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# taz.de -- Kolumne Darum: Wegen Umbau geschlossen
> Auf dem Fleisch steht, dass keine Milch drin ist. Aber auf dem
> pubertierenden Kind steht nichts. Über falsche und richtige
> Kennzeichnungspflichten.
Bild: Schutt, Trümmer, Baugerüste: So sieht das Hirn eines Menschen in der Pu…
Höhöhö! Wie groß muss das Gelächter in der PR-Abteilung diverser Konzerne
gewesen sein, als man dazu überging, die Kennzeichnungspflicht von
Lebensmitteln ins Absurde zu wenden? „Laktosefrei“ steht nun auf der
Verpackung eines eingeschweißten Rindersteaks. „Glutenfrei“ ist ein Käse,
der nicht weit entfernt liegt.
Kann ich demnächst im Baumarkt Gips erwerben, der „ohne Ei“ hergestellt
wurde? Werden bald von einer deutschen Werft Kriegsschiffe auslaufen, an
deren Rumpf ein kleiner Aufkleber damit wirbt, garantiert „keine Spuren von
Nüssen“ zu enthalten?
Liebe Allergiker, bitte verzeiht mir. Ihr könnt nichts dafür. Der
Kapitalismus macht sich einen Spaß auf eure Kosten. Und auf meine gleich
mit. Denn die wesentlichen Dinge sind immer noch nicht gekennzeichnet.
Vorpubertierende und pubertierende Kinder zum Beispiel. Und das ist
gefährlich. Manchmal vergesse ich als Vater einfach, dass da gerade
Prozesse im Gang sind, die das tägliche Zusammenleben erschweren.
Meine Tochter, [1][das schwarz-gelbe Kind], war auf Klassenfahrt. Fünf Tage
lang irgendwo im Harz. Ich habe mich sehr darauf gefreut, dass sie am
Freitagabend, wenn ich aus der taz heimkomme, wieder da ist. Es war ein
langer Tag, dieser Freitag, und auch die anderen Tage der Woche hatten es
in sich. Nur so ist es zu erklären, dass ich etwas Simples vergessen habe:
Ein Kind, das vor der Klassenfahrt in der Pubertät war, ist es danach auch.
Und mehr noch: Es war unter seinesgleichen, potenzierte Peer-Group-Pubertät
plus Schlafmangel plus … ich will es gar nicht wissen.
## 160 bis 180 Prozent des Gehirns betroffen
Um es kurz zu machen: Die Vorfreude war unangebracht, schnell überschlug
sich die Stimme, wir wurden allesamt angegrantelt, Türen knallten. Schön,
dich wiederzusehen, Tochter.
Zurück zur Kennzeichnungspflicht. Damit falsche Erwartungen gar nicht erst
entstehen, wäre ein Schild oder ein großer Aufkleber am Kopf des Kindes
hilfreich: „Wegen Umbau geschlossen!“
Aus der Neurologie wissen wir, dass während der Pubertät 80 bis 90 Prozent
des Gehirns in stetiger Veränderung sind. Ich bin kein Neurologe, erstelle
aber trotzdem eine private Forschungsarbeit, die nach Erscheinen die
Neurologie für immer verändern wird. Mit meiner These, dass 160 bis 180
Prozent des Gehirns betroffen sind, werden sich Wissenschaftler noch lange
beschäftigen müssen. Wie auch immer: Konstanz und Berechenbarkeit sind in
der Pubertät nicht zu erwarten.
Auch das andere Kind, [2][das schwarz-weiße], sollte gekennzeichnet werden.
Dabei böte sich an: „Vorsicht! Umbauarbeiten haben begonnen!“ Es mag an der
großen Schwester liegen, dass nun auch Zehnjährige schon in der Vorpubertät
sind. Oder daran, dass in seiner Grundschule in den Klassen Vier bis Sechs
jahrgangsübergreifend gelernt (JÜL) wird.
Ein Argument bei der Einführung von JÜL war, dass bei Sechstklässlern die
Pubertät abgeschwächt werde, wenn sie mit nicht-pubertierenden
Viertklässlern zusammen seien. Woran niemand dachte, war, dass die
Viertklässler im Gegenzug das dennoch vorhandene Pubertätsverhalten
imitieren.
Auch ich brauche eine Kennzeichnung. Meine Mutter, der meine Pubertät
seltsamerweise immer noch sehr präsent zu sein scheint, hat sie auch gleich
knackig formuliert: „Höhöhö. Da musst du jetzt durch.“
21 Sep 2015
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## AUTOREN
Maik Söhler
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