# taz.de -- Fußball-WM 2015 in Kanada: Seid optimistisch! | |
> Der Frauenfußball zieht nur die Massen an, wenn eine WM ansteht. Strahlt | |
> die Begeisterung auf die Klubs ab, kann dieser Sport wirklich groß | |
> werden. | |
Bild: Natthakam Chinwong aus Thailand (l.) gegen Ines Nrehy von der Elfenbeink�… | |
Zwei fußballerische Großereignisse haben die Skandale rund um die Fifa | |
medial etwas zurücktreten lassen: Neben dem Champions-League-Sieg des FC | |
Barcelona ist dies die WM im Frauenfußball. Während die | |
Männer-Champions-League immer noch den größten Stellenwert genießt, ist | |
nicht zu übersehen, dass die Frauen-WM, die vor 25 Jahren wie aus dem | |
Nichts auftauchte, zu einem großen internationalen Sportereignis geworden | |
ist. | |
Fragen, ob dieser Sport auch dann noch populär ist, wenn gerade keine WM | |
oder EM stattfindet, sind zwar statthaft, aber doch lohnt der Blick auf ein | |
anderes Phänomen: Die Popularität des Klubfußballs scheint im Frauenfußball | |
anzusteigen, und die Chance für diese Sportart, so anzuwachsen, dass sie | |
zum unübersehbaren kulturellen Phänomen wird, liegen nur im Vereinsbereich. | |
Als 1991 bei der ersten WM in China die USA den Titel holten, ist das in | |
der weltweiten Fußballcommunity so gut wie gar nicht zur Kenntnis genommen | |
werden. Verschämt und versteckt hatte man den Termin auf Ende November | |
gelegt, wo in den meisten Ländern dieser Erde der Männerligabetrieb im | |
Fußball auf Hochtouren läuft. | |
Die Fifa, die doch Monopolist in Sachen Weltfußball ist, hielt sich noch | |
damit zurück, ihr wertvolles „World Cup“-Label auch auf den Frauenfußball | |
anzuwenden, und nannte die sonderbare Veranstaltung, die da in China | |
stattfand: „1st FIFA World Championship for Women’s Football for the M & | |
M’s Cup“ – der Pokal kam vom Schokoladenriesen, der das Turnier sponserte. | |
Nur zwölf Teams nahmen teil, sie spielten in drei Gruppen zu je vier Teams. | |
## Hohn und Spott | |
Es wurde anfänglich ernsthaft diskutiert, ob man nicht die Dauer der | |
Frauenspiele auf 80 Minuten begrenzen und einen kleineren Ball verwenden | |
solle. Erstmals wurden von der Fifa immerhin weibliche Schiedsrichter | |
eingesetzt, allerdings mit Ausnahme des Spiels um den dritten Platz nur in | |
der Funktion der Schiedsrichterassistentin. | |
Von einem großen Willen – komme er aus den Fußballverbänden, aus den Medien | |
oder von der Wirtschaft, die in der Sportart Potenzial erblickten –, den | |
Fußball der Frauen voranzutreiben, kann man kaum sprechen. Dennoch war die | |
WM in China ein Erfolg: Bei den Olympischen Sommerspielen 1996 im | |
amerikanischen Atlanta gehörte der Sport zum Programm, und fast 77.000 | |
Zuschauer sahen, wie die USA das Team aus China im Finale 2:1 bezwangen. | |
Das war – zumindest vorerst – das bestbesuchte Frauensportereignis der | |
Geschichte. | |
Dieser Rekord hielt drei Jahre, bis 90.185 Menschen im Rose Bowl in | |
Pasadena das Finale der WM 1999 sahen, den Sieg der USA über China nach | |
Elfmeterschießen. Diese offizielle Besucherzahl markiert bis heute die | |
größte Menschenmenge, die jemals zu einem Frauensportereignis gegangen ist. | |
Es ist kein Zufall, dass dieser Bedeutungszuwachs von Frauensport im lange | |
nicht mal olympischen Frauenfußball gelingen konnte. | |
Schaut man sich die verschiedenen Länder an, in denen sich Frauenfußball | |
entwickelte, bemerkt man erstaunliche Parallelen. Am Anfang wurden Frauen, | |
die kicken wollten, verhöhnt und verspottet. In vielen Ländern wurde auch – | |
oft erfolgreich (etwa in Deutschland) – versucht, ihnen das Spiel zu | |
verbieten. Doch das änderte sich in den 80er Jahren. Da änderte sich die | |
Einstellung der Öffentlichkeit, weiblichen Athleten wurden mehr Rechte und | |
mehr Möglichkeiten gewährt, um das Spiel zu betreiben. | |
## Millionen von Zuschauern | |
Der beste Gradmesser, um zu bestimmen, dass sich eine Sportart entwickelt | |
hat, ist eine möglichst hohe Zahl an konkurrenzfähigen Teilnehmern, eine | |
