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# taz.de -- Pop am Samstag in Berlin: In Mitte ist viel Musik drin
> Ziemlich lebendig: Dies wird musikalisch ein anregendes Wochenende mit
> Denovali und dem Torstraßenfestival.
Bild: Auch sie peppen die Torstraße am Samstag mit auf: Cavern of Anti-Matter.
Gerade wurde in einem logischerweise viel Aufsehen erregenden Artikel in
der Welt mal wieder behauptet, Berlin sei jetzt endgültig, definitiv und
für immer total over und wer sich jetzt nicht sofort von dieser trägen
Scholle verzieht, wird demnächst vor lauter Langeweile einfach tot
umfallen.
Dabei bemüht sich Berlin doch so sehr. Nehmen wir einmal die
Festival-Landschaft der Stadt: Gefühlt und wahrscheinlich auch in der
Realität gibt es jede Woche irgendein Musikfestival, bestimmt ist Berlin
längst Welthauptstadt der Festivals. Das Angebot reicht dabei von
elektronischer Avantgarde für Spezialisten beim CTM-Festival bis hin zum
Spaß für die ganze Familie beim Berlin Festival, das gerade Ende Mai
stattgefunden hat.
Festivals sind in Berlin auch nicht nur einfach da, zumindest einmal im
Jahr, sondern in permanente Transformationsprozesse eingebunden. Das Berlin
Festival etwa hat sich über die letzten Jahre von seinem Ursprungsstandort
2005 irgendwo da draußen vor den Toren der Stadt, im Erlebnispark Paaren im
Glien, in die Mitte der Stadt bewegt. Festivals sind in Berlin durchaus
Experimentierfelder, und auch wenn hier im September das Lollapalooza
erstmalig steigt, wird sich ja erst noch zeigen müssen, ob die Stadt bereit
ist für ein derart aufgeblasenes Superfestival.
## Die großen Namen
Wichtig für Festivals ist normalerweise das Werben mit großen Namen, denn
mit diesen fängt man sein Publikum. Dementsprechend eine Art Anti-Festival
unter den Festivals ist das Denovali. Dessen selbst erklärte Politik
lautet: Bei uns werden alle Künstler gleich behandelt, niemand ist
Headliner. Halbe Lautstärke bei den zu Beginn auftretenden Acts und gerade
mal zehn Besucher, die sich erst mal an die Bar verziehen, muss hier also
nicht befürchtet werden.
Trotz der Egalitäts-Philosophie von Denovali passiert es natürlich
trotzdem: Das voraussichtliche Highlight des Festivals an diesem Wochenende
drängt sich einfach auf. Nichts gegen Forest Swords und dessen schlüssige
Mischung aus Techno, Dub und Drones und auch nichts gegen die anderen, eher
unbekannteren Acts aus der experimentellen Musikszene, die in diesem Rahmen
im Radialsystem auftreten werden, aber richtig gespannt ist man dann doch
vor allem auf Moritz von Oswald, der auf den norwegischen Trompeter Nils
Petter Molvaer trifft. Die beiden Musiker haben sich in den letzten Jahren
extrem offen gezeigt, was den Willen betrifft, in immer wieder
überraschenden Musikerkonstellationen auf die Bühne zu treten und
inzwischen eine gewisse Routine darin, musikalische Fusionen der
ungewöhnlichen Art voranzutreiben. Hier also trifft Elektronik und Dub auf
eine gestopfte Jazztrompete, das mag etwas ausgedacht klingen, wird im
Falle dieser beiden Könner aber bestimmt ein Ereignis.
## Ausgelassene Stimmung
Zum klassischen Besuch eines Festivals gehört eigentlich, irgendwo draußen
bei viel zu vielen Mücken zu campen, von Festivalbühne zu Festivalbühne zu
wandern, in der Dixie-Klo-Schlage anzustehen und vor das eigene Zelt zu
kotzen. Das alles wird im Radialsystem nur schwer zu ermöglichen sein. Ein
wenig von dieser kaputt-ausgelassenen Stimmung simuliert bekommt man
dagegen mit etwas Mühe beim Torstraßenfestival an diesem Wochenende. Hier
zieht man durch die Clubs von Mitte, kotzt vielleicht in den Weinbergspark,
und bei Bedarf macht man ein kleines Nickerchen neben der Bühne im Bassy.
Mitte, und für diese Erkenntnis muss man die Welt nicht unbedingt
aufschlagen, gilt eigentlich schon seit einer Ewigkeit als tot. Als
Flagshipstore-verseuchter Bezirk, aus dem sich inzwischen auch die
allerletzten Clubs zurückgezogen haben sollen. Für einen toten Kiez wirkt
das Torstraßenfestival jedoch ziemlich lebendig. In den letzten Jahren hat
sich das Event, an dem sich immer noch angesagte Läden vom Kaffee Burger
bis zur Volksbühne beteiligen, zu einem richtig großen Ereignis gewandelt.
Von Mittags bis in die Nacht treten in der Torstraße und Umgebung reichlich
Bands auf. Manche von ihnen sind hoffnungsvolle Berliner Newcomer wie
Isolation Berlin, andere echte Lokalmatadoren wie Jens Friebe, und als ob
das noch nicht reichen würde, tritt als Höhepunkt noch die aktuell ziemlich
hoch gehandelte HipHop-Combo Young Fathers aus Edinburgh in der Volksbühne
auf. Viel mehr erwartet man vom Lollapalooza eigentlich auch nicht.
Das Organisatoren-Team rund um Norman Palm - selber eine Art Berliner
Popstar - will das Torstraßenfestival jetzt endgültig zur richtig großen
Nummer machen. Filmscreenings und die „Noisekölln Music Video Awards“ in
der Z-Bar gibt es noch obendrauf. Wem das alles dann immer noch nicht
reichen sollte an Action in Berlin, der soll halt diesen Berlin-Abgesang in
der Welt liken.
13 Jun 2015
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Musik
Festival
Bezirk Mitte
CTM Festival Berlin
Pop
Festival
Brüste
Jochen Distelmeyer
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