# taz.de -- US-Reaktion auf Proteste in Ägypten: Die Wende von Washington | |
> US-Präsident Barack Obama telefoniert eine halbe Stunde lang mit Ägyptens | |
> Präsident. Er fordert von Husni Mubarak einen ordentlichen Übergang. Und | |
> zwar: "Jetzt". | |
Bild: Dies ist der "Anfang eines neuen Kapitels in der vieltausendjährigen Ges… | |
WASHINGTON taz | "Der Übergang muss ordentlich sein, sinnvoll und | |
friedlich. Und er muss jetzt beginnen." Diese Worte benutzt Barack Obama in | |
seiner zweiten Erklärung binnen fünf Tagen zur Lage in Ägypten. Das ist | |
eine Veränderung im Ton. Bei seiner vorausgegangenen Erklärung hat der | |
US-Präsident nur von einer "Wende" gesprochen. Seither hat er die Betonung | |
verlagert. Auf: "Jetzt". | |
In der Zeit zwischen beiden Ansprachen ist Obamas Emissär Frank Wisner bei | |
dem ägyptischen Präsidenten angekommen. 24 Stunden nach dessen Ankunft | |
erklärt Husni Mubarak am Dienstag, er werde nicht erneut kandidieren. Auch | |
das ist eine Veränderung. Freilich liegen zwischen beiden Plänen viele | |
Monate: Mubarak will sich bis zu den Wahlen im Herbst an die Macht | |
klammern. | |
Der Eindruck aber bleibt, dass Washington von den Ereignissen bei seinem | |
wichtigsten Verbündeten in der arabischen Welt überrumpelt wurde. Und das, | |
obwohl Obama im Jahr 2009 in Kairo in einem aufsehenerregenden Vortrag für | |
mehr Transparenz plädiert hat. | |
Nach einem anfänglichen Plädoyer von Außenministerin Hillary Clinton für | |
die Stabilität in Ägypten verschärft der Präsident den Ton, nachdem die | |
Demonstrationen weitergehen. Barack Obama mandatiert Clinton, das | |
Management in der schwersten außenpolitischen Krise seiner bisherigen | |
Amtszeit zu übernehmen. | |
Clinton, die sich vor einigen Monaten als "Freundin der Familie Mubarak" | |
bezeichnet hat, gibt am Sonntag nacheinander fünf US-Fernsehsendern ein | |
Interview zu Ägypten. Darin erklärt sie, dass die Zeit für den "friedlichen | |
Übergang zu echter Demokratie" gekommen ist. | |
Gleichzeitig steigt am Sonntag Frank Wisner ins Flugzeug. Der 72-Jährige | |
war ab 1986 einige Jahre US-Botschafter in Kairo und ist seither ein Freund | |
von Mubarak geblieben. Er soll dem Diktator die neue Linie von Washington | |
nahe bringen. Einen Tag nach der Landung von Wisner in Kairo sagt Mubarak | |
im ägyptischen Fernsehen, dass weder er noch sein Sohn erneut kandidieren | |
werden. | |
Im Weißen Haus hat Obama die Mubarak-Ansprache live mit seinen BeraterInnen | |
angeschaut. Kurz danach telefonierte der US-Präsident mit seinem | |
82-jährigen ägyptischen Kollegen. Dann tritt er selbst vor die Kameras. | |
Dabei spricht Obama schon nicht mehr über Mubarak, sondern richtet sich | |
direkt an das ägyptische Volk: "Wir hören eure Stimme", sagt er "vor allem | |
die der jungen Leute von Ägypten." Obama spricht von dem "Anfang eines | |
neuen Kapitels in der vieltausendjährigen Geschichte Ägyptens" und lobt den | |
"Patriotismus" und den "Professionalismus" der ägyptischen Armee. | |
Am Mittwoch kommen massiv Pro-Mubarak-Schlägertrupps ins Zentrum von Kairo. | |
Als einige von ihnen den Starreporter von CNN, Anderson Cooper, mit | |
Schlägen auf den Kopf attackieren, scheint die US-Administration wieder von | |
