Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Darum: Junior-Manager bei Prahlhans.de
> Viele Kinder sind Angeber. Bis sie merken, wie anstrengend die Angeberei
> auf Dauer ist. Leider begreifen das längst nicht alle.
Bild: „Prahlen sollst du erst auf dem Heimweg“ – Astrid Lindgren.
Da sitzen sie nun und prahlen. „Weggebatscht hab ich den, einfach nur
weggebatscht.“ – „Von denen hatte keiner eine Chance gegen mich.“ – �…
schlotterte schon, als sie mich sah.“ – „Der kam noch nicht mal mit meiner
Eröffnung zurecht.“
Ich hole [1][drei Jungs vom Schachturnier ab] und verfrachte sie auf die
Rückbank des Autos. Einer braucht noch einen Kindersitz, die anderen hocken
auf Sitzerhöhungen. In ihrer Selbstwahrnehmung aber sind es drei Throne,
auf denen sie sich niedergelassen haben, denn sie haben die meisten ihrer
Spiele gewonnen. Nun muss das gemeine Volk ihren Heldensagen huldigen. Und
das gemeine Volk bin ich.
Es ist egal, ob die Sportartart Schach, Fußball, Hockey, Handball oder
Tennis heißt. Und es ist egal, ob die Jungs fünf, sieben oder neun Jahre
alt sind. Die Prahlerei nach einem Sieg ist so sicher wie die üppigen
Schuldzuweisungen an andere [2][im Fall einer Niederlage.]
Schnell löst sich während der Fahrt die Angeberei von ihrem konkreten
Anlass und kippt ins Allgemeine. Es scheint, als könne ein Sieger keine
anderen Sieger neben sich dulden: „Wenn du denkst, du kannst im
[3][Survival-Modus von Minecraft] mithalten, dann wirst auch du
weggebatscht!“
Der Ton wechselt zwischen selbstgefällig, unerträglich laut und schrill hin
und her, Münchhausen war ein schweigsamer und zurückhaltender Geselle
dagegen. Über Jahre kann das so gehen, doch irgendwann ändert sich auf der
Rückbank etwas. Einer prahlt wie immer, doch die anderen beiden steigen nur
halbherzig oder gar nicht mehr in den Überbietungswettbewerb ein.
## Neunjährige in Businessanzügen
Es ist ihnen einfach zu anstrengend geworden, ständig besser sein zu wollen
als der Beste der Besten. Sie lenken das Gespräch plötzlich lieber in eine
andere Richtung, wo schrille Steigerungen und brachiales Geprotze hinter
gemeinsamem Gekicher oder kindlichen Fachsimpeleien über Computerspiele
zurückstehen müssen.
Ich wundere und freue mich. Bei diesen Sportabholfahrten die Ohren nicht
länger auf Durchzug stellen zu müssen, das ist ein deutlicher Gewinn an
Lebensqualität. Ich beschließe, darauf abends beim Fußballgucken in der
Kneipe mal ein Bier mehr zu trinken.
Am Nebentisch hocken vier junge Männer. Sie sind, wie nicht zu überhören
ist, „Junior-“ und „Senior-Manager“ bei einer großen Berliner
Internetfirma. Da sitzen sie nun und prahlen. „Ausgeknockt hab ich den beim
Vertragsentwurf, einfach nur ausgeknockt.“ – „Von denen hatte keiner eine
Chance gegen meine Perfomance.“ – „Die schlotterte schon, als sie mein
Portfolio sah.“ – „Der kam noch nicht mal mit meiner Sales-Strategie
zurecht.“
Ihr Ton wechselt zwischen selbstgefällig, unerträglich laut und schrill hin
und her, Münchhausen war ein Eremit und schüchterner Geselle dagegen. Sie
kommen nicht vom Schachturnier, sondern von einem Wochenend-Meeting. Sie
müssen nicht mehr von ihren Eltern abgeholt werden, Kindersitze und
Sitzerhöhungen brauchen sie schon lange nicht mehr.
Und doch benötigen Sie, diese Neunjährigen in Businessanzügen, gemeines
Volk, das ihren Heldensagen huldigt. Nur: Das gemeine Volk bin ich in
diesem Falle nicht. Ich zahle und ziehe eine Kneipe weiter.
27 Jul 2015
## LINKS
[1] /Kolumne-Darum/!5013210/
[2] /Kolumne-Darum/!5085564/
[3] /!5031934/
## AUTOREN
Maik Söhler
## TAGS
Darum
Kinder
Darum
Darum
Darum
Darum
Kinder
Wlan
Schach
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Darum: Sie nehmen mir alles
„Warum? Darum! Punkt!“ – Nicht einmal das letzte Wort lassen uns die
Kinder. Sie sind, um es mit Roland Barthes zu sagen, Meister der
Tautologie.
Kolumne Darum: „Ich hab drei Schaden“
Stunde um Stunde verbringen die Kinder am Handy, am PC oder am Tablet.
Endlose Debatten folgen. Das lässt sich vermeiden.
Kolumne Darum: Wegen Umbau geschlossen
Auf dem Fleisch steht, dass keine Milch drin ist. Aber auf dem
pubertierenden Kind steht nichts. Über falsche und richtige
Kennzeichnungspflichten.
Kolumne Darum: Jetzt geht’s rund
Im Sommerurlaub wurden meine Kinder nationalistisch „gedisst“. Das ist
ärgerlich. Aber ein Klacks im Vergleich zur Rückkehr nach Deutschland.
Kolumne Darum: Sei verdammt, Pierre Bourdieu!
Verhalten sich meine Kinder „wie Bourgeois“ oder wie Päpste? Über
Pausenbrote, Gurken und die Frage, was „mehr oder minder früh“ bedeutet.
Kolumne Darum: Auf ein Passwort, bitte!
Wer von Pubertierenden Freundlichkeit erwartet, glaubt auch an
selbstreinigende Zimmer. Warum nur sind 13-Jährige so nett zu mir?
Kolumne Darum: Der Kinder neue Farben
Kolumnenkinder brauchen Namen. Lange habe ich gesucht und bin nun fündig
geworden: Ich habe ein schwarz-gelbes und ein schwarz-weißes Kind.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.