Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Deutschland gegen Frankreich: Geradlinig bis zum Starrsinn
> Der erklärte WM-Topfavorit spielt ganz und gar nicht überzeugend, und die
> Bundestrainerin steckt mitten in der schwersten Krise ihre Amtszeit.
> Ändern will sie jedoch nichts.
Bild: Spielte sich in den Kader: Celia Okoyino Da Mbabi
BERLIN taz | So große Erwartungen lasteten noch nie auf Silvia Neid. So
gefragt war die 47-Jährige noch nie in ihrem Leben. Aber auch: So massive
Kritik wie zuletzt musste die Bundestrainerin sich auch noch nie anhören.
Zum Weltmeistertitel soll sie das deutsche Team führen. Und zwar nicht
irgendwie, nicht mit diesen bislang klapprigen Siegen, sondern mit Glanz
und Gloria. Jetzt am Dienstag in Mönchengladbach soll das Spektakel gegen
die Französinnen endlich beginnen.
Ein solch massiver öffentlicher Druck hat schon manchen Menschen rasch
verändert. Neid jedoch wirkt bisher wie eh und je. Zu ihren
Lieblingswörtern zählen nach wie vor die Begriffe „Professionalität“ und
„Disziplin“. Sie scheinen ihr als Kompassnadeln durch diese sehr bewegte
Zeit zu dienen.
Ihr Verhalten ist tadellos. Die immer schärfere Fragen stellenden Reporter
behandelt sie alle gleich. Distanziert freundlich. Gelegentlich würzt sie
ihre sachlichen Statements mit einer Brise Süffisanz. Das ist die einzige
kleine Freiheit, die sie sich herausnimmt. „Unsere Standardsituationen
haben Ihnen nicht gefallen?“, entgegnet sie einem Journalisten nach dem
Spiel gegen Nigeria. „Na dann muss ich mir das wohl noch einmal anschauen.“
## Dezent, aber nicht minder scharf
Auch die Angriffe ihrer männlichen Kollegen, die gewiss nicht zufällig
gerade jetzt aus der Deckung kommen und ihr fehlenden Respekt sowie
taktische Fehleinschätzungen vorwerfen, wehrt sie mit Ironie ab. Über die
Äußerungen von Bernd Schröder, versichert Neid, amüsiere sie sich
regelmäßig. Und: „Es ist schön, mal wieder von Herrn Tritschoks zu hören,
er ist ja lange nicht mehr im Frauenfußball tätig gewesen.“ Neid hat eine
sehr dezente, aber dadurch nicht minder scharfe Art, ungemütlich zu werden.
Die 111-fache Nationalspielerin ist fraglos eine Autorität. Als vergangenen
Donnerstag die wütend abgekämpfte Spielführerin und Rekordnationalspielerin
Birgit Prinz bei ihrer Auswechslung an Neid vorbeistampfte, sah diese neben
der im makellosen beigen Hosenanzug gekleidete Bundestrainerin aus wie ein
widerborstiges Schulkind. Aber gerade die Personalie Prinz ist momentan das
einzige Thema, bei dem selbst Neid etwas die Ruhe verliert. „Warum immer
Birgit Prinz“, blaffte sie kürzlich einen Fragesteller an.
Denn hier droht ein Grundsatz von Silvia Neid ins Wanken zu geraten. Ihre
Treue zu loyalen altgedienten Nationalspielerinnen wie Prinz ist eigentlich
unverbrüchlich. Da sieht sie auch etwas großzügiger über
Leistungsschwankungen hinweg. Die Bundestrainerin ist keine Freundin von
Experimenten. Wie geordnet sie an alles herangeht, spiegelte sich im
Vorbereitungsprogramm der WM wieder. Wie für ein Schulbuch geeignet hatte
sie sieben Lehrgangsthemen erstellt, die hintereinander abgearbeitet
wurden: „Taktik“, „Athletik“, „Spielformen“, „Abwehrverhalten von…
„Angriffsspiel“, „Standards“ und „Verfeinerungen“. Das große
Fußball-Latinum für den WM-Titel.
## Starrköpfigkeit oder Gradlinigkeit?
Aber ausgerechnet die formschwache Birgit Prinz, die vermutlich
Gewissenhafteste unter ihren Schülerinnen, macht es ihr von Spiel zu Spiel
schwieriger, an ihren Prinzipien festzuhalten. Die Versetzungsfrage der
Spielführerin ist zu einem öffentlichen Diskussionsthema geworden. Silke
Rottenberg, die ehemalige Nationaltorhüterin, die Neid gut kennt, ist
überzeugt, dass sich die Bundestrainerin davon nicht beirren lässt und
Prinz auch gegen Frankreich in der Startelf stehen wird. Das könnte man
Neid als Starrköpfigkeit auslegen, im Erfolgsfalle aber auch als
Geradlinigkeit.
Celia Okoyino da Mbabi ist bislang die Einzige im deutschen Kader, die sich
überraschend durchsetzen konnte. „Weil es bei uns nach dem Leistungsprinzip
geht, musste ich sie einfach aufstellen“, sagte Neid nach dem
WM-Eröffnungsspiel. Sie hätte sich ja auch auf ihre Intuition berufen
können. Ihre Begründung klang indes eher nach einer Rechtfertigung. Neid
will auf dem Weg zum WM-Titel lieber auf Nummer sicher gehen.
5 Jul 2011
## AUTOREN
Johannes Kopp
Johannes Kopp
## TAGS
Fußball
Frauenfußball
Fußball-WM
Frauen-WM
Fußballweltmeisterschaft
Taktik
WM 2011 – Mixed Zone
WM 2011 – Mixed Zone
WM 2011 – Mixed Zone
WM 2011 – Mixed Zone
Fußball
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutsche Co-Trainerin über Taktik: „Wir sind halt diszipliniert“
Die Co-Trainerin Ulrike Ballweg erklärt, warum man gegen Frankreich nichts
ändert und weshalb fehlende taktische Flexibilität auch Vorteile hat.
Psychologie im deutschen Team: Beerdigung eines Nervenbündels
Bundestrainerin Silvia Neid stellt die ausgemusterte Stürmerin Birgit Prinz
regelrecht an den Pranger. Sie sagt, Prinz habe nicht von Anfang an spielen
wollen.
Claudia Roth über Birgit Prinz: „Weil sie ein schwarzes Loch fürchten“
Die Grünen-Chefin ist glühender Fußballfan, fordert kein Mitleid, sondern
Solidarität mit der formschwächelnden Kapitänin Birgit Prinz. Aber:
Abschied nehmen sei schwer.
Medienkompetenz beim Frauenfußball: Wir tun nur so
Eine Verkehrsdurchsage: In Deutschland sind gerade 2.000 Journalisten im
Blindflug unterwegs. Eigentlich haben wir nämlich alle keine Ahnung.
Deutschland nach dem Sieg gegen Nigeria: Zwischen Lethargie und Ekstase
„Kopfprobleme“, sagt die Trainerin, „Konzentrationsschwäche“, sagen die
Spielerinnen. Auf der Suche nach der Ursache für die Probleme im deutschen
Lager.
Deutschlands Treffer gegen Nigeria: Der verschenkte Moment
Die reine Schönheit roher Gewalt: Simone Laudehrs Treffer zum 1:0 gegen
Nigeria hätte ein Augenblick werden können, der alles verändert. Doch er
wurde verpasst.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.