| # taz.de -- Fußball-WM 2015 in Kanada: Gerxit – und das ist auch gut so | |
| > Der deutsche Frauenfußball steht für Athletik, nicht für Kreativität. Die | |
| > Niederlage im Halbfinale resultiert aus Spielverweigerung. Eine Polemik. | |
| Bild: So gehen die Deutschinnen: Silvia Neid und Simone Laudehr | |
| Geschafft. Das deutsche Team ist raus. Endlich. Was die Spielerinnen von | |
| Silvia Neid in diesen Turniertagen gemacht haben, das hatte – wie sagt man? | |
| – nichts mit Frauenfußball zu tun. Ja, es wurde nach den bekannten Regeln | |
| gespielt: zwei Teams, zwei Tore und ein Spielfeld, das begrenzt ist. Halt, | |
| nein, nicht einmal das stimmt. | |
| Gespielt ist das falsche Wort, wenn es um den Fußball geht, den das | |
| deutsche Team bei dieser WM wieder einmal vorgetragen hat. Die deutschen | |
| Frauen haben gebolzt. Geholzt haben sie auch nicht schlecht, und hätten | |
| Bälle ein Schmerzempfinden, sie müssten in einem Traumazentrum für | |
| Folteropfer behandelt werden, so oft wie sie von den Deutschen mit aller | |
| Gewalt ins Irgendwo gedroschen worden sind. | |
| In jedem Fall war das deutsche Spiel für die Zuschauerinnen und Zuschauer | |
| die reine Qual. „Wann kommt eigentlich mal ein Pass an?“, werden sich viele | |
| gefragt haben. Rumms, rumpel, polter! Da waren sie dann auch schon vorbei, | |
| die ersten 45 Minuten. Wohlmeinende mögen gehofft haben: „Vielleicht | |
| klappt’s ja in der zweiten Hälfte mal mit einem Zuspiel.“ | |
| Denkste! Ja, laufen können sie, die Deutschen, die einen schnell, die | |
| anderen zumindest zügig. Und ausdauernd sind sie auch. Doch damit ist kein | |
| Turnier zu gewinnen. Hallo, das drüben in Kanada, mochte man den Frauen mit | |
| der Adlerin auf der Brust zurufen, das ist keine Leichtathletik-WM, ihr | |
| sollt Fußball spielen! | |
| ## Deutsch-verkrampfte Kampfsauattitüde | |
| Aber wer im Team kann das eigentlich? Simone Laudehr, ja, die hat ein | |
| feines Füßchen, aber der guten Frau muss jemand gesagt haben, wenn du | |
| deinem Spiel keine deutsch-verkrampfte Kampfsauattitüde hinzufügst, dann | |
| hast die in unserem Team nichts verloren. Da ist eine zum Spielen geborene | |
| Fußballerin regelrecht umprogrammiert worden. | |
| Dann soll es da noch eine im Team geben, die den Ball streicheln kann. Doch | |
| selten wirkte eine Spielerin so deplatziert im Teamgefüge wie Dzsenifer | |
| Marozsan. Vielleicht war sie ganz froh, dass sie für das Halbfinale gegen | |
| die USA nach einer Bänderdehnung nur Luft für 15 Minuten hatte. Wie muss | |
| sich eine Technikerin wohl auf dem Platz fühlen im Kreis all der | |
| teilbegabten Rackerinnen? | |
| Und vielleicht hat sie sich auf dem Platz die gleiche Fragen gestellt, die | |
| sich allen Beobachtern des deutschen Spiels aufgedrängt haben müssen – | |
| nicht nur bei diesem WM-Turnier: Gibt es so etwas wie Spielkultur? Hat das | |
| Spiel der Deutschen etwas Stilbildendes? Und vor allem: Wo ist die Idee? | |
| Hinten räumen Annike Krahn und Saskia Bartusiak alles ab, was sich ihnen in | |
| den Weg stellt. Warum eigentlich? Weil sie das schon immer gemacht haben? | |
| Weil niemand den völlig zu Recht in Vergessenheit geratenen | |
| Befreiungsschlag, der auf dem Stadiondach landet, so sicher beherrscht wie | |
| die doch arg grob agierende Krahn? Weil niemand heranstürmende Gegnerinnen | |
| so hemmungslos zu Fall bringen kann wie Bartusiak? Über so etwas wie | |
| Spieleröffnung soll an dieser Stelle der Höflichkeit wegen gar nicht erst | |
| nachgedacht werden. | |
| ## Drücken und drängeln | |
| Schauen wir nach vorne, zu Anja Mittag und Celia Sasic, die sich im | |
| Sturmzentrum so autonom bewegt haben, dass sie meist nicht wussten, wo die | |
| jeweils andere steht. Wenn die Gegnerinnen von der Elfenbeinküste oder aus | |
| Thailand kommen, mag das nicht so schlimm sein. Einen Titel wird man mit | |
| diesem Sturm so schnell wohl nicht mehr gewinnen. Aber vielleicht trifft | |
| die Stürmerinnen die Kritik nicht ganz zu Recht. Ein besseres | |
| Stellungsspiel hätte auch nicht viel genützt bei den stümperhaften | |
| Anspielversuchen auf die beiden. | |
| Immerhin drücken und drängeln können die Deutschen. Das ist aber auch schon | |