den Ereignissen überrollt zu sein. | |
Hinter den Kulissen in Washington tobt ein Streit über die Haltung | |
gegenüber dem Regime in Ägypten. Brent Scowcroft, dereinst | |
Sicherheitsberater der Präsidenten Gerald Ford und George Bush senior, sagt | |
bei einer Diskussionsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung, wenn er | |
dem Präsidenten der USA einen Rat erteilen sollte, dann diesen: "langsam | |
vorgehen". Doch auch der pensionierte General Scowcroft teilt Obamas | |
Vertrauen in die ägyptische Armee. "Dorthin haben wir gute Beziehungen", | |
sagt er. Diese Kontakte halten an. | |
Omar Suleiman, der neue (und erste) ägyptische Vizepräsident, hat als | |
Geheimdienstchef eng mit der CIA zusammengearbeitet. Unter anderem bei | |
Verhören von Terrorismusverdächtigen, die nach Ägypten geflogen wurden. Und | |
in der vergangenen Woche, als in Kairo die ersten massiven Demonstrationen | |
stattfanden, war eine hochrangige ägyptische Militärdelegation unter | |
Führung von General Sami Hafez Enan, Stabschef der Streitkräfte, beim | |
alljährlichen Treffen im Pentagon zu Gast. Sie reiste am Samstag vorzeitig | |
nach Ägypten zurück. | |
2 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
US-Politologin Bennis über US-Außenpolitik: "Israel braucht unseren Schutz ni… | |
Die USA müssen sich für ihre Politik gegenüber Ägypten entschuldigen, sagt | |
die Politologin Phyllis Bennis. Und akzeptieren, wenn bei freien Wahlen | |
islamische Kräfte siegen. | |
Landwirtschaft, Tourismus, Rohstoffe: Ägypten kann ohne Europa nicht sein | |
Die Produktion deutscher Unternehmen in Ägypten steht zurzeit still. Der | |
Erfolg einer demokratischen Revolution liegt auch in der Hand des | |
wichtigsten Handelspartners: Europa. | |
Proteste in Ägypten: Blutiger Machtkampf auf der Straße | |
Ägypten kommt nicht zur Ruhe. In der Nacht gab es blutige | |
Auseinandersetzungen, mehrere Menschen sollen dabei gestorben sein. Doch | |
die Demonstranten bleiben auf dem Tahrir-Platz. | |
Kommentar Ägypten: Der Machtkampf eskaliert | |
Mubarak hat mit seiner Rede seine Chance für einen würdigen Abgang vertan. | |
Die Gewaltszenen in Kairo sind die Folge. Zu befürchten ist, dass die Armee | |
ihre Haltung ändert. | |
Proteste in Ägypten: Straßenkampf in Kairo | |
Gegner und Anhänger Mubaraks prügeln in Kairo aufeinander ein. Hunderte | |
Menschen sollen verletzt worden sein. Tränengas wurde eingesetzt und | |
Schüsse in die Luft gefeuert. | |
Porträt Husni Mubarak: Drei Jahrzehnte an der Macht | |
Attentatsversuche, Krankheit und islamistisches Aufbegehren hat Mubarak | |
unbeschadet überstanden. Jetzt verweigert ihm sein Volk nach drei | |
Jahrzehnten die Gefolgschaft. | |
Politologe übers Kräfteverhältnis in Ägypten: "Die Armee hilft uns" | |
Noch spielt das Militär eine wichtige Rolle. Aber auch das wird sich | |
erledigen, meint der Politologe Amr Hamzawy, der am Tahrir-Platz | |
protestierte. An eine islamistische Wende glaubt er nicht. | |
Kommentar Ägypten und Islamismus: Schreckgespenst Islamismus | |
Das Mubarak-Regime behauptet, die Revolution könnte islamistisch kippen. | |
Das geht in Ägypten nicht auf – aber in Europa. Dabei wird sich Teheran | |
1979 nicht wiederholen. |