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# taz.de -- Fußball-WM 2015: Nicht genutzte Chancen
> Die Deutschen spielen in der ersten Halbzeit stark, lassen aber zu viele
> Chancen liegen. Nach der Pause kommen die Norwegerinnen.
Bild: Die Deutsche Simone Laudehr (r.) im Kampf gegen die Norwegerin Ingrid Sch…
OTTAWA taz | Die Ausgangssituation: In der Gruppe B führt Deutschland
aufgrund des besseren Torverhältnisses (10:0 gegen die Elfenbeinküste) vor
Norwegen (4:0 gegen Thailand). Das zweite Spiel in Ottawa ist für die
beiden europäischen Teams der erste richtige Test. Norwegens Trainer Even
Pellerud hatte nach dem Spiel gegen Thailand eingeräumt, dass sein Team
sowohl Schwächen in der Defensive wie auch in der Offensive gezeigt habe,
die es sich gegen die Weltranglistenersten nicht erlauben könnte.
Auch Silvia Neid hatte vor der Begegnung gesagt, dass Norwegen eine andere
Nummer ist als die Elfenbeinküste und dass man auf Augenhöhe spielen werde.
Das Lansdowne Stadium füllt sich erst im Laufe der ersten Halbzeit. Es ist
aber auch Donnerstag, 16 Uhr. Da haben die Verwaltungsbeamten der
Hauptstadt noch nicht alle Dienstschluss.
Das Spiel: Gleich nach 18 Sekunden gibt die WM-Debütantin Dszenifer
Maroszan einen deftigen Schuss auf das norwegische Tor, der aber drüber
geht. Die erste Warnung. Fünf Minuten später haut die 23-Jährige nochmal
heftig drauf, man hört es regelrecht knallen. Dieses mal geht der Ball
direkt auf die Torhüterin Ingrid Hjelmseth, die ihn abprallen lässt und
Anja Mittag direkt vor die Füße spielt, die nur noch reinlupfen muss: 1:0.
Ähnlich wie gegen die Elfenbeinküste machen die Deutschen in der ersten
Halbzeit ein atemberaubendes Pressing, dominieren das Spiel auf ganzer
Linie, lassen die Norwegerinnen komplett neben sich stehen und
verunmöglichen jede Idee, die die Norwegerinnen auf den Flügeln gehabt
haben mögen. Ein einziges Mal kommen die Nordeuropäerinnen vor das deutsche
Tor.
## Abwehr durch Blitzreflex
In der 43. Minute zieht Isabell Herlovsen aus kürzester Entfernung ab,
scheitert aber nur, weil Angerer im Blitzreflex den Ball abwehrt. Es folgen
zwei Ecken. Halbzeit. Die Schlussphase der ersten Halbzeit ist offenbar so
was wie das Fanal für die Norwegerinnen. Denn nun scheinen die Teams ihre
Rollen getauscht zu haben. In der 59. sieht die deutsche Verteidigerin
Saskia Bartusiak keine andere Möglichkeit als die Herlovsen wenige
Zentimeter vor dem Strafraum zu foulen.
Den Strafstoß verwandelt Maren Mjelde mit einem Traumschuss, der wenige
Milimeter neben dem Pfosten ins Tor geht. Die Deutschen machen nur noch
Fehler, wirken unkonzentriert und fahrig, kriegen keinen Spielaufbau mehr
hin. Die Norwegerinnen merken das und nutzen die frei werdenden Räume. Das
Endergebnis von 1:1 ist eines, mit dem am Ende beide Seiten zufrieden sein
können. Der entscheidende Moment: Die nicht genutzten Chancen der Deutschen
in der ersten Halbzeit.
Wie im Spiel gegen die Elfenbeinküste köpft Alexandra Popp daneben. Und
Dszenifer Maroszan drischt die Bälle immer wieder durch die Mitte neben und
über das Tor. Das rächt sich dann in der zweiten Halbzeit. Even Pellerud
traf es nach dem Spiel auf den Punkt: „Die Deutschen hätten uns in der
ersten Halbzeit killen können. Wir hatten Glück.“ Die Spielerin des Spiels:
Dszenifer Maroszan wird von der Technical Study Group der FIFA gewählt. Für
die erste Halbzeit geht das völlig ok. Nicht nur ihre Torschüsse, sondern
auch ihre Pässe, ihre Zweikämpfe, ihr Einsatz, ihre Spielfreude ist top.
Aber in der zweiten Halbzeit hätte man ihr dann vielleicht doch mal sagen
sollen, dass es nicht sonderlich effektiv ist, aus dreißig Meter Entfernung
aufs Tor zu ballern. Die Pfeife des Spiels: Gry Tofte Ims. Die norwegische
Mittelfeldspielerin kriegt nichts zu stande, steht rum, lässt sich jeden
Ball kampflos abnehmen und weiß so gar nicht, was sie hier eigentlich noch
tun soll. Das wird umso deutlicher als für sie nach der Halbzeitpause
Solveig Gulbrandsen eingewechselt wird, die das norwegische Spiel um
einiges flotter und pfiffiger macht.
## Pirouette nach Fallrückzieher
Die besondere Szene: Die Pirouette von Dzenifer Maroszan nach einem
Fallrückzieher von Anja Mittag. Zinedine-Zidane-Style. Mehr davon! Die
Schlussfolgerungen: Neigen die deutschen Spielerinnen, wenn es mal nicht
gut läuft, dazu, sich nicht mehr auf ihr Team zu verlassen, sondern auf
disparate Einzelaktionen zu setzen? Es wirkte jedenfalls teilweise richtig
hilflos, wie Maroszan da rumballerte.
Am Montag spielen sowohl die Deutschen als auch die Norwegerinnen dann sehr
wahrscheinlich um den Gruppensieg. Die Deutschen haben immer noch das
bessere Torverhältnis und führen damit die Gruppe an. Aber wenn sie gegen
Thailand wieder so viele Torchancen liegen lassen wie in der Anfangsphase
der ersten beiden Spiele und die Norwegerinnen der Elfenbeinküste nichts
ersparen – wer weiß.
Und sonst: Während die norwegischen und deutschen Spielerinnen in den
Katakomben den Journalisten erklären müssen, was in der zweiten Halbzeit
mit den Deuschen passiert war, rastet das Publikum draußen im Lansdowne
Stadium völlig aus. Die Elfenbeinküste schießt gegen Thailand den
Führungstreffer. Das turbulente Spiel geht am Ende 2:3 für Thailand aus.
Die Ivorerinnen, nominell das schlechteste Team der WM, haben wieder alle
Zuschauer auf ihrer Seite. Die Stimmung ist großartig. Kein Vergleich zum
vorangegangen Spiel, in dem zwar ein paar deutsche und norwegische
Schlachtenbummler den Namen ihres Heimatlandes brüllen, ansonsten aber das
Klischee der kühlen Nordeuropäer erfüllen.
12 Jun 2015
## AUTOREN
Doris Akrap
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