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# taz.de -- Porträt Husni Mubarak: Drei Jahrzehnte an der Macht
> Attentatsversuche, Krankheit und islamistisches Aufbegehren hat Mubarak
> unbeschadet überstanden. Jetzt verweigert ihm sein Volk nach drei
> Jahrzehnten die Gefolgschaft.
Bild: Mubarak während einer Rede am 1.Mai 1982.
KAIRO taz | Die Sterne standen stets günstig für den modernen Pharao,
zumindest in der staatlichen ägyptischen Tageszeitung al-Gumhuriya. Anders
als bei den anderen Sternzeichen mit ihrem täglich wechselndem Auf und Ab
fanden sich dort unter dem präsidialen Horoskop des Stieres immer nur
huldigende Prophezeiungen "Deine Taten sind heute ehrlich, und was du
sagst, ist einfach wunderbar", hieß es so oder so ähnlich, egal an welchem
Wochentag. So wurde das ägyptische Staatsoberhaupt Husni Mubarak jeden Tag
der Woche nicht nur auf den Titelseiten der staatlich gelenkten Presse
gepriesen.
Doch nun befindet sich sein Stern im freien Fall, und um im Universum zu
bleiben: Seine letzten Auftritte erschienen eher von einem anderen
Planeten, Galaxien von seinem Volk entfernt, das ihm nach 30 Jahren
Herrschaft kollektiv die Gefolgschaft verweigert.
Eigentlich hatte man in den letzten Jahren eher ein anderes Ende Mubaraks
vermutet. Immer wieder war über den Gesundheitszustand des 82-Jährigen
spekuliert worden. Dass sein 12-jähriger Lieblingsenkel überraschend im Mai
2009 starb, hatte Mubarak sichtlich mitgenommen.
Völlig teilnahmslos empfing er wenige Tage darauf Barack Obama zu dessen
historischer Islamrede in Kairo. Neben dem jungen US-Präsidenten wirkte der
apathische Mubarak wie eine steinerne Sphinx. Ganz Ägypten spekulierte
daraufhin, dass Mubarak zumindest mit seinem politischen Leben
abgeschlossen habe.
Viele Ägypter hatten bereits 2003 gedacht, es sei so weit, als Mubarak bei
einer Rede vor dem Parlament zusammengebrochen war. Zahlreich waren die
Gerüchte, dass er regelmäßig ins Koma falle. Krankenhausaufenthalte in
Deutschland und in Frankreich heizten die Gerüchteküche an. Aber ebenso
häufig kamen die offiziellen Dementis. "Meinem Mann geht es wie einer
blühenden Jasminblüte", versuchte Ägyptens First Lady Susanne Mubarak im
August 2007 blumig alle Bedenken zu zerstreuen. Doch sein wahrer
Gesundheitszustand wurde wie ein militärisches Staatsgeheimnis gehütet.
Einher damit ging stets die Sorge der Ägypter darüber, wie es weiter geht,
wenn der Mann, der drei Jahrzehnte an der Spitze des Staates stand, einmal
nicht mehr die Geschicke ihres Landes lenkt. Viele wollten ihn loswerden.
Farblos, ohne Visionen, manchmal etwas tölpelhaft, am Ende eben doch mit
der Mentalität eines ägyptischen Fellachen, galt er aber auch als ein eher
unspektakulärer Garant für Stabilität.
Trotz seines nicht zimperlich agierenden Geheimdienstapparates, der ihm
mehr als alle inszenierten Scheinwahlen die Macht in seinem korrupten Staat
absicherte, war er für viele an den Ufern des Nils vielleicht doch noch
besser als alles Unbekannte, das in Zeiten benachbarter nahöstlicher
Konflikte nach ihm lauert. Das galt umso mehr, als die meisten Ägypter nur
ein Leben unter Mubaraks Herrschaft kennen. Mehr als die Hälfte der
Bevölkerung ist unter 20 Jahre alt.
