# taz.de -- Aufstand in Ägypten: Straßenschlachten werden heftiger | |
> Gegner und Anhänger von Präsident Mubarak gehen in Kairo aufeinander los. | |
> Erstmals greift das Militär in das Geschehen ein. Vizepräsident Omar | |
> Suleiman lädt zu Gesprächen ein. | |
Bild: In Kairo fliegen wieder Steine. | |
KAIRO rtr/dpa/afp/dapd | Die Gewalt in Kairo flammte am | |
Donnerstagnachmittag wieder auf. Anhänger und Gegner von Präsident Husni | |
Mubarak lieferten sich heftige Straßenschlachten, die bis in den frühen | |
Abend anhielten. Nach Angaben von Rettungskräften und einem Augenzeugen | |
soll auf dem Tahrir-Platz in Kairo ein Ausländer zu Tode geprügelt worden | |
sein. Demnach befand er sich dort, wo Gegner und Anhänger von Mubarak | |
aufeinander prallten. Angeblich soll es dort auch zu einem Feuergefecht | |
gekommen sein. Aus anderen Teilen der Stadt wurden Brände berichtet. | |
Die ägyptische Armee hatte zuvor versucht, die seit Mittwochnachmittag | |
andauernden Kämpfe zu beenden. Soldaten hätten sich zwischen beide Gruppen | |
geschoben und schafften eine 80 Meter breite Pufferzone. Die Armee hatte | |
damit erstmals seit dem Ausbruch der Gewalttätigkeiten ihre passive Haltung | |
aufgegeben. | |
Laut dem Nachrichtensender BBC sind bei den Zusammenstößen in Kairo | |
inzwischen fünf Menschen ums Leben gekommen, dies habe der | |
Gesundheitsminister Ahmed Samih Farid mitgeteilt. 836 Menschen seien | |
verletzt worden, die meisten von Steinwürfen. | |
Vizepräsident gibt Interview | |
Das Regime in Kairo hat erstmals die verbotene islamistische | |
Muslimbruderschaft zu Gesprächen eingeladen. "Ich habe sie kontaktiert, ich | |
habe sie eingeladen, aber sie zögerten noch, in einen Dialog einzutreten", | |
sagte der ägyptische Vizepräsident Omar Suleiman am Donnerstagabend im | |
staatlichen Fernsehen. "Es ist in ihrem Interesse, in diesen Dialog | |
einzutreten, sie würden sonst eine große Gelegenheit versäumen", fügte er | |
hinzu. | |
Die Muslimbruderschaft gilt als die größte Oppositionsbewegung in Ägypten. | |
An den Protesten gegen das Regime auf dem Tahrir-Platz nehmen ihre | |
Mitglieder teil, als Organisation zeigt sie aber dort nicht Flagge. | |
Vertreter der Muslimbruderschaft hatten zuletzt erklärt, mit Suleiman erst | |
reden zu wollen, wenn Präsident Husni Mubarak zurückgetreten ist. Der | |
Vizepräsident war am Donnerstag mit Vertretern mehrerer kleiner | |
Oppositionsgruppen zusammengetroffen. | |
In dem Fernseh-Interview bekräftigte er, dass Mubarak im Amt bleiben müsse, | |
da es Zeit brauche, um die nächste Präsidentschaftswahl im September | |
vorzubereiten. Mubarak hatte am Dienstag angekündigt, nach 30 Jahren an der | |
Macht bei dieser Wahl nicht mehr anzutreten. | |
Der ägyptische Oppositionsführer Mohamed el-Baradei lehnt das | |
Verhandlungsangebot der Regierung ohne Vorbedingungen unterdessen ab. | |
El-Baradei fordert, zuerst müsse Mubarak sein Amt niederlegen. Weiter sagte | |
el-Baradei, vor jedweder Verhandlung müsse die Sicherheit auf dem | |
Tahrir-Platz im Zentrum Kairos wiederhergestellt werden. Ein Sprecher der | |
einflussreichen oppositionellen Muslimbruderschaft lehnt Vereinbarungen ab, | |
die sich aus Verhandlungen mit der Regierung ergeben könnten. | |
