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# taz.de -- Ein Tag mit Jürgen Drews: Der König von Ramona
> Er ist Kind der sexuellen Revolution, Barde von Mallorca,
> Busenfetischist. Und Sohn eines Wehrmachtsarztes. Jetzt wird er 70.
Bild: Er kann sie einfach nicht aus den Augen lassen: Jürgen Drews mit seiner …
Es ist Freitag, 22.23 Uhr und 17 Sekunden im Hofbräuhaus Berlin, als Jürgen
Drews das Playback anhalten lässt. „Ein Bett im Kornfeld“ ist gesungen,
„Ich bin der König von Mallorca“ auch. Er übergibt sein Mikrofon an einen
verschwitzten Mann aus dem Publikum. Andreas heißt er, um die 30, kommt aus
Köpenick. Mit rotem Kopf ruft er eine „Marion“ auf die Bühne. Kurz darauf
kniet er vor einer jungen Frau mit langen schwarzen Haaren: „Möchtest du
meine Frau werden, Baby?“
Sie küsst ihn.
Er sagt: „Yeah, Baby.“
Der Biersaal applaudiert.
Von seinem Podest aus blickt Drews der Frau routiniert in den Ausschnitt
und erteilt dann der Ehe seinen Segen. Kurz darauf legt er sich einen
Frauenslip auf den Kopf und singt einen Titel, den er mit Carmen Geiss
aufgenommen hat.
+++
Ein paar Kilometer weiter, aber knapp 70 Jahre Jahre zurück steigt ein
Wehrmachtsflugzeug auf. Die deutsche Hauptstadt ist von der
sowjetrussischen Armee eingeschlossen. Die Kapitulation eine Sache von
Tagen. An Bord der Maschine ist der Wehrmachtsarzt Dr. Werner Drews, seine
Frau Lieselotte und ihr gemeinsamer Sohn, der am 2. April in die Trümmer
der zerbombten Stadt hineingeboren worden ist. Die Maschine gerät unter
heftigen Beschuss, aber sie erreicht ihr Ziel, ein großes Flüchtlingslager
in der Moltkekaserne Schleswig, nahe der dänischen Grenze, wo Dr. Drews
Lagerarzt wird und es nach dem Ende von Nazideutschland auch unter
britischer Besatzung bleibt.
Später eröffnet er eine eigene Praxis in der Bellmannstraße 2 und gehört zu
den Honoratioren im Nachkriegs-Schleswig. Lieselotte dagegen, in den Augen
des Sohnes ein unglaublich gut aussehende Frau, hält es nur schwer in der
Kleinstadt aus. Im Urlaub fahren sie nach Davos, und immer wenn sie auf dem
Rückweg Hannover passieren, beginnt Lieselotte Drews zu weinen. Jürgen
Drews geht es wie der Mutter. Schleswig ist nicht sein Ding. Der ewige Wind
dort.
+++
Freitagmorgen. Hotel am Alexanderplatz. 50 Meter vom Hofbräuhaus. Jürgen
Drews kommt in die Lobby. Bekanntheitsgrad: 100 Prozent. Weil er kein alter
Schlagersänger ist, sondern sich in den 90ern neu erfunden hat als
Protagonist des Unterhaltungsgenres Partymusik, das eng mit dem
Vergnügungsbedarf von Ballermann-Urlaubern verknüpft ist, weshalb er auch
den Titel „König von Mallorca“ führt. Die einen lieben ihn. So möchten s…
mit 70 auch aussehen und drauf sein. Für andere geht er gar nicht. Der
Spiegel behauptete, er sei der „amtierende Peinlichkeitsweltmeister“.
Drews trägt enge Levi’s, eine rote Plastikjacke und einen schweren Rucksack
auf einer Schulter. Er greift sich in den Scheitel und wirft die Haare nach
hinten. Sie sind so lang wie seit 50 Jahren. Eine Handvoll Touristen stehen
rum. Nach 30 Sekunden beginnen zwei Blondinen vor dem Counter zu flüstern.
Sie sind um die 40 und stark gefärbt.
„Wenn ihr ein Bild machen wollt, dann macht schnell“, ruft Drews rüber.
Er klingt fast weich.
Die Frauen halten Abstand und sind unschlüssig. Jetzt geht er routiniert
auf sie zu und macht Smalltalk. Wo sie herkommen. Beim ersten Klick sind
die Frauen noch steif, beim zweiten legt er den Arm um sie, beim dritten
hat die Etwas-über-40 ihre Hand auf seinem Po.
