| # taz.de -- Claudia Roth über Birgit Prinz: „Weil sie ein schwarzes Loch fü… | |
| > Die Grünen-Chefin ist glühender Fußballfan, fordert kein Mitleid, sondern | |
| > Solidarität mit der formschwächelnden Kapitänin Birgit Prinz. Aber: | |
| > Abschied nehmen sei schwer. | |
| Bild: Kennt sich mit Fußball aus: Claudia Roth neben DFB-Chef Theo Zwanziger | |
| taz: Frau Roth, haben Sie eigentlich Mitleid mit Birgit Prinz? | |
| Claudia Roth: Ich kann gut nachvollziehen, was sie gerade empfindet, jetzt, | |
| da sie erstmals unter so massivem öffentlichem Druck steht. Denn sie hat | |
| das so noch nie erlebt. Und ich glaube, dass frau und man sie jetzt kräftig | |
| unterstützen sollten. Es gibt auf dem Platz gute und schlechte Stunden, und | |
| sie hat es wirklich nicht verdient, dass man jetzt so mit ihr umgeht. | |
| Hätten die Spielerinnen vielleicht besser vorbereitet werden müssen? | |
| Es ist ja sehr viel mit psychologischer Betreuung im Vorfeld getan worden, | |
| und offensichtlich ist dieses große Interesse, die große mediale Präsenz im | |
| Fernsehen, in den Zeitungen so nicht erwartet worden. Sportliche | |
| Vorbereitung ist eben das eine, aber wenn du vor einem ausverkauften | |
| Olympiastadion stehst, dann ist das eben eine ganz andere Sache, auf die | |
| man sich gar nicht einfach so vorbereiten kann. | |
| Ist das, was jetzt passiert, nicht einfach nur das Ende der wohlwollenden | |
| Beißhemmung und damit eine Art Normalisierung? | |
| Auch, ja. Ehrlich gesagt: Das Spiel in Frankfurt war nicht besonders gut, | |
| das muss man sagen. Es wird dann normal und selbstverständlich, dass man | |
| schlechten Frauenfußball auch als solchen bezeichnet. Dann ist man | |
| mittendrin in der Fußballleidenschaft angekommen, wenn man auch ein Spiel | |
| ohne Scheuklappen bewertet. Also einfach auszusprechen, was ist. Etwas | |
| Gutes ist gut und etwas Schlechtes schlecht. Das gehört dazu, geht aber | |
| auch, ohne gegenüber einzelnen Spielerinnen grob verletzend zu werden. | |
| Bei Birgit Prinz geht es vielleicht auch grundsätzlich ums Abschiednehmen. | |
| Abschiede gestalten sich nicht nur bei Sportlern schwierig. Denken Sie | |
| manchmal selbst darüber nach, wie Sie Ihren eigenen Abschied aus der | |
| Politik gestalten wollen? | |
| Beim gegenwärtigen Spielstand zwischen der schwarz-gelben Bundesregierung | |
| und uns und den zahlreichen Toren, die wir in letzter Zeit gegen | |
| Schwarz-Gelb geschossen haben, sicher nicht. Wichtig ist es aus meiner | |
| Sicht, den richtigen Punkt zu erwischen, möglichst noch einen Punkt, an dem | |
| die Leute sagen, schade, dass er oder sie geht. | |
| Frau Roth, aber weshalb scheinen so viele Menschen, Sportler wie Politiker, | |
| den richtigen Moment des Abschiednehmens zu verpassen? Wird über die Kunst | |
| des selbst gewählten Abgangs in Ihren Kreisen gesprochen? | |
| Das kommt vor. Im Bundestag überlegen sich manche immer wieder: Soll man | |
| noch einmal kandidieren. oder reicht es jetzt? Sowohl in der Politik als | |
| auch im Sport, und beides sind ja reich bewohnte Haifischbecken, braucht | |
| man ein Umfeld, das einen berät. Leute, die sagen, es ist besser, zu gehen. | |
| Oder solche, die einen auch darin unterstützen, zu bleiben, wenn man | |
| einfach gerade eine Krise zu überstehen hat und die auch überstehen sollte, | |
| weil man immer noch gebraucht wird und noch viel vorhat. | |
| Sagen Sie uns, wie man sich darauf vorbereiten kann! | |
| Wer sein ganzes Leben nur auf dieses Politikersein ausrichtet, der kann in | |
