# taz.de -- Von Trier provoziert beim Filmfest Cannes: "Ich bin ein Nazi" | |
> Er kann es nicht lassen: Der Provokateur Lars von Trier zeigt in Cannes | |
> einen relativ sanften Film - und liefert den Aufreger danach vor der | |
> Presse. "Ich bin ein Nazi", sagte der dänische Regisseur. | |
Bild: Vor der Nazi-Keule: Lars von Trier mit den Schauspielerinnen Kirsten Duns… | |
CANNES dpa/afp | Mit seinem extremen Horrordrama "Antichrist" sorgte Lars | |
von Trier vor zwei Jahren für den Skandal des Filmfestivals in Cannes - nun | |
irritierte der dänische Regisseur erneut. Der 55-Jährige stellte am | |
Mittwoch sein Werk "Melancholia" vor. "Ein schöner Film über das Ende der | |
Welt", wie er verkündet hatte. | |
Tatsächlich packt er seine düstere Geschichte um Depressionen und die | |
Apokalypse in poetische, sanfte Bilder. Der eigentliche Aufreger kam aber | |
bei der Pressekonferenz, wo der Regisseur verkündete "Ich bin ein Nazi". | |
Das ließ nicht nur die Hauptdarstellerinnen Kirsten Dunst und Charlotte | |
Gainsbourg sprachlos zurück. | |
Schon seit längerem gilt von Trier als ein Enfant Terrible der Filmwelt. | |
Unvergessen sind zum Beispiel Szenen wie aus "Antichrist", wo sich | |
Charlotte Gainsbourg selbst verstümmelt. Vor allem aber warf der Däne, der | |
jahrelang wegen Depressionen behandelt wurde, in seinen Werken wie | |
"Dogville" oder "Breaking the Waves" immer wieder einen äußerst | |
pessimistischen Blick auf die menschliche Existenz. In "Melancholia" | |
thematisiert er jetzt das Elend vor dem Weltuntergang. | |
"Dies sollte eine Komödie werden", scherzte von Trier vor der Premiere. | |
Immerhin fühle er sich jetzt auch besser als noch vor einigen Jahren. "Ich | |
habe aufgehört zu trinken, mir geht es gut." Eine gewisse Melancholie | |
gehöre für ihn aber immer dazu. "Sie ist in jeder Kunst, die ich mag." | |
Irgendwann allerdings vergaloppierte sich von Trier in der Pressekonferenz: | |
Erst berichtete er, er arbeite derzeit an einem Hardcore-Porno mit Kirsten | |
Dunst. "Ohne viel Dialoge, also so, wie es Frauen mögen." Und dann erzählte | |
er, dass seine Familie deutsche Wurzeln habe. "Ich bin ein Nazi", | |
schlussfolgerte er und fügte hinzu: "Ich verstehe Hitler. Ich glaube, dass | |
er ein paar schlechte Dinge gemacht hat, klar, aber ich kann ihn mir in | |
seinem Bunker vorstellen, am Ende." Er sei aber deshalb nicht für den | |
Zweiten Weltkrieg und nicht gegen Juden. Gleichzeitig kritisierte von Trier | |
Israel als "Plage" und lobte Adolf Hitlers Architekten Albert Speer, der | |
Talent gehabt habe. | |
Ob das wieder einmal von Triers eigenwilliger Humor war? Das Rätsel löste | |
der Regisseur nicht. Klar war nur: Er wollte abermals provozieren und das | |
Festivalpublikum in Aufregung versetzen - wenn nicht mit seinem Film, dann | |
durch seine Äußerungen. Und das ist ihm gelungen: Wegen seiner Äußerungen | |
wurde er am Donnerstag von der Festivalleitung zur "unerwünschten Person" | |
erklärt. Die Entscheidung gelte mit "sofortiger Wirkung". | |
19 May 2011 | |
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Frankfurt | |
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