Dann geht er nach draußen, steigt ins Taxi. Er muss nach Potsdam. Promotion
beim RBB – Rundfunk Berlin-Brandenburg. Wo denn das Aufnahmegerät ist, will
er wissen. Er sagt gleich, dass er ganze Bänder vollquatschen kann. Also,
er bittet um Fragen. Und dann kriecht das Taxi im Freitagnachmittagsstau
und er rast durch sein Leben. Zack-zack-zack. Als Junge ist er ein Klemmi,
ein ganz Verklemmter. Erst hasst er Schlager, dann singt er sie halt und
ist mit Anfang 30 Millionär.
Anfang der 80er entflieht er nach Los Angeles, kauft eine Wohnung am Sunset
Boulevard und macht endlich richtige Popmusik. Eine Single landet in den
Billboard Charts. Platz 71. Die Headhunter in LA sagen, er sei ein
Hammertyp. Er geht dann aber zurück wegen Corinna Gillwald, seiner ersten
Frau. Einer blonden Schauspielerin. Er will ja nicht heiraten, aber der
Vater von Corinna hat ein Opel-Geschäft am Berliner Moritzplatz. Und
Opel-Käufer finden es nicht gut, wenn Corinna und Drews nicht verheiratet
sind.
Die Ehe geht nach vier Jahren und einem Kind in die Brüche. Alles nicht
einfach in den 80ern. Aber dann begreift er, dass Partymusik der neue
Schlager ist. Während die alten Kollegen weiterhadern, wird er
Partymajestät auf Mallorca und Protagonist einer neuen
Unterhaltungsbranche, die Bierzelt mit Rave kreuzt und Schlager mit Drum
’n’ Bass. In der Saison tritt er jeden Montag vor Tausenden in El Arenal
auf, aber längst nicht nur dort. Ballermann ist überall.
Tja, sagt er, tempora mutantur.
+++
Der Vater will, dass der Sohn eines Tages die Praxis übernehmen wird, und
schickt ihn auf die Schleswiger Domschule, ein altsprachliches Gymnasium,
auf dem fast nur Jungs sind. Humanistische Volldröhnung bis hin zu
Altgriechisch. Aber irgendwas stimmt nicht mit dem Jungen.
Er selbst beschreibt sich rückblickend als extrem schüchtern, fast schon
autistisch. Er ist auch nicht gut in der Schule. Immer wieder erzählt er,
dass er sich erst auf Drängen des Vaters der Musik, der Bühne zugewandt
hat, um so seine Schüchternheit zu überwinden.
Doch dann fällt er durch das Abitur. Der Vater regt sich auf. Er denkt, das
Abi ist doch wichtig für seinen Sohn. Er verlangt ultimativ, dass der Sohn
lernt, statt Musik zu machen. Drews schafft dann das Abitur doch noch. Mit
22. Und beginnt im Herbst 1967 ein Medizinstudium in Kiel. Er will es dem
Vater recht machen, aber er will nicht in Schleswig bleiben. Schon gar
nicht will er zur Bundeswehr. Er steht auch nicht auf Lernen und er steht,
wie sich bald zeigt, nicht auf Medizin. Die Bühne hat ihn angefixt. Er
schmeißt sein Studium und wird Fulltime-Musiker bei den Les Humphries
Singers. Eines Tages kommen die Eltern ins Konzert. Der Vater sagt: „Wir
sind begeistert. Bleib dran.“
+++
Das Telefon beept. Ein Name leuchtet auf. Ramona.
„Ramona, mein Engel“. Sanfte Stimme. Wie es ihr denn gehe so ohne ihn. Er
sei ja schon sechs Stunden weg. Plötzlich ruft er gequält durch das Taxi:
„Liebst du mich denn überhaupt noch, Engel?“
Stille.
Taxifahrer und Reporter sehen sich durch den Rückspiegel besorgt an.
Endlich ein erleichterter Seufzer.
„Hammerfrau“, sagt er, nachdem er aufgelegt hat. Wie großartig sie sei und
wie glücklich er. Wie auch immer.
Wo er gerade durch Berlin fährt – in Berlin verabredete er sich mit Liz
Mitchell, der Humphries-Kollegin und späteren Boney-M-Sängerin. Er wedelt
mit den Händen: „Sooo schlank und sooolche Dinger.“ Aber dann verwechselt
er die Diskothek. Statt Mitchell trifft er dort ein Fotomodell namens
Dagmar Hädrich und ist mit ihr dann halt neun Jahre zusammen. Eines Nachts
trifft er Mick und Bianca Jagger in München. Mick schlägt vor, Dagmar und
Bianca kurzfristig zu tauschen. Es kommt dann aber nicht dazu.
