# taz.de -- Kolumne Darum: Auf ein Passwort, bitte! | |
> Wer von Pubertierenden Freundlichkeit erwartet, glaubt auch an | |
> selbstreinigende Zimmer. Warum nur sind 13-Jährige so nett zu mir? | |
Bild: Hier wird kein Wlan gebraucht. Da muss dann auch niemand gegrüßt werden | |
Ich bin ein mächtiger Mann. Kinder betreten meine Wohnung und winden sich | |
vor Freundlichkeit, wenn sie mich sehen. Unterwürfig schleichen sie um mich | |
herum, dienen sich an, versuchen zu erraten, was mir fehlt und wie sie es | |
mir beschaffen können. | |
Das ist seltsam, ansonsten bekommt man von so einem vorbeihuschenden Wesen | |
im Alter von zwölf, 13 oder 14 Jahren allenfalls ein „Hallo“ zu hören. | |
Manchmal murmelt eins „Steckdose“ oder „Ladekabel“. Aufmerksamkeit aber, | |
als Mensch wahrgenommen, angesehen und dabei auch noch in vollständigen | |
Sätzen angesprochen zu werden, ist selten. | |
Woher kommt das Geschmeichel? Ganz einfach: Sie wollen etwas von mir. Es | |
muss etwas Wichtiges sein. Etwas, ohne das kein einziger aus dieser | |
hormongebeutelten Rotte auch nur eine Minute leben kann. Was mag es sein? | |
Freundlichkeit? Lebenskluge Ratschläge eines Erwachsenen? Anderer | |
weltfremder Quatsch? Ach was, es ist viel einfacher: Sie brauchen das | |
Wlan-Passwort. | |
[1][Das schwarz-gelbe und das schwarz-weiße Kind] haben Smartphones. Und | |
ihre Freunde haben auch welche. Manche schleppen, wenn sie uns besuchen, | |
sogar einen Laptop mit. Aber Verträge mit einem Datenvolumen, das sie | |
unabhängig vom Wlan der jeweiligen elterlichen Wohnungen macht, haben sie | |
nicht. Und wenn doch, ist das Volumen oft schneller aufgebraucht als man | |
Pubertät sagen kann. | |
## Verdammter Passwort-Manager | |
Obwohl sie sich persönlich treffen und gemeinsam bei uns zu Hause | |
rumlungern, wollen sie chatten, ihre Instagram- [2][oder Tumblr-Profile | |
pflegen], und sie wollen vor allem eins: ihren Göttern auf Youtube | |
huldigen. Dafür aber brauchen sie mich. Ich bin der Herrscher über die | |
Buchstaben-Ziffern-Kombination, die das Glück bedeutet. Ich bin der | |
Wlan-Passwort-Gott. | |
Mit dieser Rolle fühle ich mich unwohl. Ich denke: Ist das alles, was ihr | |
von mir wollt? Meine Fragen beantwortet ihr mit einem Grunzen. Mein | |
Interesse an euch wischt ihr weg wie Fingerabdrücke auf dem Smartphone. Ich | |
würde gerne wissen, was ihr so macht. Noch seid ihr die Freunde meiner | |
Kinder, bald muss man euch zusammen von der Polizeiwache abholen. Oder ihr | |
liebt euch. Oder ihr haut zusammen ab. Ein paar Informationen über euch | |
könnten irgendwann hilfreich sein. | |
Ich sage: Auf ein Wort, bitte, und nicht nur auf ein Passwort. Sie | |
verstehen, was ich sage, aber nur der Begriff Passwort bleibt hängen. Da | |
grinsen sie dann, zücken ihre Geräte und saugen gierig das Volumen, das sie | |
brauchen. | |
Das Wlan-Passwort [3][ist bewusst schwierig gehalten]. Es ist kein | |
einfaches Wort, das man einmal hört und das man sich dann für immer merkt. | |
Das soll so sein, der Sicherheit wegen, und nicht, weil dann die Kinder | |
wieder und wieder fragen müssen. | |
Würde ja auch nichts bringen: Der Passwort-Manager ihrer Geräte, eine Art | |
digitaler Patenonkel aller pubertierenden Kinder, untergräbt meine Macht | |
systematisch. Habe ich das Wlan-Passwort einmal rausgegeben, liegt mein | |
Reich in Trümmern. Eben noch war ich Gott – nun bin ich in den Augen der | |
Kinder nur noch ein armes Würstchen. Und da haben sie Recht: Jemanden, der | |
sich wegen eines Passworts was einbildet, kann man nicht anders bezeichnen. | |
1 Jun 2015 | |
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## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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