# taz.de -- Deutsche Co-Trainerin über Taktik: „Irgendwo gibt es Raum“ | |
> Die Assistenztrainerin des deutschen Teams, Ulrike Ballweg, über | |
> Ballbesitz, Kombinationspiel und die spielerische Neuausrichtung der | |
> Nationalmannschaft im laufenden WM-Turnier. | |
Bild: Kennt die richtige Taktik: Ulrike Ballweg (r) berät Silvia Neid | |
taz: Frau Ballweg, kürzlich haben Sie gesagt, ihre Spielerinnen wüssten, | |
wie man sich gegen tief stehende Gegnerinnen durchsetzen kann. Nun standen | |
aber Kanada und Nigeria gar nicht tief. Ist das ein Problem für das Team? | |
Ulrike Ballweg: Das ist zumindest ungewohnt für uns, weil nur wenige Teams | |
– wie die USA, Brasilien oder Norwegen – so gegen uns spielen. Gerade die | |
Nigerianerinnen haben uns relativ früh angegriffen und waren sehr aggressiv | |
in ihrem Verhalten. | |
Sind Sie überrumpelt worden? | |
Das würde ich so nicht sagen. Früher haben sich unsere Gegnerinnen meistens | |
mit anderen Mitteln beholfen. Sie standen eher tief und kompakt, machten in | |
der eigenen Hälfte die Räume eng und versuchten uns da zu bearbeiten. Jetzt | |
versuchen plötzlich viele Mannschaften, uns viel weiter weg vom Tor zu | |
halten. | |
Kanada und Nigeria haben also ein Modell geprägt, wie man gegen Deutschland | |
spielen muss. | |
Ich denke schon, dass sich da ein Trend entwickelt hat. | |
Macht Ihnen das keine Sorgen? | |
Wir werden uns daran gewöhnen müssen und entsprechend unsere Strategie | |
ausrichten. | |
Die Mannschaft muss sich also taktisch neu orientieren? | |
Das nicht unbedingt. Das Spiel unserer Gegnerinnen eröffnet uns jetzt | |
Möglichkeiten, die wir vorher so nicht erwartet haben. Jetzt haben wir die | |
Räume frühzeitiger, wenn wir uns cleverer verhalten, als bei den ersten | |
Spielen. Das ist eben ein kleiner Anpassungsprozess. | |
Welche Lehren hat der Trainerstab konkret aus dem Spiel gegen Nigeria | |
gezogen? | |
Wir müssen aus unserem Ballbesitz in unser Kombinationsspiel kommen. Bei | |
der Analyse haben wir gesehen, dass wir nach vorne eigentlich viel Platz | |
gehabt hätten. Wir haben es nur nicht geschafft, den eroberten Ball wieder | |
zu einer Mitspielerin oder in den Raum zu bringen. Unsere äußeren | |
Mittelfeldspielerinnen hätten öfter den Weg nach innen nehmen müssen, in | |
diese Halbfelder, die immer offen waren. Wenn ein Gegner so hoch steht und | |
so aggressiv nach vorne agiert, gibt es zwangsläufig irgendwo Raum. | |
Rechnen Sie damit, dass Frankreich auf ähnliche Art und Weise agiert wie | |
Nigeria? | |
Frankreich hat ja eher die gleiche Spielidee wie wir. Sie versuchen aus dem | |
Mittelfeld-Pressing heraus die Gegner dahin zu lenken, wo man doppeln | |
beziehungsweise Bälle erobern kann. | |
Auch Frankreich wird Sie also früh unter Druck setzen? | |
Damit ist zu rechnen. Wenn sie den Ball verlieren, versuchen sie ihn oft | |
direkt im Angriffsdrittel zurückzuerobern. Da müssen wir Ruhe und Übersicht | |
bewahren. | |
Die Attacken werden vermutlich weniger brutal ausfallen. | |
Frankreich wird nicht weniger aggressiv spielen und schon körperbetont zur | |
Sache gehen. Dass sie dagegenhalten können, hat man auch schon bei dieser | |
WM gesehen. Es wird jetzt nicht unbedingt leichter. | |
Silvia Neid hat zweimal mit derselben Mannschaft angefangen. Wäre ein | |
Wechsel im Angriff jetzt nicht angesagt? | |
Wir haben mit Melanie Behringer eine angeschlagene Spielerin, deren Einsatz | |
noch fraglich ist. Wir sind für das Viertelfinale qualifiziert. Deshalb | |
werden wir sicher nichts riskieren. Wenn es nicht geht, haben wir eine Lira | |
Bajramaj, die gegen die spielstarken Französinnen eine Alternative ist, um | |
in diesem Bereich etwas dagegenzusetzen. Oder wir können uns umsortierten, | |
Celia auf die linke Außenbahn schicken und unsere Angriffsformation anders | |
gestalten. Wir haben genügend Möglichkeiten. | |
Haben Sie außer dem offensiveren Verteidigungsspiel andere neue taktische | |
Entwicklungen bei dieser WM gesehen? | |
Auffällig ist in erster Linie, dass viele Teams im taktischen Bereich | |
aufgeholt haben und klar erkennbare Systeme spielen. | |
Was war vielleicht nicht so zu erwarten bei dieser WM? | |
An den Ergebnissen kann man ablesen, dass viele Verbände ganz viel in ihre | |
Frauenteams investiert haben. Das finde ich positiv. Es gibt nicht mehr ein | |
11:0 wie bei unserem Eröffnungsspiel 2007 gegen Argentinien, sondern es | |
gibt Matches, die richtig eng sind – auch von den Spielanteilen. Viele | |
Nationen haben aufgeholt. Das ist das Schöne an dieser WM. Dadurch wird der | |
Frauenfußball noch interessanter und spektakulärer. | |
5 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Fußball | |
Frauenfußball | |
Fußball-WM | |
Frauen-WM | |
Fußballweltmeisterschaft | |
Taktik | |
Fußball | |
WM 2011 – Mixed Zone | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Deutsche Co-Trainerin über Taktik: „Wir sind halt diszipliniert“ | |
Die Co-Trainerin Ulrike Ballweg erklärt, warum man gegen Frankreich nichts | |
ändert und weshalb fehlende taktische Flexibilität auch Vorteile hat. | |
Entscheidungsspiel für Norwegen: Warten auf das Aufwachen | |
Den Altmeisterinnen aus Norwegen droht ein trostlos WM-Aus. Sie haben die | |
Entwicklung im Frauenfußball schlicht verschlafen. Doch die Trainerin | |
glaubt weiter an den Titel. | |
Claudia Roth über Birgit Prinz: „Weil sie ein schwarzes Loch fürchten“ | |
Die Grünen-Chefin ist glühender Fußballfan, fordert kein Mitleid, sondern | |
Solidarität mit der formschwächelnden Kapitänin Birgit Prinz. Aber: | |
Abschied nehmen sei schwer. |