# taz.de -- Psychologie im deutschen Team: Beerdigung eines Nervenbündels | |
> Bundestrainerin Silvia Neid stellt die ausgemusterte Stürmerin Birgit | |
> Prinz regelrecht an den Pranger. Sie sagt, Prinz habe nicht von Anfang an | |
> spielen wollen. | |
Bild: Entfremdet: Bundestrainerin Silvia Neid und Rekordnationalspielerin Birgi… | |
MÖNCHENGLADBACH taz | Spätestens nach diesem [1][überzeugenden Erfolg gegen | |
Frankreich] hätte Bundestrainerin Silvia Neid die Akte Birgit Prinz | |
eigentlich befreit zur Seite legen können. Natürlich tauchte noch einmal | |
die unweigerliche Frage nach der Spielführerin auf. Wie und wann denn Neid | |
ihre Entscheidung, sie auf der Bank zu belassen, Prinz übermittelt hätte? | |
Im Gespräch am Sonntag hätte die Bundestrainerin antworten können. Schluss! | |
Fertig! Aus! Und dann wäre es an der Zeit gewesen, sich mit Muße wieder den | |
vielen deutschen Toren zu widmen. | |
Doch überraschenderweise wählte Neid einen anderen Weg. Die 47-Jährige, der | |
man in den vergangenen Tagen jedes einzelne Wort zu Birgit Prinz aus der | |
Nase ziehen musste, wurde plötzlich vor der versammelten nationalen Presse | |
ganz vertraulich. Sie erzählte: „Ich stand in regem Kontakt zu Birgit | |
Prinz. Wir haben viel gesprochen. Am Samstag oder Sonntag habe ich sie | |
gefragt, wie sie sich selbst sieht. Und sie hat gesagt, dass sie momentan | |
nicht von Anfang an spielen möchte, sondern höchstens eingewechselt werden | |
möchte. Das zeigt doch, wie schlecht es der Birgit geht.“ | |
Aha. Ein Psychowrack also ist sie, die Birgit Prinz. Was Neid da vortrug, | |
kam einer Beerdigung erster Klasse gleich. Die Rekordnationalspielerin darf | |
während dieses Turniers, mit dem sie ihre internationale Karriere | |
abschließen möchte, nach diesen Worten der Bundestrainerin wohl nur noch | |
mit Kurzeinsätzen rechnen. Palliativmedizin für eine Altgediente, die | |
vielleicht noch einmal unverhofft Kräfte mobilisieren kann. | |
Auch wenn Neid von den bereits ersten Effekten der Banktherapie berichtete: | |
„Sie wirkt jetzt viel befreiter im Training. Ich bin überzeugt, dass wir | |
während des Turniers noch etwas von ihr sehen werden.“ Klar ist auch: Wird | |
Prinz bei diesem Turnier künftig an der Seitenlinie stehen, wird jeder und | |
jede denken: Ach, da ist ja die, die nicht von Anfang an spielen wollte. | |
## Aufbauarbeit sieht anders aus | |
Silvia Neid hat zuletzt nicht zu Unrecht kritisiert, wie unverhältnismäßig | |
es sei, sich immer wieder auf Birgit Prinz zu konzentrieren, wenn es um die | |
Probleme des deutschen Angriffsspiels geht. In Ruhe solle man sie doch | |
lassen. Sie hielt sich jedoch selbst nicht daran. | |
Es wäre am Dienstagabend ein Leichtes für Neid gewesen, Birgit Prinz mit | |
dem Mantel des Schweigens ein wenig zu wärmen. Stattdessen stellte sie | |
Prinz als psychisch instabil an den Pranger. Psychologisch fundierte | |
Aufbauarbeit sieht anders aus. Zumal Inka Grings über das Wesen ihrer | |
Mitspielerin zu berichten wusste: „Birgit Prinz ist in einer Situation, wo | |
sie gerne alleine ist.“ | |
Gerade noch verständlich wäre es gewesen, wenn Neid vor dem | |
Frankreich-Spiel verkündet hätte, dass sie im Einvernehmen mit Prinz zu der | |
Entscheidung gekommen sei, sie nicht spielen zu lassen. Das hätte | |
möglicherweise manch erhitzte Gemüter beruhigt. So aber goss sie Öl ins | |
Feuer einer Debatte, die besser auf Sparflamme runterreguliert worden wäre. | |
Was Silvia Neid immerhin erreicht hat: Sie steht nun nicht als | |
Königsmörderin da und kann präventiv dem Vorwurf begegnen, sie hätte dem | |
Team die Leitfigur genommen. Aus psychologischer Perspektive scheint die | |
Bundestrainerin Birgit Prinz aber einen nur schwer zu behebenden Schaden | |
zugefügt zu haben. Besser wäre es gewesen, den womöglichen auch falschen | |
Spekulationen der Öffentlichkeit standzuhalten und Birgit Prinz im Stillen | |
wieder aufzubauen. | |
In einem funktionierenden Team, als das sich die Nationalmannschaft gegen | |
Frankreich endlich erstmals präsentierte, wären die Genesungsaussichten gar | |
nicht einmal so schlecht gewesen. Aber als nun in der Öffentlichkeit | |
geoutetes Nervenbündel hilft ihr vielleicht selbst das nicht weiter. Inka | |
Grings hatte sie am Dienstagabend zu gut vertreten. Als die zweifache | |
Torschützin gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könne im Viertelfinale | |
wieder auf der Bank zu sitzen sagte sie: „Das ist natürlich schwierig, | |
alles andere wäre gelogen.“ | |
6 Jul 2011 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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