# taz.de -- Briefzustellung nicht mehr jeden Werktag: Testlauf für die Postmod… | |
> Der Marktführer experimentiert heimlich mit reduzierter Zustellung: | |
> Briefe nur noch an einem, drei oder fünf Tagen. Die Gewerkschaft ist | |
> empört. | |
Bild: Auch hier muss die Post hin: Wattkutsche von Cuxhaven zur Insel Neuwerk | |
BERLIN taz | Die Post beschwichtigt: Es handele sich nur um einen | |
dreimonatigen Test. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist alarmiert: | |
„Bei uns brennt die Hütte“, lässt sich Bundesvizin Andrea Kocsis zitieren. | |
Pläne des Bonner Konzerns, die bundesweite werktägliche Zustellpflicht zu | |
modifizieren, beunruhigen die gut organisierten Postboten derzeit kräftig. | |
Bereits Anfang Juli startete die Post unbemerkt von der Öffentlichkeit ein | |
Pilotprojekt, das die bisherige Form der Briefzustellung grundlegend ändern | |
könnte. Ausgewählte Kunden können dabei wählen, ob sie Briefe als | |
Sammelzustellung an einem Wochentag, an drei Wochentagen oder an fünf | |
Tagen, dann aber an den Arbeitsplatz, geliefert bekommen wollen. | |
Es gehe darum, „Kundenbedürfnisse zu erforschen“, sagte ein Postsprecher | |
und bestätigte damit einen Bericht des Bonner Generalanzeigers. Schon vor | |
einem Jahr war der Konzern wegen Plänen, die Montagszustellung zu | |
streichen, in die Schlagzeilen geraten. Das wurde damals dementiert. | |
Für das Pilotprojekt haben 110 geschulte Briefträger nun Kunden unter | |
anderem in Nordrhein-Westfalen und Hessen angeworben, die bereit sind, in | |
einer Testphase auf die tägliche Zustellung zu verzichten. Ausgeschlossen | |
sind Einschreiben, der Versand von Dokumenten oder auch Eilbriefe. | |
Es ist sogar möglich, Sendungen nur samstags in den Briefkasten zu | |
erhalten, ansonsten täglich einen kopierten Scan der Post in das | |
E-Mail-Postfach. Testkunden, die dieses Angebot wählen, erhalten dafür | |
„entweder gratis eine Zeitschrift oder eine Warenprobe aus unserem | |
Online-Marktplatz All you need“, heißt es in einer Kundenbroschüre. | |
## Post hat eine Zustellpflicht | |
Verdi reagierte entsetzt. Seit Langem befürchtet man hier, dass sich die | |
Post aus dem gesetzlichen Auftrag der flächendeckenden Grundversorgung | |
verabschieden will. „Sollte die Briefzustellung seltener werden, könnten | |
zahlreiche Arbeitsplätze verlorengehen“, sagt Verdi-Vize Kocsis. Derzeit | |
unterliegt die Zustellung der Post der Universaldienstleistungsverordnung | |
von 1999. Danach muss der einstige Staatsbetrieb werktäglich bundesweit an | |
jedem Ort zustellen, der Absender hat zudem den Anspruch, dass 80 Prozent | |
der Briefe am nächsten Tag da sind, 95 Prozent nach zwei Tagen. | |
Mit dem Projekt säge die Post „an dem Ast, auf dem sie sitzt“, kritisierte | |
die Gewerkschafterin, die auch stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende | |
der Post ist. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass eine geringere | |
Zustellfrequenz und damit längere Laufzeiten postalische Dienstleistungen | |
unattraktiv machten. | |
„Die Strategie der Deutschen Post, immer weniger Leistung für immer mehr | |
Geld zu erbringen, geht zu Lasten der Verbraucher“, sagte Florian Gerster | |
vom Branchenverband Paket & Expresslogistik am Sonntag. Eine Senkung der | |
Zustellkosten würde eine Neubewertung der genehmigten Briefporti erfordern. | |
Es könne nicht sein, dass die Post aus Vorteilen ihres | |
Universaldienstauftrags mit der Mehrwertsteuerbefreiung profitiere, | |
gleichzeitig aber nicht an sechs Werktagen zustelle. | |
Hintergrund des Tests: das schrumpfende Briefgeschäft. 2006 wurden im | |
Schnitt noch 70 Millionen Briefe pro Werktag zugestellt, zuletzt waren es | |
64 Millionen. 2016 wurden insgesamt noch 8,2 Milliarden Briefe | |
ausgeliefert, 3,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor. | |
3 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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