# taz.de -- Cannes Cannes: Lars von Trier, Persona non grata | |
> Nach seinen provozierenden Äußerungen über Hitler erklärte das | |
> Filmfestival in Cannes den Regisseur Lars von Trier nun zur | |
> "unerwünschten Person". | |
Bild: Was faselt der Mann da? Etwas von einer "Endlösung mit Journalisten"? | |
Lars von Trier hat ein erstaunliches Talent, sich in der Öffentlichkeit zum | |
Idioten zu machen. Nachdem sein Wettbewerbsbeitrag "Melancholia" am | |
Mittwoch den Journalisten gezeigt worden war, redete er bei der | |
Pressekonferenz wirrer denn je. | |
Anfangs freuten sich viele der Anwesenden über die Bösartigkeiten, die er | |
von sich gab. Immer wieder wurde laut gelacht. Über Kirsten Dunst, die im | |
Film eine depressive Figur spielt und auf dem Podium links neben von Trier | |
saß, sagte der dänische Regisseur, sie wisse, was Depressionen seien. "Oder | |
hätte ich das jetzt nicht sagen sollen? Falls nicht: Vergessen Sie's | |
schnell!" | |
Dunst setzte der Indiskretion ein breites Lächeln entgegen, doch wenig | |
später, als von Trier begann, über sein nächstes Projekt zu plaudern, fror | |
ihr Gesicht für Augenblicke ein. Angeblich handelt es sich um einen | |
mehrstündigen Porno, Dunst spiele darin eine Hauptrolle, ihr stehe der Sinn | |
nach einem "echten Hardcore-Film" - "Wir wollen eine Menge unangenehmen Sex | |
auf der Leinwand zeigen." | |
Gegen Ende der knapp 40-minütigen Pressekonferenz fragte eine Journalistin | |
aus London von Trier nach den Einflüssen nationalsozialistischer Ästhetik | |
auf sein Filmwerk. "Ich dachte lange Zeit, ich sei Jude", antwortete von | |
Trier, "aber dann fand ich heraus, dass ich ein Nazi bin, denn meine | |
Familie war deutsch, Hartmann, das bereitete mir dann aber auch Vergnügen." | |
Dass Kirsten Dunst kurz nach seinem Arm griff, als wolle sie ihn schütteln, | |
hinderte von Trier nicht daran weiterzureden. "Was soll ich sagen, ich | |
verstehe Hitler." Er sei zwar alles andere als ein "guter Kerl", aber: "Ich | |
sympathisiere ein bisschen mit ihm, ja." Der Zweite Weltkrieg sei | |
selbstverständlich nicht gut gewesen, und: "Ich habe nichts gegen Juden, | |
nur gegen Susanne Bier" (Bier ist eine dänische Filmemacherin). Israel | |
freilich nerve. | |
## "Endlösung mit Journalisten" | |
Als von Trier merkte, wie sehr er sich verhaspelte, seufzte er: "Wie komme | |
ich hier nur wieder raus?" - und sagte dann: "Okay, ich bin ein Nazi." Ganz | |
am Ende brummelte er noch etwas von einer "Endlösung mit Journalisten". | |
Die Leitung des Festivals hat darauf am Mittwochabend mit einer knappen | |
Erklärung reagiert: Man sei "verstört von den Aussagen, die Lars von Trier | |
bei der Pressekonferenz" gemacht hat. "Der Regisseur sagt, er habe sich zu | |
einer Provokation anstacheln lassen, und er hat sich entschuldigt." Das | |
Festival hat diese Entschuldigung zwar anerkannt, betonte aber zugleich, | |
Äußerungen dieser Art und zu diesem Thema kein Forum zu bieten. | |
In der Donnerstagsausgabe der französischen Tageszeitung "Libération" war | |
über die Ausfälle von Triers nicht viel zu lesen, nur der bedauernde Satz, | |
dass die Dummheit des Regisseurs den Blick auf den Film verstelle. Es wäre | |
in der Tat dumm, schöben sich von Triers Dummheiten vor sein Oeuvre. Das | |
heißt nicht, dass "Melancholia" ein großer Wurf wäre, im Gegenteil, es ist | |
einer der schwächeren Filme Lars von Triers. Nur: Wer auf die Provokation | |
eingeht, sie für bare Münze nimmt, sie gar empörend findet, tut genau das, | |
worauf der Regisseur mit seinem Bullshit-Diskurs hinauswill: er gibt dem | |
Stänkerer Aufmerksamkeit. | |
Vor zwei Jahren sprach von Trier am selben Ort stotternd über seinen | |
damaligen Wettbewerbsfilm "Antichrist", über seine Depressionen und sein | |
Saufen. Wer sich daran erinnert, mag versucht sein, die Äußerungen vom | |