| das Beste, was sich über das deutsche Mittelfeld sagen lässt. Es wurde | |
| gepresst, so mancher Ball erobert. Aber warum haben die Deutschen die | |
| gewonnenen Bälle meist gleich wieder zu den Gegnerinnen gespielt? Die | |
| Antwort liegt auf der Hand: Weil sie es nicht besser können. | |
| Dass die Deutschen mit ihrem immer gleichen, ideenfreien Kraftfußball Titel | |
| um Titel gewonnen haben, liegt gewiss auch daran, dass die anderen es lange | |
| Zeit eben auch nicht besser konnten. Doch diese Zeiten sind vorbei. Das | |
| Spiel hat sich entwickelt. Doch die Entwicklung ist beinahe spurlos an den | |
| Deutschen vorübergegangen. Was denkt sich Silvia Neid eigentlich, wenn sie | |
| sieht, wie Japanerinnen, Französinnen oder US-Amerikanerinnen den Ball | |
| zirkulieren lassen, als wäre es das Einfachste auf der Welt? | |
| ## Wo ist die Idee? | |
| Lange wird sie nicht mehr Bundestrainerin sein. Ex-Nationalspielerin Steffi | |
| Jones steht als Nachfolgerin bereit. Für welchen Fußball steht die | |
| eigentlich? Man weiß es nicht. Sie hat noch nie ein Team trainiert. Derzeit | |
| ist sie als Direktorin beim Deutschen Fußballbund für Frauen-, | |
| Mädchenfußball zuständig. Ob sie als solche dem gepflegten | |
| Ballbesitzfußball oder dem Konterspiel zuneigt, ist nicht bekannt. | |
| Und trotz des oft formulierten Analogieverbots sei hier doch eine Frage | |
| gestattet: Gibt es hier in Fußballland irgendjemanden, der sich vorstellen | |
| kann, dass der als U21-Trainer zuletzt so blamierte Horst Hrubesch durch | |
| Ulf Schott, den DFB-Direktor für Jugend, Spielbetrieb, | |
| Trainerwesen/Internationale Kooperationen, Talentförderung und Schule, | |
| ersetzt wird? Die Suche nach der Idee im deutschen Spiel, sie könnte noch | |
| lange vergeblich bleiben. | |
| Aber vielleicht wird darüber ja gar nicht groß sinniert im DFB, weil ja am | |
| Ausscheiden der Deutschen eh die Schiedsrichterin schuld war – also | |
| irgendwie die Fifa. Und wen hat diese sogenannte Unparteiische, mit dem | |
| Aufnäher des Internationalen Fußballverbands auf dem Ärmel, bevorzugt in | |
| diesem Halbfinale? Ein Team aus jenem korrupten nord- und | |
| mittelamerikanischen Fußballverband Concacaf, von dem derzeit so viel die | |
| Rede ist. Die Deutschen hätten das Spiel auch verloren, wenn sie Fußball | |
| spielen könnten. | |
| 1 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Rüttenauer | |
| ## TAGS | |
| Fußball | |
| Frauenfußball | |
| Frauen-Fußball-WM 2023 | |
| Fußball-WM | |
| Fußballweltmeisterschaft | |
| Entwicklungszusammenarbeit | |
| Frauen-Fußball-WM 2023 | |
| Frauen-Fußball-WM 2023 | |
| Fußball | |
| Fußball | |
| WM 2015 | |
| Taktik | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Pressschlag: Geschlossenes System | |
| Der Frauenfußball schmorte auch bei dieser WM im eigenen Saft. Viele | |
| haben's sich in ihrem Kosmos bequem gemacht. | |
| Kleines Finale Fußball-WM 2015: Deutsches Desaster | |
| Tränen des Glücks bei den Engländerinnen: Man wollte glatt mitweinen. | |
| Silvia Neid gibt sich zufrieden mit der Leistung des deutschen Teams. | |
| Letzter WM-Auftritt der Bundestrainerin: Die Tugendtussi | |
| Metzgerin mit Disziplinfetisch: Die Bundestrainerin hat sich mental nie aus | |
| Walldürn entfernt. Ihr Vermächtnis an den Fußball: Kadavergehorsam. | |
| Fußball-WM in Kanada: Eigentor stürzt England ins Elend | |
| Japan steht erneut im Finale der Fußball-WM. Das Team gewann gegen England | |
| 2:1. Die Entscheidung fiel erst in der Nachspielzeit. Im Finale warten die | |
| USA. | |
| Fußball-WM in Kanada: Ausgeträumt | |
| Das deutsche Team hat im Halbfinale gegen die USA verloren. Celia Sasic | |
| trauert um einen Elfmeter und Barack Obama freut sich aufs Finale. | |
| Kolumne Fußball im Eishockeyland: Blöde Fragen | |
| Es gibt keine dummen Fragen. Es gibt aber vielleicht zu viele Fragen. | |
| Jedenfalls derzeit in Montréal. Jazz oder Fußball, das ist hier nicht die | |
| Frage | |
| Deutsche Co-Trainerin über Taktik: „Wir sind halt diszipliniert“ | |
| Die Co-Trainerin Ulrike Ballweg erklärt, warum man gegen Frankreich nichts | |
| ändert und weshalb fehlende taktische Flexibilität auch Vorteile hat. |