# taz.de -- ESC-Kolumne Genderwahn in Wien #5: Die Antifigur zum Hippietum | |
> Beim ESC wird für die Qualifikation generalgeprobt. Bereits im Finale: | |
> Australien. Der Debütant präsentiert sich routiniert und wie aus dem Ei | |
> gepellt. | |
Bild: Darf das Halbfinale überspringen: Guy Sebastian. | |
Den meisten Lärm im Pressezentrum machen akkreditierte Journalisten aus | |
Australien. Ja, dieses doch sehr entfernte Land ist hier in Wien beim | |
Eurovision Song Contest präsent. Weil der ESC in Wien der sechzigste ist | |
seit 1956 und weil das als Anlass eines Jubiläums seitens der European | |
Broadcasting Union in Genf genommen wird, hat man Australiens Begehr mit | |
Freuden bejaht: Ja, sagte das öffentlich-rechtliche TV-Netzwerk in der | |
Schweiz, [1][ausnahmsweise darf Australien einmal mitmache]n. | |
Dort, einen halben Tag vor unserer Uhrzeit, ist man schier ESC-verrückt. | |
Eine Million Zuschauer stehen am ESC-Finaltag extra sehr früh auf, um die | |
Show live im Internet zu sehen. Die gewöhnliche TV-Übertragung gibt es dann | |
zeitversetzt am Sonntagabend. 1974 war Australien erstmals interessiert am | |
ESC – die heute nur noch Älteren bekannte Australierin Olivia Newton-John | |
startete damals für Großbritannien. Das gefiel Down Under gut – und weil | |
man so auch den Sieg von Abba sah, konnte die schwedische Band auch in | |
Australien eine sehr starke Karriere machen. | |
Seit den frühen achtziger Jahren ist der ESC zwischen Perth und Sydney, | |
Hobart und Darwin ein kulturelles Must – so halte man Kontakt zu den | |
europäischen Vorfahren der meisten Australier, deren zweite Besiedlung, | |
nach den Aborigines, eine durch englische Häftlinge war. Australien ist | |
sozusagen der Lieblingskontinent der Griechen – in keinem Land leben so | |
viele von ihnen jenseits von Griechenland selbst. | |
Guy Sebastian heißt der australische ESC-Sänger. In seinem Heimatland ist | |
der 33-Jährige, gebürtig in Malaysia, seit einem Sieg bei einer | |
TV-Casting-Show 2003 einer der erfolgreichsten Entertainer im Showbiz. Er | |
verkörpert eine Mixtur aus Bruno Mars und Curtis Stigers, ein Crooner, der | |
gern in sehr geschmackvollen Klamotten auftritt und die Antifigur zum | |
Hippietum ist. | |
## Bunt und jung und propper | |
Guy Sebastian ist auch in Wien einer, der stets wie aus dem Ei gepellt | |
wirkt: propper und appetitlich. Was den Genderfaktor betrifft: bunter | |
junger Mann, der weder besonders hetero noch homo wirkt. Auffällig: | |
weibliche Fans in seiner Heimat neigen zu hysterischem Applaudieren, tritt | |
er auf. | |
Seine erste Probe auf der Bühne der Wiener Stadthalle, Sonntagmittag, | |
markierte heftige Qualitätsunterschiede zu allen anderen ESC-Kandidaten: | |
Guy Sebastian absolvierte die Stell- und Lichtproben routiniert, sein | |
Gesang, sein dazu passendes Tänzeln, blieb dosiert: volle Kraft, volle | |
Konzentration, volles Bewusstsein für das, was zählt, sind erst zum Finale | |
gefragt. Australien ist natürlich gleich fürs Finale gesetzt. | |
Um es mit den Worten von Thomas Schreiber vom NDR zu sagen: Man lade nicht | |
ein Land zur Geburtstagsparty ein, um es erstmal in eine | |
Qualifikationsrunde zu schicken. Dem Sänger bleibt also erspart, was | |
Dienstag Abend siebzehn Acts bevorsteht: das erste Semifinale. Sie treten | |
an, und sieben von ihnen können dann wieder nach Hause fahren, denn nur | |
zehn werden zum Finale zugelassen. | |
Mit dabei sind dann auch die finnischen Punker namens „Pertti Kurikan | |
Nimipäivät“. 85 Sekunden schrummeln sie – und ob sie ihren Job gut erledi… | |
haben, entscheidet das Publikum. In Finnland wird eine TV-Quote von nahezu | |
90 Prozent erwartet. | |
Übertragen wird die erste Qualifikationsshow auch auf | |
[2][www.eurovision.de]: Dienstag, 21 Uhr. | |
18 May 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Australien-bei-der-Eurovision/!154550/ | |
[2] http://www.eurovision.de/ | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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