# taz.de -- Wahlreform in Hongkong abgelehnt: Pekings peinliche Pleite | |
> Es ging um die Wahlreform in Hongkong: Das Pro-Peking-Lager glänzte bei | |
> der Abstimmung durch Abwesenheit – aus Versehen. | |
Bild: Pro-Demokratie-Aktivisten in Hongkong feiern ihren Abstimmungssieg über … | |
PEKING taz | Alle 28 prodemokratischen Abgeordneten stimmten gegen die | |
Wahlreform. Das hatten sie so angekündigt. Und so kam es auch. Schon damit | |
kam die notwendige Zweidrittel-Mehrheit für die von Peking vorgesehene | |
Wahlreform für Hongkong nicht zustande. Was bei der Abstimmung am | |
Donnerstagmorgen im Hongkonger Parlament trotzdem überraschte: Nur acht | |
Abgeordnete des Peking-freundlichen Regierungslagers stimmten dafür. Der | |
Rest gab seine Stimme nicht ab. | |
Von einem „Missverständnis“ ist wenig Zeit später bei den sichtlich | |
entsetzten Abgeordneten des Regierungslagers die Rede. James Tien von der | |
Liberalen Partei sagte, er habe „keine Ahnung“, was mit dem Rest der Gruppe | |
sei, die plötzlich die Kammer verlassen habe. Ein anderer Abgeordneten | |
entschuldigte sich. „Wir hatten ein Kommunikationsproblem“, sagte er mit | |
Tränen in den Augen. | |
Was genau passiert ist: Nach einem fast zehnstündigen verbalen | |
Schlagabtausch hatte Parlamentspräsident Jasper Tsang die Debatte am | |
Donnerstagvormittag überraschend für beendet erklärt und zur Abstimmung | |
aufgerufen. Einer der Peking unterstützenden Abgeordneten wollte eine | |
Unterbrechung der Sitzung beantragen, weil sein Parteikollege nicht | |
anwesend war. | |
Tsang gewährte sie nicht. 30 Abgeordnete aus dem Pro-Peking-Lager hatten zu | |
dem Zeitpunkt aber bereits den Saal verlassen. Die Wahl wurde vollzogen. | |
Und weil mit 37 abgegebenen Stimmen die notwendige Hälfte der | |
Parlamentarier anwesend war, konnte die Abstimmung auch nicht angefochten | |
werden. | |
## Keine freie Kandidatenkür | |
Was für eine Blamage für das Pro-Peking-Lager, was für eine Schlappe für | |
die Führung in Peking: Noch am Vortag hatte Hongkongs stellvertretende | |
Regierungschefin Carrie Lam das pro-demokratische Lager angefleht, für die | |
Wahlreform zu stimmen. Sollte die Reform scheitern, „würde die politische | |
Entwicklung zum Stillstand kommen“, warnte sie. Hongkongs | |
Demokratisierungsprozess würde um Jahre zurückgeworfen werden. | |
Die von Peking gewollte Wahlreform sorgt seit mehr als einem Jahr für | |
erhebliche Kontroversen in Hongkong. Das Gesetz soll den Bürgern der | |
südchinesischen Sonderverwaltungszone zwar das Recht geben, 2017 erstmals | |
in der Geschichte ihren Verwaltungschef selbst zu wählen. Allerdings will | |
die chinesische Führung die Kandidaten vorab aussuchen. Für das | |
pro-demokratische Lager ist diese Reform unzureichend. Sie fordern eine | |
freie Kandidatenkür. | |
Bei monatelangen Protesten gingen im vergangenen Jahr zeitweise | |
hunderttausende Hongkonger gegen diese aus ihrer Sicht unzureichende | |
Wahlreform auf die Straße. Studenten und Schüler legten mit Protestcamps | |
Teile des öffentlichen Lebens lahm. Hongkong gehört zwar seit 1997 zur | |
kommunistisch regierten Volksrepublik. | |
## Nächste Wahl ist 2017 | |
Die ehemalige britische Kronkolonie genießt aber einen Sonderstatus mit | |
eigenem Rechtssystem sowie - anders als auf dem Festland – Meinungs-, | |
Presse- und Versammlungsfreiheit. | |
Die chinesische Führung reagiert auf diese Blamage im Hongkonger Parlament | |
nun merklich verschnupft. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums | |
betonte zwar, die Regierung in Peking unterstütze auch weiterhin den Plan, | |
den Regierungschef durch eine eingeschränkte Direktwahl bestimmen zu | |
lassen. | |
Aber in einem Kommentar der regierungsnahen Zeitung Global Times heißt es: | |
„Aus und vorbei. Hongkong hat seine Chance verspielt.“ Es werde so schnell | |
keinen neuen Plan geben. | |
Bei der nächsten Wahl 2017 dürfte damit wie bisher ein mehrheitlich | |
Pekingtreues Wahlgremium Hongkongs Regierungschef bestimmen. Ein wenn auch | |
nur kleiner Sieg für die Prodemokraten. Sie sagen sich: Wenn sie schon | |
nicht frei wählen dürfen, dann lieber gar keine Wahl. | |
18 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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