Drews zuzuhören ist große Unterhaltung. Aber irgendwann fühlt es sich an,
als wolle er einen so vollquatschen, dass man nicht nachfragt, wo die
wirklichen Bruchstellen seines Lebens sind.
„Ich bin ja Busenfetischist“, sagt er unvermittelt.
Eine News wäre, wenn er das dementieren würde.
Eine ungeklärte Frage gibt es: Ist er ein 68er? Drews ist Jahrgang 1945.
Wie Daniel Cohn-Bendit und Franz Beckenbauer. Rainer Werner Fassbinder und
Rainer Brüderle.
„Jein. Ja, nein, jein. So peripher.“
Er ist nicht auf der Straße. Was kümmert ihn Vietnam in seinem Gefängnis
der juvenilen Komplexe und bürgerlichen Abhängigkeitsverhältnisse? Er ist
nicht Teil einer kleinen marxistischen Elite, er ist Teil der großen
gesellschaftlichen Bewegung, die das Bedürfnis nach neuer Musik, langen
Haaren und persönlicher Freiheit treibt.
Seine Ding ist die eigene Befreiung. Sexuell und überhaupt.
Geschlechtsverkehr ohne Trauschein ist in den späten 60ern eine
antibürgerliche Revolte gegen alle weltlichen und kirchlichen Repressionen
– und in der Hinsicht entwickelt Drews wahrhaft revolutionäres Potenzial.
Der Zusammenprall zwischen Kriegs- und Nachkriegsgeneration findet in der
Bellmannstraße 2 allenfalls unterdrückt statt. Der Vater war auch in
Hitlers Deutschland angesehen und erfolgreich. Da muss er schon sehr
affirmativ gewesen sein, das ist dem Sohn klar. Was er aber genau gemacht
hat, wie er zum Nationalsozialismus und zum Holocaust stand und steht, das
bleibt unausgesprochen. „Ich hab meinen Vater nie gefragt: Was hast du
gemacht in der Nazizeit?“, sagt Drews.
Er sitzt jetzt in der Kantine des RBB und isst Linsen mit Würstchen.
„Mein Vater war super drauf, es war alles wunderbar zu Hause. Ich wollte es
lieber nicht wissen.“ Er hält für einmal inne. Dann sagt er: „Ich wollte
lieber nichts damit zu tun haben.“
Er hat kein einziges Foto von seinen Eltern aufbewahrt.
Wo war er stehen geblieben? Richtig, bei den Humphries. Der Brite Les
Humphries stellt 1970 nach dem Vorbild von „Hair“ einen ethnisch gemischten
Chor zusammen, lässt ihn Gospel-Pop singen und Love & Peace darstellen.
Später stellt er sich als autoritärer Sack heraus, der seine Frau schlägt.
Damals sind die Hallen voll. Eins der Chormitglieder: Drews.
Gab er den Hippie, war aber keiner?
„Bisschen. Bisschen Hippie war ich schon.“
Eine süße Skandinavierin schwärmt ihm damals von einem tollen deutschen
Schlager mit dem Titel „Geh‘ nicht vorbei“ vor und er sagt: „Ne, gar ni…
toll. Corny Crap.“ Schmalziger Mist. Er merkt zwar: Irgendwie hat der Song
was. Aber Schlager ist für ihn politisch rechts. Wegen Heino undsoweiter.
„Ich war völlig verblendet.“ Mit Heino ist er mittlerweile befreundet.
Dann singt er aber halt doch Schlager. Ein Text von Michael Kunze, einem
der erfolgreichsten Texter der Branche, wird ihm zugeschickt. Er will die
Melodie schreiben, aber die gibt es schon. Es ist ein griffiger
Pop-Countrysong der Bellamy Brothers mit dem Titel „Let Your Love Flow“.
Der Rest ist, wie er gerne sagt, Geschichte. „Ein Bett im Kornfeld“ wird
einer der größten Hits des Jahres 1976.
Ein Bett im Kornfeld / das ist immer frei / denn es ist Sommer / und es
duftet nach Heu.
