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# taz.de -- Kolumne Fußball im Eishockeyland: Heute in Oddewua
> Auch nach den ersten WM-Spielen interessiert man sich in Ottawa wenig für
> Fußball. Die Ottawarer leben leidenschaftlich im Hier und Jetzt.
Bild: Ausblick auf Ottawa aus einem Ottawarer Fenster, natürlich heute.
Wenn normale Ottawarer über ihre Stadt sprechen, weiß man nicht, dass sie
über ihre Stadt sprechen. Es dauert einige Tage, bis man erkennt, dass sie
von Ottawa reden, wenn sie „Oddewua“ sagen. Es klingt so als würden Hessen
den Namen aussprechen. Sagt man den Ottawarern, dass sie einen hessischen
Akzent haben, antworten sie: „I love Hessenliga“.
Fragt man sie dann, ob sie wissen, dass gerade einige Frankfurter
Fußballspielerinnen in ihrer Stadt leben, die gerade Champions-League
Sieger geworden sind und nun Weltmeister werden wollen, antworten sie: „I
love the Frankfurt Lions and the Marburg Mercenaries.“ Es entspinnt sich
ein kompliziertes Gespräch, in dessen Verlauf der Ottawarer von der
Existenz des FFC Frankfurt erfährt und man selbst von der eines Eishockey-
und eines American-Football-Vereins in Hessen.
Knapp 6.000 Kilometer ist Frankfurt am Main (MEZ -0) von Ottawa am Rideau
River (MEZ -6) entfernt. Das allerdings ist auch nicht viel weiter als
Ottawa von Vancouver am Pazifik entfernt ist: 5.000 Kilometer, MEZ -9.
Bisher habe ich noch keinen Ottawarer getroffen, der in Vancouver war,
dafür aber schon einige, die in Frankfurt waren.
Anders als die Hessen sind die Ottawarer sehr freundliche Menschen. Morgens
zum Beispiel, wenn der Frankfurter in der Schlange beim Bäcker sagt: „Komm
geh‘ fott, du Simbel!“ und die Frankfurter Verkäuferin zu Ausländern, die
die Regeln nicht kennen: „Sie san wohl Auswerrdisch“, stehen Ottawarer
schweigend in der Schlange bei Starbucks und wenn man an der Reihe ist,
fragt die Verkäuferin: „Hey. Wie geht es heute?“
## „Sammeln Sie heute Treuepunkte?“
Als überraschter Ausländer sagt man: „Oh. Danke. Besser als gestern.“
„Wollen Sie heute eine Plastiktüte?“, fragt die Verkäuferin weiter und man
fragt sich selbst, ob man gestern schon da war und eine Plastiktüte gekauft
hat. „Oh. Danke. Nein. Äh...heute nicht.“ „Sammeln Sie heute Treuepunkte…
Habe ich jemals in meinem Leben hier schon mal nach Treuepunkten verlangt?
„Äääää...nie. Danke.“ „Wollen Sie heute ihren Kassenzettel?“. „J…
ja. „. „Wollen Sie heute einen Liter Canady Dry Ingwerlimo für 8 Dollar
mitnehmen?“ Hört das nochmal auf? Komme ich heute nochmal aus diesem Laden
raus?
Ich will nicht mehr über heute reden und wage zu fragen, ob es auch ok
wäre, wenn ich vielleicht morgen eine Limo kaufen würde. „Sicher. Morgen
ist die Limo aber nicht mehr im Angebot.“
Ein Simpel, wer diesen simplen Trick nicht durchschaut. Die Ottawarer
reagieren darauf sehr gelassen. Noch nie habe ich jemanden sagen hören:
„Nach heute haben Sie mich doch gestern schon gefragt.“
In Oddewua kann man also lernen, wie man im Heute lebt und das gestern und
morgen einfach auch heute ist. Das ist für mich ganz praktisch zu wissen,
denn diese Zeitverschiebung macht einen ziemlich wuschig: Wenn in
Deutschland morgen ist, ist bei mir noch heute. Und wenn bei mir heute ist,
ist in Deutschland schon gestern. Am Ende aber ist alles heute. Danke
Oddewua.
9 Jun 2015
## AUTOREN
Doris Akrap
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Célia Sasic
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