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# taz.de -- Proteste in Ägypten: Straßenkampf in Kairo
> Gegner und Anhänger Mubaraks prügeln in Kairo aufeinander ein. Hunderte
> Menschen sollen verletzt worden sein. Tränengas wurde eingesetzt und
> Schüsse in die Luft gefeuert.
Bild: Die Situation in Kairo eskaliert am Mittwochnachmittag. Hunderte Menschen…
KAIRO/BERLIN dapd/taz | Nach tagelangen Demonstrationen ist die Gewalt auf
dem Tahrir-Platz in Kairo eskaliert: Zwischen Anhängern und Gegnern von
Präsident Husni Mubarak kam es zu Schlägereien, es flogen Steine und
Flaschen, andere hatten Stöcke oder Eisenstangen. Mehrere tausend
Mubarak-Anhänger hatten zuvor teilweise auf Pferden und Kamelen den Platz
gestürmt und auf die Demonstranten eingeschlagen. Diese wehrten sich und
zogen die Reiter von den Tieren.
Die Opposition erklärte, unter den Angreifern seien viele Polizisten in
ziviler Kleidung gewesen. Das Innenministerium ließ dies über das
Staatsfernsehen dementieren. Am Nachmittag rückten einige Panzer auf den
Platz vor.
Der Sender al-Dschasira berichtete, ein Journalist von al-Arabija sei
niedergestochen worden. Ein anderer Reporter sah, wie rund 3.000
Regierungsanhänger eine Menschenkette durchbrachen, die Demonstranten zum
Schutz der Menschen auf dem Platz gebildet hatten. Die Angreifer rissen
Plakate nieder, auf denen Mubarak kritisiert wurde, und schlugen mit
Stöcken und Peitschen auf die Demonstranten ein.
Von Hausdächern warfen Männer große Steinbrocken, Stühle und andere
Gegenstände auf die Menschen auf dem Platz. Es waren viele Menschen mit
blutigen Gesichtern zu sehen, einige Männer und Frauen weinten. Wie viele
Menschen verletzt wurden, war zunächst nicht bekannt, die Rede war von
Hunderten.
Es kam zu chaotischen Szenen und zu Panik, als die Demonstranten auf dem
Platz in alle Richtungen flohen, um den Angreifern zu entkommen.
Soldaten griffen nicht ein
Zuvor hatten Soldaten den Platz bewacht und beide Lager voneinander
getrennt. Als die Zusammenstöße begannen, griffen sie jedoch nicht ein,
sondern verschanzten sich in oder hinter ihren Schützenpanzern an den
Zugängen zum Platz. Am Nachmittag gab es Berichte, nach denen Schüsse
gefallen seien.
Die Mubarak-Anhänger waren am Vormittag vom Rundfunk- und Fernsehgebäude in
der Niluferstraße Richtung Tahrir-Platz gezogen. Sie riefen Parolen wie
"Das Volk will Mubarak", "Wir sind die schweigende Mehrheit", "Dreißig
Jahre Stabilität - neun Tage Chaos" oder "Eine Million gegen Mubarak - 82
Millionen für Mubarak". Im staatlichen Fernsehen wurden Bilder von beiden
Demonstrationen gezeigt. In den Vortagen standen Sicherheitsfragen im
Mittelpunkt der Berichterstattung.
Der Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei verurteilte den Sturm auf
den Tahrir-Platz. Das Vorgehen der Mubarak-Anhänger sei "ein weiteres
Anzeichen, dass sich ein kriminelles Regime krimineller Methoden bedient",
sagte er dem BBC-Hörfunk. "Ich habe Sorge, dass es in einem Blutbad endet."
Die Pro-Mubarak-Demonstranten seien ein "Haufen Schläger".
Die Streitkräfte forderten nach dem angekündigten Rückzug von Mubarak ein
Ende der Demonstrationen. Ein Militärsprecher sagte, die Botschaft der
Demonstranten sei angekommen, ihre Forderungen seien bekannt. Jetzt müsse
das normale Leben im Land wiederhergestellt werden. Die Streitkräfte
forderten, die Demonstranten müssten sich "aus Liebe zu Ägypten"
zurückziehen.
Die Äußerungen der Streitkräfte waren ein Anzeichen dafür, dass die
Demonstranten die Unterstützung des Militärs verlieren könnten. Noch am
Montag hatte die militärische Führung vorsichtige Unterstützung
signalisiert und erklärt, sie werde keine Gewalt gegen friedliche
Teilnehmer der Protestaktionen anwenden.
Zu den Kundgebungen der Mubarak-Anhänger kamen in Kairo und in Alexandria
Tausende. Es könnte ein Versuch der drei Millionen Mitglieder zählenden
Nationaldemokratischen Partei von Mubarak sein, die Initiative wieder
zurückzuerlangen. Auch in Alexandria kam es nach Berichten des Senders
al-Dschasira zu Auseinandersetzungen zwischen beiden Seiten.
Angst vor Lebensmittelknappheit
Einige Anhänger Mubaraks äußerten die Befürchtung, dass es zu einer
anhaltenden Lebensmittelknappheit kommen könnte, wenn die Demonstrationen
weitergingen. Einer der Organisatoren der Proteste, Ahmed Abdel Hamid,
sagte dagegen, mit der Schließung der Banken und der Lebensmittelknappheit
wolle das Regime Druck auf die Demonstranten ausüben. Vor Tankstellen und
Bäckereien bildeten sich bereits lange Schlangen, frisches Gemüse gab es in
Kairo praktisch nicht mehr zu kaufen.
Mubarak hatte am Dienstagabend in einer zehnminütigen Fernsehansprache
angekündigt, dass er im September nicht mehr bei der Präsidentenwahl
kandidiert. Die Forderung von Hunderttausenden Demonstranten, sofort
zurückzutreten, lehnte er aber ab. Mubarak erklärte, er habe nie die
Absicht gehabt, im September für eine weitere sechsjährige Amtszeit zu
kandidieren.
"Ich werde die verbleibenden Monate dafür arbeiten, die notwendigen
Schritte für einen friedlichen Transfer der Macht einzuleiten." Einen Gang
ins Exil lehnte er ab. Führende Mitglieder seiner Nationaldemokratischen
Partei gaben nach der Rede öffentliche Stellungnahmen ab, in denen sie
andeuteten, nur die Regierung könne Ägypten zurück auf den Weg zu
Stabilität und Sicherheit führen.
Hunderttausenden Demonstranten war Mubaraks Verzicht auf eine weitere
Kandidatur zu wenig. Sie forderten nach der Rede weiter den Rücktritt des
Staatschefs bis Freitag und riefen: "Verschwinde, verschwinde,
verschwinde", buhten und schwenkten Schuhe über ihren Köpfen in Richtung
eines Mubarak-Porträts.
2 Feb 2011
## AUTOREN
Beate Seel
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