Helmut Schmidt hat zu der Zeit den politischen Aufbruch des ersten
SPD-Kanzlers Willy Brandt längst abgewürgt und für Politik sind die
Liedermacher zuständig. Aber mit der standesgemäßen Verzögerung
thematisiert und kapitalisiert der Schlager Hippie-Träume und den neuen
liberaleren Lebensstil im Post-68er-Deutschland.
In der zweiten Hälfte der 70er verkörpert Drews die gesellschaftliche
Entkrustung im deutschen Schlager. Er tritt 20 Mal in der ZDF-Hitparade
auf. Er sieht aus wie Mick Jagger, nur besser. Er hat „keine Lust, mit
Arbeit die Zeit zu vergeuden“, („Barfuß durch den Sommer“). Und wenn die
spießigen Eltern gegen ihn sind („Wir ziehn heute abend aufs Dach“), weil
sie ihn jenseits der bürgerlichen Gesellschaft wähnen, entführt er die
Bürgertochter und baut ihr – mit Blumen und Rock ’n’ Roll – ein Bett a…
der Dachterrasse. Erstaunlich, dass Dieter Thomas Heck,
Hitparaden-Moderator und der Pate der Schlagerszene, überhaupt so etwas
duldete.
„Ach, der Hecki“, sagt Drews. Der sei in echt auch nicht so gewesen, wie er
rüberkam.
Heck selbst mailt auf Anfrage aus Südspanien, die Dachterrasse sei keine
Rebellion gegen Eltern, sondern zeitgemäßes Statussymbol für Wohlhabende.
Seiner Ansicht nach sei von Drews weder freie Liebe noch
Arbeitsverweigerung propagiert worden. Der Texter habe vermutlich nur
griffige Zeilen gesucht. Die Mail endet mit den Worten: Herzliche Grüße
auch an Jürgen und seine Familie.
Hecki ruft ihn irgendwann in den späten 80ern an und sagt: „Kerlchen, komm
nach Baden-Baden, kannst ein bisschen rumlabern, kriegst 1.500 Mark.“
Hecki nennt ihn Kerlchen. Er fährt hin und ist dann fünf Jahre Moderator
der Schlagerparade im dritten Programm. Es endet, als Bild mit einer
Hammergeschichte kommt: „Jürgen Drews – Po geliftet.“ Die ARD-Oberen
bestellen ihn ein.
Er sagt: Ach. Und dass die Leute jetzt erst recht einschalten.
Aber Herr Drews, sagen die Herren. Wir sind eine Anstalt öffentlichen
Rechts.
Es ist Ramona, die dann meint, er solle froh sein, die Schlagerparade sei
eh viel zu konservativ für ihn. Da sind ihre Haare noch nicht platinblond
und ihre Brüste kleiner. Er hat sie gerade kennengelernt.
Er sagt immer, dass er zwei Hauptinteressen hat: die Musik. Und die Frauen.
Früher Plural. Heute Singular. Die Frau.
„Ich bin Frauenfanatiker, ich habe meine, aber ich übersehe keine.“ Er
sagt, er sei der erste Mann für Ramona gewesen, und Ramona sagt das auch.
Der zuständige Bild-Reporter von damals lacht sich tot, als er das hört.
Ramona Middendorf ist die Tochter eines Dülmener Lebensmittelhändlers.
Drews trifft sie zum ersten Mal bei einer Miss-Wahl. Verschafft ihr eine
kleine Rolle in einem Wörthersee-Klamauk. In dem Film spielt der
Schlagersänger Tommy Steiner mit, auch ein Verehrer von Ramona. Sein
Kornfeld-Song heißt „Die Fischer von San Juan“ und er eigentlich
Karl-Heinz. Jedenfalls sehen Zeugen den Sänger und Ramona nachts um drei
aus dem Veldener Casino verschwinden, wobei Steiner den legendären Satz
gesagt haben soll: „Ich habe die Frau fürs Leben gefunden“.
Am nächsten Tag kommt der Monti Lüftner, ein langjähriger
Bertelsmann-Musikmanager, zum Frühstück und fragt, ob man es schon gehört
habe.
Nein, was?
Der Drews ist in der Nacht mit dem Porsche aus München angerast. Ab da nur
noch sie beide. Beziehungsweise sie drei. 1995 wird Joelina geboren.
Er ist von München zu ihr nach Dülmen-Rorup gezogen. Schwiegereltern ein
paar Straßen weiter. Seine Mutter lebt bis zum Tod 2006 in der Nähe. Der
Vater starb schon in den 80ern. Drews hat Ramona mehrfach geheiratet, unter
anderem live bei Carmen Nebel. Da wird er von Rührung geschüttelt.
