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# taz.de -- Kolumne Millionär: Ich bin GR0110029312/A1ZL72
> Finanzjournalismus embedded: Von dem Versuch, griechische Staatsanleihen
> zu kaufen – und dem Gefühl, sich in Schleim zu verwandeln.
Bild: Wer hohe Renditen einfährt, ist glücklich wie ein Oger im Schleimbad.
Ich nenne ihn Shuji Nagai. Er wohnt in Tokio. Shuji war erst wagemutig,
jetzt hat er Panik. So stelle ich mir das vor, in meinem
Gedankenexperiment, das dem Kapitalismus ein Gesicht geben soll. Genau
genommen sitze ich an meinem Rechner und versuche, griechische
Staatsanleihen in Japan zu kaufen. Man schaut niemandem dabei in die Augen.
Nur in meiner Phantasie sitzt irgendwo Shuji.
Die Staatsanleihe, die ich kaufen will, hört auf den Namen ISIN/WKN
XS0078057725/269221, für Freunde: 269221. Sie wird in Frankfurt gehandelt.
269221 muss in Beträgen gekauft werden, die ein vielfaches von 10.000.000
Yen sind, weil sie einst eine japanische Bank, Versicherung, ein Fonds oder
mein lieber Shuji gekauft hat. Restlaufzeit 2 Jahre, Ich muss nur 51,8
Prozent des Wertes bezahlen.
Wenn Griechenland also nicht pleite geht oder die privaten Gläubiger
geschont werden, verdoppelt sich meine Kohle in zwei Jahren. Ein Investment
für jemanden, der schnell Millionär werden will, echt Eier in der Hose hat
oder sich denkt: Ich Investor, du Steuerzahler, du mich retten.
Aber hier soll es heute nicht nach meinem Streben nach Reichtum gehen,
sondern um: Finanzjournalismus embedded. In Sachen Griechenland wird ja
wahlweise moralisch (Schuld, Sühne & Hausaufgaben), systemisch (Schutz der
Eurozone), historisch (we are family) oder ökonomisch (Paul Krugman
zitieren geht immer) argumentiert. Bei all dem heftigen öffentlichen Ringen
und meist Würgen um Deutungshoheit schnurzelt doch alles auf die Frage
zusammen, wie Griechenland wieder für die Finanzmärkte aufgehübscht werden
kann. Außer bei Kommunisten (Systemumsturz) und Nationalisten
(Arschgeigen).
Wenn nun die Finanzmärkte, sagen wir eine Art metaphysischen Schleim
bilden, der die Erdoberfläche zwei Zentimeter Dick überzieht und jeden, der
zwangsweise darin herumstackst langsam in die Ohren kriecht, dann will ich
wissen, wie es ist, SCHLEIM ZU SEIN. Von außen schwer verständlich, ist
aber im Grund wie die Taufe im Heilgen Geist oder Drogenkonsum: muss man
erleben.
## Geil, 100 Prozent Rendite
Aufmerksame Rechner werden schon denken: 10.000.000 Yen Mindesteinsatz, nur
um Schleim zu sein? Richtig, das sind 73.000 Euro und guess what: hab ich
nicht. Verzweifelt telefoniere ich eine Stunde lang mit meiner Bank, aber
da ist nichts zu machen, kleinere Beträge gehen nicht. Dann erklicke ich
mir GR0110029312/A1ZL72. Nix mit Yen. Auch griechische Staatsanleihen, zwei
Jahre Laufzeit, in Euro. Man muss mindestens einen Nennwert von 1.000 Euro
kaufen. Das ist ziemlich krank, für eine Kolumne so viel Kohle... aber
egal. Ich biete 550 Euro in zwei Jahren wären es mit Glück 1.000. Zittere
als ich den Pin eingebe, der alles unumgänglich macht. Klick: „Erfassung
nicht möglich. Kurs ausgesetzt”.
Puh. Nach gescheitertem Kaufversuch stelle ich mir vor, wie ich nach Athen
geflogen wäre: He, ich bekomme einen Tausender von euch, aber wisst ihr
was? Ich nehme einfach die 550, ist fairer. Shuji Nagai wäre auch dabei
gewesen. Wobei: Die Betonung liegt auf NACH gescheitertem Kaufversuch.
Davor dachte ich: Geil, 100 Prozent Rendite.
Jetzt gehe ich Ohren putzen. Da ist Schleim drin.
8 Jul 2015
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Millionär
Staatsanleihen
Griechenland
Rendite
Millionär
Sex
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