# taz.de -- Umstrukturierungen bei der Post: Goldene Zeiten | |
> Outsourcing und Lohnsenkungen: So will Vorstandschef Frank Appel den | |
> Gewinn seines Konzerns von drei auf fünf Milliarden steigern. | |
Bild: Farblich verblasst: Ein Postkasten mit ausgeblichenem Firmenlogo. | |
BERLIN taz | Frank Appel schlug den ganz großen Bogen. „Vor 525 Jahren fuhr | |
die erste regelmäßige Postkutsche quer durch Deutschland“, sagte der | |
Vorstandsvorsitzende der Post auf der Hauptversammlung in der Frankfurter | |
Jahrhunderthalle Ende Mai. Was einst klein angefangen habe, sei der Konzern | |
geworden, den er nun führe: „Wir sind Europas größte Post und der führende | |
Logistiker weltweit. Wir entwickeln uns organisch weiter und werden Jahr | |
für Jahr aus eigener Kraft profitabler“, schwärmte Appel. | |
Rund 171.000 Menschen arbeiten in Deutschland für Appels gelben Riesen: | |
132.000 Tarifbeschäftigte und – Überbleibsel aus alten Zeiten – knapp | |
38.000 Beamte. Schon erstaunlich, was aus der einst so betulichen Deutschen | |
Bundespost geworden ist: Mitte der 1990er Jahre privatisiert, seit 2000 | |
börsennotiert, hat sich der einst defizitäre Staatsbetrieb unter der Ägide | |
des 53-jährigen Appel zu einem hochrentablen DAX-Unternehmen entwickelt. | |
2014 betrug der Vorsteuergewinn knapp drei Milliarden Euro. In diesem Jahr | |
soll er auf 3,2 Milliarden Euro steigen, für 2016 sind 3,7 Milliarden Euro | |
angepeilt. | |
Goldene Zeiten für die Aktionäre: Mehr als eine Milliarde Euro schüttet der | |
Konzern, der sich inzwischen Deutsche Post DHL Group nennt, in diesem Jahr | |
an Dividende aus. Auch das ist eine Steigerung zum Vorjahr. Nur für die | |
Postmitarbeiter sieht es nicht so gut aus. | |
[1][Seit dem 8. Juni wird bei der Post gestreikt.] Tag für Tag führt die | |
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mehr Menschen in den unbefristeten | |
Ausstand. Mittlerweile sind es mehr als 25.000. Es ist ein Abwehrkampf | |
gegen die Profitsucht des Konzerns. Geht er verloren, wird das fatale | |
Folgen haben, glauben viele Postler. Denn Post-Chef Appel will den | |
operativen Gewinn bis 2020 jährlich durchschnittlich um mehr als acht | |
Prozent auf mindestens fünf Milliarden Euro steigern. Um dieses ehrgeizige | |
Ziel zu erreichen, sollen die Personalkosten drastisch gesenkt werden. Die | |
bislang gültige Tarifstruktur gehe „noch auf Behördenzeiten zurück“ und … | |
„heute nicht mehr markt- und zeitgemäß“, findet Appel. | |
## Gleiches Geld für gleiche Arbeit? | |
Um Personalkosten zu sparen, hat die Post im Januar unter dem Namen DHL | |
Delivery GmbH 49 regionale Tochtergesellschaften gegründet hat. 3.800 zuvor | |
befristet angestellte Paketzusteller hat die Post bislang in die neuen | |
Gesellschaften überführt, hinzu kommen etwa 2.200 Neueinstellungen. In den | |
Paketzentren trennen sie nicht nur gelb-schwarze Klebebandlinien von den | |
Angestellten der Post. Gleiches Geld für gleiche Arbeit am selben | |
Arbeitsplatz? Das war einmal. Die Delivery-Boten werden nicht mehr nach dem | |
Haustarif, sondern den schlechteren Tarifverträgen in der Speditions- und | |
Logistikbranche bezahlt. Laut Verdi geht es um Lohnabsenkungen von bis zu | |
20 Prozent. | |
Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Delivery-Zusteller auf insgesamt etwa | |
8.500 aufgestockt werden. Was dieses Outsourcing so bedrohlich macht: Ende | |
des Jahres laufen zwei Verträge aus, die Verdi mit der Post geschlossen | |
hat. Zum einen hat sich der Konzern verpflichtet, bis dahin nur höchstens | |
990 von insgesamt rund 41.000 Bezirken in der Brief- und Paketzustellung | |
fremdzuvergeben, sprich outzusourcen. Zum anderen gilt bis zu diesem | |
Zeitpunkt ein Schutz vor betriebsbedingten Beendigungs- und | |
Änderungskündigungen. | |
Über die Begrenzung der Fremdvergabe in der Paketzustellung gibt es schon | |
jetzt Streit. Verdi betrachtet die Gründung der Delivery-Gesellschaften als | |