Spätestens mit der Revolte in Tunesien war auch ein anderes Szenario ad
acta gelegt: Die Versuche, seinen Sohn Gamal als pharaonischen Thronfolger
zu etablieren. Diese waren ohnehin immer zweideutig geblieben und offiziell
niemals abgesegnet worden. Da war wohl auch das Militär davor, das in der
Republik Ägypten gerne selbst ausklüngelt, wer die Staatsgeschäfte lenken
darf, und aus eigenem Machterhaltungstrieb skeptisch auf alle dynastischen
Anwandlungen blickt.
Mubarak selbst entsprang zunächst dieser Logik. Er entstammte einer
klassischen Mittelschichtfamilie aus der nördlich von Kairo gelegenen
grünen Nildeltaprovinz Monuifija, die damals zeitgemäß im Militär die beste
Karriereleiter für den jungen Husni sah. Der durchlief eine traumhafte
Karriere an der nationalen Militärakademie, kam zur Luftwaffe.
Wurde zwei Jahre nach der Niederlage gegen Israel 1967 in das Kommando der
Luftwaffe berufen und 1972 zum Luftwaffenchef und Vizekriegsminister
erkoren. Drei Jahre später ernannte ihn sein Mentor, der damalige Präsident
Anwar al-Sadat, zum Vizepräsidenten.
Anders als seine eher wenig aufsehenerregende Persönlichkeit, waren die
Umstände von Mubaraks Amtsantritt spektakulär oder besser gesagt, das Ende
seines Vorgängers war es. Sadat wurde am 6. Oktober 1981 bei einer
Militärparade in Kairo von einer Gruppe militanter Islamisten auf der
Tribüne erschossen.
Acht Tage nach der Ermordung Sadats übernahm dessen Stellvertreter Mubarak
mit wesentlich weniger Charisma und kaum internationalem Bekanntheitsgrad
das Staatsszepter. Es hätte trotz seiner vorherigen Ernennung zum
Vizepräsidenten ganz anders kommen können. Mubarak saß bei der besagten
Militärparade direkt neben seinem Vorgänger Sadat, als die heiligen Krieger
der radikal-islamistischen Dschihad-Gruppe von der Parade aus die Tribüne
unter Beschuss nahmen. Der damals 53-jährige Mubarak blieb wie durch ein
Wunder unversehrt.
Fünf Anschläge
Er sollte noch fünf weitere Anschläge auf sein Leben überstehen. Mal drehte
sein geistesgegenwärtiger Fahrer bei einem Staatsbesuch im Juni 1995 in der
äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gerade noch bei, als seine
Fahrzeugkolonne in einen Hinterhalt militanter Islamisten geriet. Mal
entdeckten die Sicherheitskräfte nur durch Zufall, dass die Landebahn, auf
der das präsidiale Flugzeug herunterkommen sollte, vermint worden war.
Mubaraks massig anmutender Körperbau war auch der schusssicheren Weste
unter seinem Anzug geschuldet, ohne die er nie in der Öffentlichkeit
auftrat.
Obwohl teilweise in der Sowjetunion als Pilot ausgebildet, baute Mubarak
konsequent die Position des bevölkerungsreichsten arabischen Lands als
wichtigster arabischer Verbündeter der USA aus. Der Höhepunkt dieser
Politik war im Irakkrieg 1991 erreicht, als Mubarak gegen Saddam Hussein
ägyptische Truppen zur Befreiung des von den Irakern besetzten Kuwait ins
Feld schickte.
Ein Schritt, der sich für Ägypten finanziell mit einem Schuldenerlass von
20 Milliarden Dollar und einer weiteren Umschuldung in selber Höhe damals
ausgezahlt hatte. Mubarak hatte schnell seine Chance erkannt, als
Washington verzweifelt nach einem arabischen Alliierten gegen Saddam
suchte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, über ein Jahrzehnt später George
W. Bush vor dem nächsten Feldzug gegen Saddam 2003 in weiser Voraussicht
energisch vor dem Chaos zu warnen, das in der Region ausbrechen werde.