Mittwoch im Zusammenhang mit der psychischen Störung zu sehen. Aber das | |
wäre nichts anderes als eine unzulässige Ferndiagnose. | |
Hatte das Festival Triers Äußerungen zunächst kühl, aber gelassen | |
zurückgewiesen, verschärfte es gestern dann doch den Ton und griff zur | |
drastischen Maßnahmen. Die jüngsten Kommentare des Filmemachers, heißt es | |
in einer Erklärung, seien "nicht akzeptabel, nicht tolerierbar und stehen | |
im Gegensatz zu den Idealen der Humanität und Großzügigkeit" des Festivals. | |
Die Organisatoren verurteilten die Aussagen aufs Schärfste und erklärten | |
von Trier für das derzeit laufende Festival "mit sofortiger Wirkung zur | |
Persona non grata". Einige Filmverleihe kündigten bereits an, seinen neuen | |
Film nicht zeigen zu wollen. | |
19 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Cristina Nord | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
„Nymphomaniac“ auf der Berlinale: Ungekürzte Sexszenen | |
Die Berlinale zeigt den ersten Teil von „Nymphomaniac“, dem neuen Film von | |
Lars von Trier – und das in der langen, expliziten Fassung. | |
Lars von Trier im Polizeiverhör: Einmal Nazi, immer Nazi | |
Im Mai erzählte Regisseur Lars von Trier in Cannes wohlkalkulierten | |
Bullshit. Jetzt verhörte ihn deswegen die dänische Polizei – auf Bitte der | |
französischen Staatsanwälte. | |
Lars von Triers neuer Film "Melancholia": Chronik eines Scheiterns | |
Apokalyptische Albtraumbilder in Hochglanzoptik. "Melancholia" steckt | |
voller antimoderner Impulse, mit der depressiven Hauptfigur hat Lars von | |
Trier ein Alter Ego geschaffen. | |
Zum Abschluss der Filmfestspiele in Cannes: Die Omnipräsenz von Laptop und iPh… | |
Zu Recht wurde Terrence Malicks Delirium der ersten und der letzten Dinge, | |
"The Tree of Life", die Goldene Palme verliehen. Ein nicht immer | |
überzeugender Wettbewerb. | |
Regie-Phantom gewinnt in Cannes: Goldene Palme für "The Tree of Life" | |
Kirsten Dunst stammelt vor Glück, Robert De Niro sorgt für Lacher und die | |
Goldene Palme geht an das philosophisches Mammutwerk "The Tree of Life" von | |
Terrence Malick. | |
Kolumne Cannes Cannes: Schlechte gute Skandale | |
Das Ausreiseverbot für Mohammad Rasoulof wurde aufgehoben. Sein Film "Bé | |
omid é didar" behandelt genau diesen konfliktreichen Wunsch: auszureisen. | |
Reaktionen auf von Triers Hitlersympathien: Stolze persona non grata | |
Von Triers Film "Melancholia" darf trotz Hitler-Sympathien des Regisseurs | |
im Rennen um die Palme bleiben. Israel bestellt ihn ab, "Jyllands-Posten" | |
findet von Trier dämlich und er selbst ist "stolz". | |
Kommentar zu Lars von Trier: Der Zwang zum Obszönen | |
Mit Nazi-Vergleichen lassen sich mediale Aufmerksamkeitswogen in Gang | |
setzen. Noch im zwanghaften Tabuverstoß spiegelt sich verzerrt das | |
Monströse dieses Verbrechens wider. | |
Von Trier provoziert beim Filmfest Cannes: "Ich bin ein Nazi" | |
Er kann es nicht lassen: Der Provokateur Lars von Trier zeigt in Cannes | |
einen relativ sanften Film - und liefert den Aufreger danach vor der | |
Presse. "Ich bin ein Nazi", sagte der dänische Regisseur. | |
Cannes Cannes: Augenblicke der Transzendenz | |
Filme, die Übersinnliches in Szene setzen wollen, stürzen leicht ab. Davor | |
ist auch Lars von Trier nicht geschützt. Seine Bilder geraten zu | |
bombastisch oder zu banal. | |
Kolumne Cannes Cannes 7: Wie aus dem Inneren eines Uterus | |
Große Oper für die Durchschnittsfamilie O'Brien: Der Spielfilm "The Tree of | |
Life" von Terrence Malick. | |
Kolumne Cannes Cannes 6: Schauplatz Familie | |
Zweimal Psychodrama vom amerikanischen Doppel. Die neuen Filme von Jeff | |
Nichols und Jonathan Caouettes werden beim Filmfestival vorgestellt. | |
Kolumne Cannes Cannes 5: Rufst du mich nicht mehr an? | |
In "Michael" wird ein Junge im Keller festgehalten, in "Play" kann man die | |
Gewalt nur hören. |