Schon viele haben dem Bedürfnis nachgegeben, Drews abzuwerten. Manche haben
auch versucht, an Drews herumzupsychologisieren. In der Regel rennen wir
Menschen Dämonen der Kindheit hinterher. Wie ist das bei ihm? Mancher hätte
es wohl gern, wenn er anständig aus dem Fenster spränge wie Rex Gildo oder
an gebrochenem Herzen stürbe als am Schlager leidender Schlagersänger wie
Roy Black. Aber er macht einfach weiter.
Er trinkt nicht, er raucht nicht, er nimmt keine anderen Drogen, er
absolviert Hunderte Auftritte im Jahr mit seiner Playback-CD. Er ist 70 und
erreicht – anders als die SPD, die FAZ, das ZDF oder die Rolling Stones –
auch junges Publikum. Ab Mai ist er wieder jede Woche in Palma.
Letzten Herbst gab er ein paar Konzerte mit Band. Dreistündige.
„Satisfaction“, spielt er dabei und ein Dixie-Solo auf dem Banjo – sein
Vater hatte ihm das Instrument geschenkt, als er 15 war. Ramona hatte
geraten: Zieh doch mal wieder mit Band los. Und er: „Ich will zeigen, dass
ich mehr bin als Schlager und Party.“ Da liegt ihm wirklich sehr viel dran.
Er hat gerade ein neues Album am Start. Titel: „Es war alles am Besten.“ Da
singt er: „Lebt ich noch einmal/ ich würd’ absolut nichts ändern/ jeder
Augenblick genial.“
Wenn ihn jemand fragte, wie sein Leben war, würde er genau das antworten,
sagt er. An seinem Siebzigsten nächsten Donnerstag wird er mittags CDs in
einem Berliner Shoppingzentrum verkaufen, abends tritt er im Hofbräuhaus
auf. Mit Band.
Zu Hause in seinem Studio komponiert er Songs. Es gehe, sagt er, im
Party-Business ausschließlich um den Refrain, wenn der nicht sitzt, geht
nichts. Zum Beispiel?
„Sie hatte nur noch Schuhe an“, das sei eine Zeile. Er lächelt. „Das
Einfachste ist immer das Schwerste, hat Goethe gesagt.“
Hat Goethe gesagt?
„Hat das nicht Goethe gesagt? Ich kucke nach. Wie auch immer.“
Party sei jedenfalls megageil. Das Allerschärfste.
Auf der Rückfahrt von Potsdam nach Berlin tut sich ein anderes Thema auf:
Schicksal. Ist Schicksal das, was man selbst aus seinem Leben macht? „Nicht
nur“, sagt er. „Schicksal ist auch, wie die Umstände dich beeinflussen.“
Er holt sein Smartphone raus, wählt „Ramona“.
„Liebst du mich noch?“
+++
Es ist Freitag, viertel vor elf, und die Dirndl- und
Lederhosen-Gesellschaft im Hofbräuhaus ist bedient. Und zwar richtig. Sie
singen alles mit, jedes Wort. Ich bin der König von Mallorca. Ich bin der
Prinz von Arenal. Ich hab zwar einen an der Krone, doch das ist mir
schei-eiß-egal. Es ist eine wahnsinnige Volldröhnung mit Bier und
Mallorca-Punk. Quasi Ekstase.
Drews trägt den Oberkörper jetzt frei. Er ist durchtrainiert und hat kein
Gramm zu viel. Im Gürtel hängt ein rosa Slip und ein schwarzer BH.
Die Girls sind im echten Leben bestimmt normale Frauen, aber jetzt entert
eine nach der anderen die Bühne, sie fummeln an ihm rum und machen dabei
Fotos von sich. Dann halten sie das Telefon hoch wie einen Pokal. Es ist,
als ob er bloß ein Sexobjekt für sie ist und das Foto der Vollzug.
Drews lächelt eisern.
Er geht von der Bühne und alle hinter ihm her.
Er ist todmüde und stocknüchtern und älter als alle anderen. Nachher wird
er ohne Umweg ins Ramada rübergehen, Ramona anrufen und fragen, ob sie ihn
noch liebt. Dann ins Bett fallen und sofort einschlafen, aber jetzt fassen
sie ihn an, halten Autogrammkarten hin und er schreibt und schreibt und
schreibt.
28 Mar 2015
## AUTOREN
Peter Unfried
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