Vertragsbruch, die Post behauptet hingegen spitzfindig, die Vereinbarung | |
gelte nur für den Privatkundenbereich, wo sie eingehalten werde, und nicht | |
für Geschäftskundenpakete. Wie auch immer, ab dem 1. Januar 2016 fällt die | |
Beschränkung ganz weg. Dann könnte sowohl die komplette Paket- als auch die | |
Briefzustellung ausgelagert werden. Ein Horrorszenario für die Postler. | |
Deswegen kämpft Verdi mit aller Kraft sowohl für eine weitere Beschränkung | |
der Fremdvergabe und eine Verlängerung des Kündigungsschutzes als auch für | |
eine Wiedereingliederung der Delivery-Boten in den Haustarifvertrag. Die | |
Post lehnt das ab. In einem Schreiben an ihre Geschäftskunden beklagt sie | |
das „im Vergleich zum Markt doppelt so hohe Lohnniveau“ der eigenen | |
Angestellten. Außerdem behauptet sie, die Forderungen von Verdi gefährdeten | |
„nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Zukunfts- und Leistungsfähigkeit | |
unseres Unternehmens“ und würden „diesen Kostennachteil dauerhaft um | |
mindestens 300 Millionen Euro vergrößern“. Die Post drohe ihre | |
Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Auch das wäre für die Postbeschäftigten | |
ein Horrorszenario. | |
## Post als „Universaldienstleister“ | |
Aber die Realität sieht anders aus. Konkurrenten wie die britische | |
Post-Tochter GLS, das zu Otto gehörende Unternehmen Hermes oder der zur | |
französischen La Poste gehörende Paketdienst DPD zahlen ihren bei | |
Subunternehmern beschäftigten Zustellern zwar tatsächlich deutlich weniger, | |
nämlich in der Regel nur den Mindestlohn. Aber: Die Marktdominanz der Post | |
haben sie trotz ihrer Dumpinglöhne nicht brechen können, im Gegenteil. | |
So beherrscht die Post immer noch gut 90 Prozent des Brief- und mindestens | |
43 Prozent des boomenden Paketmarktes – mit steigender Tendenz. „Unsere | |
starke Position als Marktführer im deutschen Brief- und Paketgeschäft und | |
international in fast allen Geschäftsfeldern des Logistikbereichs ist die | |
beste Voraussetzung für weiteres Wachstum“, heißt es dazu im diesjährigen | |
Geschäftsbericht. | |
Die Post ist der einzige „Universaldienstleister“ Deutschlands. Das heißt, | |
sie kann garantieren, in einer definierten Zeit die gesamte Bundesrepublik | |
mit Briefen, Paketen und der dazugehörigen Infrastruktur zu versorgen. Im | |
Gegenzug befreit der Staat die Post in ihrem Kerngeschäft von der | |
Mehrwertsteuer. Ein enormer Wettbewerbsvorteil vor der Konkurrenz. | |
## Ende noch nicht in Sicht | |
Laut Geschäftsbericht hat Frank Appel im vergangenen Jahr rund 9,6 | |
Millionen Euro verdient. Er wolle „keine Neiddebatte entfachen“, sagt | |
Volker Geyer, Vorsitzender der Fachgewerkschaft DPVKOM. Aber „einerseits | |
das fürstliche Gehalt gerne einzustecken und andererseits gleichzeitig den | |
wahrlich nicht zu den Großverdienern zählenden Mitarbeitern in der | |
Zustellung und in den Brief- und Paketzentren zu sagen, sie seien zu teuer | |
für das Unternehmen“, hält Geyer „einfach für unanständig“. | |
Seit Freitag befindet sich auch die zum Beamtenbund zählende DPVKOM im | |
unbefristeten Streik. In einer Urabstimmung hatten zuvor mehr als 92 | |
Prozent ihrer bei der Post beschäftigten Mitglieder für den Ausstand | |
votiert. Wie die wesentlich größere DGB-Gewerkschaft Verdi fordert auch die | |
DPVKOM „die Rückführung der Beschäftigten der DHL Delivery GmbHs in die | |
Muttergesellschaft mit den dort geltenden tariflichen Regelungen“. | |
Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis freut das: „Es ist gut, dass alle | |
am Haustarif beteiligten Gewerkschaften an einem Strang ziehen.“ Der | |
Postvorstand gibt sich weiter unbeeindruckt. Es ist ein Arbeitskampf, der | |
noch lange dauern kann. | |
19 Jun 2015 | |
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[1] /Unbefristeter-Streik-bei-der-Post/!5203118/ | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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