Nivellierung der Leistungsunterschiede zwischen den teilnehmenden Teams. | |
Bei den ersten Weltmeisterschaften erlebten wir die Dominanz der USA, von | |
Norwegen, Schweden, Deutschland und China – alle anderen Teams fielen | |
deutlich ab. Beim WM-Turnier, das derzeit in Kanada stattfindet, kommen | |
aber noch weitere gute Teams hinzu: aus Australien, Kanada, Brasilien, | |
Frankreich, den Niederlanden und Japan, immerhin amtierender Weltmeister. | |
Die Stadien in Kanada sind, ähnlich wie vor vier Jahren in Deutschland, gut | |
gefüllt. Alle Spiele werden international im Fernsehen übertragen. Von den | |
Zuschauerzahlen wird erwartet, dass in die Millionen gehen, und die ersten | |
Nachrichten über Einschaltquoten weisen auch in diese Richtung. Und wenn es | |
in die Finalrunde geht, werden sich wieder große Menschenmengen an | |
öffentlichen Orten versammeln, um die Spiele zu sehen. | |
In den USA ist Fußball zu einer äußerst beliebten Sportart geworden. Von | |
den Kinder- und Jugendligen bis hin zum Erwachsenenbereich betreiben etwas | |
mehr als 19 Millionen Amerikaner diesen Sport. Vor zehn Jahren hat, was | |
eigene Partizipation betrifft, Fußball alle anderen Teamsportarten | |
überholt, mit der einen Ausnahme Basketball. | |
Aber einen Sport zu betreiben, ist das eine. Einen Sport als Fan über die | |
Massenmedien zu verfolgen, ist das andere: Millionen von Menschen laufen, | |
wandern, schwimmen. Aber nur sehr wenige folgen diesen Sportarten | |
regelmäßig im Fernsehen. | |
## Jubeln für die Wäsche | |
So ist es sehr wahrscheinlich, dass die Mehrheit der Amerikaner, die jetzt | |
für das Team USA in Kanada jubeln, dies nur deswegen tun, weil es die USA | |
repräsentiert. Mit anderen Worten: Die meisten Leute jubeln für die Wäsche | |
der Spieler. Nur sehr wenige kennen die Spielerinnen, ihre Vereine, die | |
dortigen Erfolge. | |
Es stellt sich die Frage, ob der Enthusiasmus, der sich bei diesem Turnier | |
sicherlich einstellen wird – naheliegenderweise unter den Fans der | |
erfolgreicheren Mannschaften – zu mehr werden kann: zu einer Begeisterung | |
im Alltag, zu einer intensiven, täglich etwa durch TV-Sendungen oder das | |
Lesen von Zeitungen befriedigten Beschäftigung mit Frauenfußball. Ob also | |
aus dem Frauenfußball ein ähnliches kulturelles Phänomen werden kann, wie | |
man es bei der Bewunderung der Fans für die Männerklubs kennt. | |
Der Schlüssel dazu liegt nicht auf der Ebene der Nationalmannschaften. Man | |
findet ihn auf der Ebene der Klubs. Es sind die Klubs, die regelmäßig | |
spielen, manchmal sogar zweimal pro Woche. Nationalmannschaften erzeugen | |
zwar eine riesige Aufmerksamkeit, aber diese ist flüchtig. | |
Vereinsmannschaften hingegen haben eine lang anhaltende Präsenz. | |
Aus diesem Grund haben mich die 17.147 Fans, die am 13. Mai das Finale der | |
Frauen-Champions-League zwischen FFC Frankfurt und Paris Saint-Germain | |
besucht haben, viel mehr begeistert als die großen Zuschauermassen bei den | |
ersten Spielen der WM in Kanada. Der Trend der letzten 13 | |
Champions-League-Finals zeigt, dass die Zuschauerzahl nach oben geht. Dem | |
steht allerdings entgegen, dass die durchschnittliche Besucherzahl bei | |
Spielen der Frauenbundesliga unter 2.000 liegt, und in etlichen Fällen die | |
Zahl der Besucher im dreistelligen Bereich lag. | |
Dennoch: Vergegenwärtigt man sich, dass die sozialen Medien erfolgreich | |
vieles an Berichterstattung abdecken können, was in den traditionellen | |
Medien untergeht bzw. nur bei einer WM Beachtung findet, zeigt sich, dass | |
das Potenzial für die Sportart Frauenfußball sehr groß ist. | |
Als globales Phänomen ist Frauenfußball nicht mal 25 Jahre alt. Da dürfen | |
Fans, was das Wachstum ihrer Sportart in den nächsten zwei Jahrzehnten | |
anbelangt, schon optimistisch sein. | |
(Übersetzung Martin Krauß) | |
12 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Andrei S. Markovits | |
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