Den von seinem Vorgänger begonnenen kalten Frieden mit Israel erhielt
Mubarak aufrecht und widersetzte sich dem Druck der arabischen öffentlichen
Meinung, die zur Unterstützung der zwei palästinensischen Intifadas immer
wieder einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Israel gefordert
hatte. Aber es blieb ein unterkühltes Verhältnis.
Nur ein einziges Mal, zur Beerdigung des ermordeten israelischen Premiers
Jitzhak Rabin, reiste Mubarak in sein kontroverses Nachbarland. So konnte
sich der ägyptische Präsident immer wieder als ehrlicher Makler im
Nahostkonflikt präsentieren, das letzte Mal, um einen Waffenstillstand im
Gazakrieg zu erreichen oder indem er an der Freilassung des von der Hamas
gefangen genommenen israelischen Soldaten Schalit arbeitete.
International schärfte Mubarak gerade mit dieser Vermittlerrolle sein
Profil, während er innenpolitisch in den letzten Jahren seinem Land wenig
neue Impulse brachte. Dort versuchte Mubarak die Islamisten im Zaum zu
halten, indem er den Moderaten unter ihnen einen halb legalen Status
verlieh, der es den Muslimbrüdern ermöglichte, bei den letzten Wahlen,
trotz massiven staatlichen Wahlbetrugs ein Fünftel der Parlamentssitze zu
gewinnen.
Doch Ägyptens Parlament hat nur begrenzten Einfluss, alle wichtigen
Entscheidungen wurden stets vom Präsidenten selbst per Dekret beschlossen.
Das noch aus Sadats Zeiten stammende Notstandsgesetz hat es Mubarak immer
wieder ermöglicht, die Daumenschrauben gegen die Muslimbrüder anzuziehen,
ihre Kader zu verhaften und sie durch Militärgerichte ohne faire Prozesse
aburteilen zu lassen.
Bollwerk gegen Islamisten
Nach außen und innen verkaufte Mubarak sein Regime immer als Bollwerk gegen
die Islamisten. "Entweder ich oder die Islamisten", lautete die
Marketing-Grundlage. In Wirklichkeit hatte er, ohne eigenes säkulares
nationales Projekt, den Islamisten gesellschaftlich längst das Feld
überlassen. Sie durften Straße und Moscheen regieren, solange sie nicht die
Machtfrage stellten. Zeigte sich für Letzteres nur das kleinste Anzeichen,
trat der Sicherheitsapparat in Aktion.
Unterdessen machte eine Gruppe superreicher Geschäftsleute im Schatten des
Regimes oder besser gesagt von Mubarak protegiert ihre Geschäfte, darunter
auch seine beiden Söhne Gamal und Alaa. Zahlreich sind die Witze über die
Korruption rund um Mubarak, wie beispielsweise der folgende: Alaa wird zur
Mercedes-Vertretung in Kairo eingeladen.
"Für nur zwei Euro können sich Eure Exzellenz eine Luxuslimousine
aussuchen", bietet der Mercedes-Verkäufer seine Bestechungsgabe an. Der
Präsidentensohn zückt einen 10 Euro Schein. "Ich habe aber kein
Wechselgeld", entschuldigt sich der Mercedesvertreter. "Macht nichts",
entgegnet Alaa, "dann nehme ich gleich fünf Fahrzeuge."
Mubarak ist zeit seines politischen Lebens auf dem Reformohr taub
geblieben. Er wusste wie alle arabischen Regime nur zu gut: Ernsthafte
Reformen bedeuten in letzter Konsequenz, sich selbst wegzureformieren. Es
gab in den letzten 50 Jahren keinen einzigen arabischen Führer, der
abgewählt wurde. Veränderungen waren entweder biologischer Natur und wurden
mit dem Tod des Staatsoberhaupts eingeleitet, mit einem Militärputsch oder
mit einer ausländischen Intervention. Das war vor der neuen tunesischen
Zeitrechnung. Nach dem Diktator Ben Ali ist Mubarak nun das zweite Opfer
eines neuen arabischen Selbstbewusstseins. Im Zentrum Kairos, am Platz der
Befreiung, schlägt des Pharaos letzte politische Stunde.
2 Feb 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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