Ausreiseverbot für Minister | |
Die ägyptische Staatsanwaltschaft hat ein Ausreiseverbot für mehrere | |
ehemalige Minister und Beamte verhängt, darunter den Anfang der Woche | |
abgelösten Innenminister Habib al-Adli. Wie die amtliche Nachrichtenagentur | |
Mena am Donnerstag berichtete, sagte Staatsanwalt Abdel Meguid Mahmud, es | |
werde gegen Adli, gegen den früheren Tourismusminister Soheir Garranah, den | |
früheren Wohnungsminister Ahmed al-Maghrabi und Ahmed Ess ermittelt, ein | |
führendes Mitglied der Regierungspartei. | |
Diese dürften nicht ausreisen. Zudem seien ihre Bankkonten eingefroren | |
worden. Diese Maßnahmen würden gelten, bis die Sicherheit wiederhergestellt | |
sei und die Behörden Ermittlungen hätten vornehmen können, wer für die | |
vergangenen Ereignisse verantwortlich sei, sagte der Staatsanwalt. Der neue | |
Ministerpräsident Schafik bestätigte die Aufnahme von Ermittlungen gegen | |
den ehemaligen Innenminister. Dieser war wegen seiner Rolle bei der | |
Unterdrückung der Proteste in den ersten Tagen des Aufstands bei der | |
Kabinettsumbildung am Montag von seinem Posten abgelöst worden. Shafik | |
entschuldigte sich für die Gewalt, sie sei ein "fataler Fehler". "Sobald | |
Ermittlungen ergeben, wer für diese Verbrechen verantwortlich ist, werden | |
sie dafür bestraft, das verspreche ich", sagte er. | |
Schafik beklagte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz, er verfüge nicht | |
über genügend Polizisten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Nachdem die | |
Armee die Polizei auf den Straßen abgelöst habe, seien viele Polizisten in | |
ihre Dörfer zurückgekehrt. Es gelinge nun nicht, sie zur Rückkehr zu | |
bewegen. Zugleich sagte er, den Demonstranten stehe es frei, auf dem | |
Tahrir-Platz im Zentrum Kairos zu bleiben, doch werde dies ihnen "nichts | |
Neues" bringen. Vizepräsident Omar Suleiman kündigte die Bestrafung aller | |
Personen an, die an Gewalttaten auf dem Tahrir-Platz beteiligt waren. | |
EU fordert raschen Machtübergang | |
Deutschland fordert gemeinsam mit anderen vier EU-Staaten einen raschen | |
Machtübergang in Ägypten. Die jüngsten Entwicklungen in dem arabischen Land | |
würden mit äußerster Besorgnis verfolgt, heißt es in einer gemeinsamen | |
Erklärung der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, | |
Großbritannien, Italien und Spanien. "Der Prozess des Übergangs muss jetzt | |
beginnen", lautet es in der Erklärung, die vom Büro des französischen | |
Präsidenten Nicolas Sarkozy veröffentlicht wurde. | |
"Wir beobachten mit größter Sorge, dass sich die Lage in Ägypten | |
verschlechtert. Es muss den Ägyptern frei stehen, ihr Recht auf | |
Versammlungsfreiheit auszuüben. Die Sicherheitskräfte müssen sie dabei | |
schützen. Angriffe auf Journalisten sind völlig inakzeptabel", heißt es in | |
dem Wortlaut. Weiter wird betont: "Wir verurteilen alle, die Gewalt ausüben | |
oder dazu ermuntern. Dies wird nur die politische Krise in Ägypten | |
verschlimmern." Nur ein zügiger und geordneter Übergang zu einer Regierung, | |
die sich auf eine breite Basis stützt, werde es ermöglichen, die | |
Herausforderungen, vor denen Ägypten heute stehe zu bewältigen. | |
3 Feb 2011 | |
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