |
| angezeigt wurden. War das keine unternehmerische Entscheidung? | |
| Nicht unbedingt. Dies würde detaillierte faktenbasierte Untersuchungen | |
| erfordern. Wir bräuchten eine Studie, die belegt, dass das Unternehmen | |
| eigene geschäftliche Interessen verfolgt und dass Nutzer gern andere | |
| Ergebnisse ohne Googles Eigenwerbung bekommen hätten. [3][Yelp hat dazu | |
| diese Woche eine Studie veröffentlicht, die genau das tut.] In einem | |
| Versuch haben sie jemandem alternative Suchergebnisse zu Google angezeigt | |
| und die Person hat diese Ergebnisse bevorzugt. Das beweist nicht, dass | |
| Google absichtlich so handelt, aber es verlangt nach einer Erklärung, | |
| weshalb Google glaubt es gäbe andere Nutzerinteressen, die außen | |
| vorgelassen werden. | |
| Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die zehn ersten | |
| Google-Suchergebnisse alle Googles eigene Produkte sind: YouTube, Google | |
| Shopping, Google Maps...Gefällt Ihnen diese Welt? | |
| Nein, ich bin nicht begeistert von dieser Welt. Ich fände es nicht gut, | |
| wenn Google eigene Produkte künstlich fördern würde und ich fände es auch | |
| nicht gut, wenn der Markt im Internet so konzentriert wäre, dass Google ihn | |
| komplett beherrscht. An einem gewissen Punkt müsste man dann einschreiten, | |
| wenn Google eine solche Kontrolle über unsere Online-Erlebnisse hat, wie | |
| kein Unternehmen es haben sollte. Ich denke nicht, dass wir heute an diesem | |
| Punkt sind. Zumindest nicht in den USA oder in Europa. Aber irgendwann wird | |
| es so weit sein. | |
| Das erst wäre für Sie der Zeitpunkt, um Kartellgesetze gegen Google | |
| anzuwenden? | |
| Sie können das lange vor diesem Zeitpunkt tun, wenn die Stellung des | |
| Unternehmens künstlich entstanden ist. | |
| Wollen Sie damit sagen, dass Google die Reihenfolge von Suchergebnissen nie | |
| künstlich beeinflusst hat? | |
| Nein, ich sage, dass Intervention gerechtfertigt sein könnte, selbst wenn | |
| dem nicht so wäre. Ich kann nicht zu einem überzeugenden Schluss kommen, ob | |
| Google die Reihenfolge seiner Suchergebnisse künstlich beeinflusst oder | |
| nicht. | |
| Sie wissen es nicht? | |
| Ich weiß es nicht mit der Sicherheit, die ich gerne hätte. | |
| 4 Jul 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://james.grimmelmann.net/essays/SearchNeutrality | |
| [2] http://duckduckgo.com | |
| [3] http://www.nytimes.com/2015/06/30/business/study-suggests-that-google-has-i… | |
| ## AUTOREN | |
| Christina zur Nedden | |
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