# taz.de -- Trinkwasser-Förderung in Gefahr: Pestizid-Alarm in Niedersachsen | |
> Eine Studie belegt die extensive Grundwasser-Belastung mit | |
> Pflanzenschutzmittelrückständen. Umweltminister Wenzel will den Verbrauch | |
> einschränken. | |
Bild: Verantwortlich für die Chemie im Grundwasser: die konventionelle Landwir… | |
HAMBURG taz | Das niedersächsische Grundwasser ist „in weiten Teilen“ mit | |
Pestizid-Rückständen belastet. Das geht aus einer am Dienstag | |
veröffentlichten Studie des Niedersächsischen Landesbetriebs für | |
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hervor, der dem | |
Umweltministerium untersteht. Da an diversen Messpunkten die Grenzwerte für | |
die Pflanzenschutzmittel-Spuren überschritten wurden, sieht Umweltminister | |
Stefan Wenzel (Grüne) „akuten Handlungsbedarf“. Die „Anwendung der Mitte… | |
müsse „eingeschränkt“ werden. | |
Bei der Untersuchung, in der die Messergebnisse der vergangenen 25 Jahre | |
ausgewertet wurden, liegt der Schwerpunkt auf den Messungen der Jahre 2008 | |
bis 2013. Rund 1.200 Messstellen lieferten Daten. Dabei wurden an 498 | |
Messpunkten (42 Prozent) Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln gefunden, | |
die aber als ungefährlich gelten. An 135 Messstellen (elf Prozent) aber | |
wurden gefährliche Rückstände ausgemacht, an zehn Messstellen (0,9 Prozent) | |
wurden die gängigen Grenzwerte zum Teil deutlich überschritten. | |
Trotz dieser alarmierenden Befunde besteht laut Wenzel „keine Gefahr für | |
die Verbraucher“ von Trinkwasser. Denn die Wasserwerke würden durch eigene | |
Messungen dafür sorgen, dass die gültigen Schadstoff-Grenzwerte in dem von | |
ihnen aufbereiteten Grundwasser stets eingehalten werden. | |
Doch das wird aufgrund der schleichenden Vergiftung der Wasservorräte immer | |
schwieriger. Denn der Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft nimmt ständig | |
zu. Er stieg laut Bundesamt für Verbraucherschutz zwischen 1993 und 2013 um | |
über 50 Prozent: Von knapp 29.000 auf knapp 44.000 Tonnen. Da es Jahre | |
dauert, bis das Pflanzengift in den Grundwasserleitern ankommt, drohen die | |
aktuellen Befunde noch nach oben zu gehen. „Unsere Sorge ist, dass die | |
heutige Qualität des Grundwassers in Zukunft nicht mehr sicherzustellen | |
sein wird“, sagte der Geschäftsführer des Wasserverbands Peine, Olaf | |
Schröder, im NDR. | |
Auch Wenzel mag die Studienergebnisse nicht bagatellisieren: | |
„Pflanzenschutzmittel gehören nicht ins Grundwasser – auch nicht in | |
Spuren“, klagt der Minister. „Es ist ein Grund zur Besorgnis, dass diese | |
Substanzen in so hohem Maße gefunden werden“, ergänzt | |
NLWKN-Betriebsstellenleiter Joseph Hölscher. | |
Mit Ausnahme der ostfriesischen Inseln, eines schmalen Küstenstreifens und | |
der Auen der großen Tidegewässer tauchten überall im niedersächsischen | |
Grundwasser Pflanzenschutzmittel-Reste auf. Die Behörde spricht deshalb von | |
einem „flächendeckenden Güteproblem“. Die Mehrzahl der Giftfunde liegt | |
dabei „im Nahbereich vorrangig landwirtschaftlich genutzter Flächen“. | |
Besonders betroffen: Anbauregionen für Rüben, Mais und Raps. Ein | |
„plausibler Zusammenhang“ zwischen Pestizid-Rückständen und konventionell… | |
Landwirtschaft sei „erkennbar“, urteilen die Verfasser der Studie. | |
Um den Pestizid-Boom zu stoppen, will Wenzel die Anwendung der | |
Pflanzenschutzmittel einschränken – und stößt dabei sogleich auf Widerstand | |
der Agrar-Lobby, denn konventionelle Landwirtschaft ist ohne | |
Schädlings-Chemie nicht denkbar. Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz | |
und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Braunschweig, bei dem Wenzel die | |
„Zulassungspraxis“ der Pestizide überprüfen lassen will, gibt sich | |
reserviert. Folge eines weitgehenden Pestizid-Verzichts wäre eine | |
„unsichere Produktion von Nahrungsmitteln“, urteilt der zuständige | |
Abteilungsleiter des BVL, Martin Streloke. | |
Erst Mitte Juni hatte Greenpeace mit eigenen Messungen eine hohe | |
Pestizid-Konzentration in Böden und Grundwasser im Alten Land nachgewiesen, | |
dem größten norddeutschen Apfelanbaugebiet. Die Rückstände stammten aus dem | |
erlaubten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der agrarindustriellen | |
Apfelproduktion. Greenpeace fordert einen Umstieg auf ökologische | |
Anbaumethoden. Bio-Landwirte kombinieren den Apfelanbau mit | |
unterschiedlichen Ackerfrüchten in unmittelbarer Nähe und anderen Pflanzen | |
in den Plantagen. Sie achten auf sogenannte Nützlinge, gesunde Böden, | |
standortangepasste, robuste Sorten – und verzichten auf Pestizide. | |
23 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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