# taz.de -- Kolumne Millionär: taz.fickich macht auch nicht reich | |
> Jeden Schnulli kann man heute bio oder fairtrade kaufen. Nur Sex nicht. | |
> Es wird Zeit für eine öko-soziale Wende im Rotlichtmilieu. | |
Bild: Fickende Frösche gehören in jeden öko-sozialen Puff. Kenner wissen nat… | |
Eine Frau sitzt im Keller auf einem Thron. Sie ist nackt und trägt eine | |
Krone auf dem Haupt. Oben ist eine Performance: Künstlerinnen hüpfen | |
brüllend auf Penissen herum. Jeder platzt mit poppigem Knallen. Im Publikum | |
nippen bärtige Hipster, Typen wie ich, an ihren Bieren. Ich empfinde bei | |
all dem … hm, schwer zu sagen. Schmerz ist es nicht, nein. Aber wir | |
Bärtigen sind ergriffen. Ich weiß nur nicht, von was. | |
Das war 2013, auf dem feministischen Pornofilmfestival. Erst heute wird mir | |
klar, was uns berührte: Überall gab es Porno, aber nirgends das Gefühl, | |
dass Frauen zur Ware werden. Meine Schlussfolgerung heute, klar und | |
eindeutig wie die erste Liebe: Der Sex braucht eine ökologisch-soziale | |
Wende. Und weil ich mich dem bedingungslosen Streben nach Reichtum | |
verschrieben habe, werde ich daraus ein Geschäft machen. | |
Das widerspricht sich nicht. Du kannst ja heut als verantwortungsbewusster | |
Ökohipster alles tun und kaufen, musst halt nur gucken, dass ein Siegel | |
drauf ist. Außer, was echt nicht geht, ist Sex kaufen. Es gibt kein Siegel | |
für Sex. Aber, und von der Marktlücke bin ich fest überzeugt, es gibt eine | |
riesige Zielgruppe für Siegelsex. Meine Goldader der Lust. | |
Nun haben die ersten Biobauern auch ohne Biosiegel einfach losgepflanzt. | |
Deshalb fang ich auch an, ohne Sexsiegel. Treffe mich also mit Johanna | |
Weber, um die Eröffnung eines ökosozialen Puffs zu erörtern. Wenn mir | |
jemand helfen kann, dann sie. | |
Johanna Weber ist politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und | |
sexuelle Dienstleistungen. Außerdem ist sie eine erfahrene Domina. Und sie | |
ist taz-Genossin. Erstmal reden wir so generell über die Branche. „Vor 20 | |
Jahren hättest du einen Arsch voll Geld mit einem Puff verdienen können“, | |
sagt sie, wir trinken einen Kaffee. | |
## „Wie wäre es mit einer Genossenschaft?“ | |
Heute ist das anders. Weber hat zwei Jahre gebraucht, bis sie | |
Räumlichkeiten für ihr Domina-Studio fand. Sie spricht über städtische | |
Kerngebiete, Milieuschutz, Baurecht, Vermieter, die sich vor einer | |
Abwertung ihrer Immobilie fürchten, über Brandschutz, dann geht es um die | |
Beschäftigungsverhältnisse der Frauen, um die AG Rotlicht der | |
Steuerfahndung, alles sehr interessant, aber zu wenig Platz hier. | |
Mir schwirrt der Kopf. „Falls die Stadtplanung mitmacht, könntet ihr in der | |
taz übrigens problemlos ein Bordell eröffnen“, sagt sie. Ja freilich, dann | |
würde unser Riesenpenis an der Hauswand endlich Sinn ergeben. | |
Als wir alle administrativen Fragen durch haben, bleibt die Frage: Was, | |
beim heiligen Dionysos, ist ein ökosoziales Puff? | |
„Wie wäre es mit einer Genossenschaft?“, frag ich. In so ein Bordell geht | |
auch der verantwortungsbewusste Hipster guten Gewissens. Johanna Weber | |
nickt. „Ja, ein selbstverwaltetes Bordell, das Frauen genossenschaftlich | |
führen, das müsste gehen“, sagt sie und schaut mich eine Weile an, als | |
müsste mir was auffallen. „Du verdienst damit halt nichts“, sagt sie. | |
Verflixt. Richtig. Ich bin KEINE Frau. Ich hab DIE Marktlücke gefunden, | |
aber wenn ich nach ihr greife, zerplatzt sie wie ein Luftballonpenis. | |
Taz.fickich würde mir persönlich echt nichts bringen. | |
26 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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