| # taz.de -- Versicherung steigt aus: König Kohle ohne Volk | |
| > Der globale Kohlemarkt spielt verrückt: Die Preise sind im Keller, | |
| > trotzdem steigt die Nachfrage nicht. Jetzt reagiert sogar die Hochfinanz. | |
| Bild: RWE-Bagger im Braunkohle-Tagebau Garzweiler II. Der Rohstoff wird im Inla… | |
| BERLIN taz | Weltweit sind Billionen von Dollar in Energieträger wie Öl | |
| oder Kohle angelegt worden – und zumindest ein kleiner Teil davon wird | |
| jetzt umgeschichtet: Der französische Versicherungskonzern Axa verkauft | |
| seine Beteiligungen an Firmen, die ihr Geld in erster Linie mit Kohle | |
| verdienen – ein Portfolio im Wert von 500 Millionen Euro. Im Gegenzug | |
| verdreifacht Axa seine Investitionen in erneuerbare Energien bis 2020 auf | |
| drei Milliarden Euro. | |
| Ein Tropfen auf den heißen Globus: Die UN-Umweltorganisation UNEP schätzt | |
| in einem [1][in dieser Woche erschienenen Bericht], dass in den nächsten 20 | |
| Jahren 37.000 Milliarden Dollar in eine neue globale Energieinfrastruktur | |
| investiert werden müssten, damit sich das Klima bis Ende des Jahrhundert | |
| nicht um mehr als durchschnittlich zwei Grad erwärmt. Das hätte zwar schon | |
| gravierende Folgen für Tiere und Menschen, gilt aber noch als beherrschbar. | |
| Aus Sicht des Axa-Chefs Henri de Castries darf die Großfinanz daher nicht | |
| länger ein „Feind“ des Klimaschutzes sein, sondern muss „Teil der Lösun… | |
| werden. De Castries sieht darin eine Versicherung für das Fortbestehen | |
| seines Unternehmens: „Eine Zwei-Grad-Welt könnte noch versicherbar sein. | |
| Eine Vier-Grad-Welt wäre es aber sicher nicht mehr.“ | |
| Doch was de Castries als gute Tat verkauft, hat handfeste ökonomische | |
| Gründe. Der Verkauf des Kohleportfolios diene auch dazu „das Risiko des | |
| Investitionsportfolios zu reduzieren“, sagt er. Denn während sich der | |
| Ölpreis wieder stabilisiert hat, kennt der Preis für Kohle nur eine | |
| Richtung: runter. Binnen vier Jahren ist er von knapp 140 Dollar pro Tonne | |
| auf 55 Dollar im April 2015 gefallen. Im Moment liegt er bei rund 60 | |
| Dollar. | |
| Der Grund für den anhaltenden Preisverfall ist ein steigendes Angebot bei | |
| stagnierender Nachfrage. Die großen Minenkonzerne und Exportländer | |
| reduzieren trotz des Preisverfalls die Produktion nicht. Ähnlich wie das | |
| Ölkartell Opec versuchen sie ihren Marktanteil zu verteidigen. „Es ist die | |
| gleiche Strategie bei Kohle wie bei Öl“, sagte Guillaume Perret, Direktor | |
| eines Beratungsunternehmen aus London, dem Nachrichtendienst Bloomberg. | |
| „Die großen Minenbetreiber, besonders die mit niedrigen Produktionskosten, | |
| fördern weiter und drücken teurere Konkurrenten aus dem Markt.“ | |
| Eine hoch riskante Strategie: Zwar hat die Internationale Energieagentur im | |
| vergangenen Jahr geschätzt, dass die globale Kohlenachfrage bis 2019 um 2,1 | |
| Prozent pro Jahr steigen wird. Allerdings sollen drei Fünftel dieses | |
| Wachstums auf China entfallen, das weltweit die Hälfte der Kohle verfeuert. | |
| Womit niemand gerechnet hat: Im vergangenen Jahr ist der Kohlekonsum Chinas | |
| um 2,5 Prozent gefallen. | |
| ## Was ist nur mit China los? | |
| Dies liegt am geringeren Wirtschaftswachstum in China, das dieses Jahr | |
| unter sieben Prozent fallen könnte. China investiert aber auch massiv in | |
| Sonne, Wind, Wasserkraft und Atomenergie. Wegen der grotesken | |
| Luftverschmutzung in vielen chinesischen Städten schließt die Regierung | |
| zudem ältere, ineffiziente Kohlekraftwerke. | |
| Viele Beobachter gehen mittlerweile davon aus, dass der Kohleverbrauch | |
| Chinas seinen Höhepunkt erreicht hat. „Die Kohlepreise werden sich nie | |
| erholen, niemals“, sagt Laban Yu, ein Analyst der US-Investmentbank | |
| Jefferies. | |
| In den USA sinkt die Nachfrage nach Kohle und damit der Preis vor allem | |
| wegen des dort billigen Erdgases. Zudem werden wie in China erneuerbare | |
| Energien stark ausgebaut, es gibt Verordnungen zur Verbesserung der Luft. | |
| In den letzten zehn Jahren ist der Kohleverbrauch um zehn Prozent gesunken. | |
| ## Pleitewelle in den USA | |
| Das hat tiefe Spuren in den Bilanzen der großen US-Kohleproduzenten | |
| hinterlassen: Der Aktienkurs der drei größten Produzenten Peabody Energy, | |
| Arch Coal und Alpha Natural Ressources hat sich dieses Jahr halbiert. | |
| Anleihen von Peabody bringen mittlerweile 15 Prozent Rendite, was ein nicht | |
| unerhebliches Konkursrisiko in den nächsten Jahren impliziert. Die | |
| australische Bank Macquarie warnt vor einer Pleitewelle in der | |
| US-Kohleindustrie, 26 Kohleproduzenten sind bereits bankrott. | |
| Die letzte Hoffnung der Kohleindustrie ruht auf Indien: Hier wächst der | |
| Verbrauch noch, das Land überholt dieses Jahr China als größter Importeur | |
| der Welt. Doch Indien hat genug einheimische Kohle für seinen Bedarf. | |
| Indiens Energieminister Piyush Goyal will den Import von Kohle in den | |
| nächsten zwei bis drei Jahren stoppen. Wahrscheinlich ist es also nur eine | |
| Frage der Zeit, bis andere dem Beispiel Axa folgen werden – aus rein | |
| ökonomischen Gründen. | |
| 22 May 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.unep.org/newscentre/Default.aspx?DocumentID=26816&ArticleID=… | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Mihatsch | |
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