| Gefahr kommen, abhängig vom politischen Geschäft zu werden. Da wird es dann | |
| für manche schwierig, wirklich den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, wann | |
| sie gehen sollten, weil sie dann ein tiefes schwarzes Loch fürchten. | |
| Aus Angst vor dem Leben? | |
| Ich hatte ein reiches Leben vor der Politik. Viele junge Politiker kennen | |
| ja nichts anderes als Politik und richten ihr gesamtes Leben darauf aus, | |
| möglichst lange dabei zu bleiben. Das ist gefährlich. Insofern ist es gut, | |
| wenn man weiß, dass man eine Perspektive hat. Deshalb ist mir nicht bang | |
| davor, mir ein Leben nach der Politik vorzustellen. Aber im Moment geht es | |
| mir ganz und gar nicht um Abschied, sondern darum, das schwarz-gelbe | |
| Desaster 2013 abzulösen. | |
| Zurück zur WM. Was halten Sie von der Kritik, dass die noch amtierende | |
| Kapitänin sich weigert, die Hymne mitzusingen? | |
| Total lächerlich! Es gibt bei uns glücklicherweise keinen | |
| Nationalhymnensingzwang. | |
| Wieso halten sich eigentlich alle PolitikerInnen so zurück bei dieser | |
| Weltmeisterschaft? Sollte sich Angela Merkel auch mal in die Frauenkabine | |
| trauen? | |
| Ich weiß nicht, ob sie das tut. Na ja, beim Eröffnungsspiel waren ja schon | |
| viele da. Aber richtig ist, dass jetzt offensichtlich abgewartet wird, wie | |
| es weitergeht. Und richtig ist, dass man auch dann kommen sollte, wenn es | |
| mal nicht so gut läuft – und nicht nur zum Endspiel. Aber die Spielerinnen | |
| bekommen das schon ganz genau mit, wer sich nur im Glanz sonnen will und | |
| wer auch im Regen bei dem Team steht. | |
| Woher rührt Ihre Begeisterung für den Frauenfußball? | |
| Ich bin von Kindesbeinen an Fußballfan. Und neben dem sportlichen Ereignis | |
| kommt beim Frauenfußball natürlich die gesellschaftliche Dimension dazu. Es | |
| ist letztlich ein Einbruch in eine der letzten Domänen der Männerwelt. Es | |
| ist einfach umwerfend, zu erleben, dass Frauenfußballerinnen mit den | |
| Männern gar nicht verglichen werden wollen, sondern selbstbewusst Fußball | |
| spielen mit einer eigenen Ästhetik – und damit gegen alle Klischees, gegen | |
| alle Häme anspielen. | |
| Wie soll es in Zukunft sein? | |
| Wir müssen alles dafür tun, dass auch nach der WM Frauenfußball wichtig | |
| bleibt. Und sich ähnlich wie bei den Männern unsere multikulturelle | |
| Gesellschaft auch in den Mädchenteams abbildet. Da muss noch viel getan | |
| werden. Mädchen mit Migrationshintergrund haben es da noch sehr viel | |
| schwerer. | |
| Sie haben sich ungemein für das nordkoreanische Team eingesetzt und sogar | |
| von sportdiplomatischem Erfolg gesprochen im Hinblick auf eine Annäherung | |
| an die USA. Haben Sie da nicht etwas zu eifrig gesprochen? | |
| Ich hatte nun wirklich nie die Illusion, politische Gespräche zwischen den | |
| USA und Nordkorea durch eine Begegnung auf dem Platz erzeugen zu können. | |
| Aber wenn es auf der politischen Bühne überhaupt keine Begegnung, überhaupt | |
| keine Gespräche gibt, ist alleine die Tatsache, dass die Spielerinnen sich | |
| die Hand geben, dass im Anschluss an ein Spiel Politiker aus beiden Ländern | |
| an einem Tisch sitzen und Einladungen ausgesprochen werden, ein Erfolg. | |
| Ein Erfolg? | |
| Ja, besonders bei einem Land wie Nordkorea, das sich ansonsten völlig | |
| abschottet. Das sind vielleicht nur Millimeter an Bewegung, aber das ist | |
| doch besser als nix. | |
| 5 Jul 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Pohl | |
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