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# taz.de -- Neues Kabinett in Kairo: Technokraten als Revolutionsregierung
> Ägyptens Regierungschef stellt seine neuen Minister vor, so will Scharaf
> die Demonstranten besänftigen. Das Echo auf das umgebildete Kabinett ist
> geteilt.
Bild: Sinister - trotz neuer Minister: Ägyptens Regierungschef Essam Scharaf.
KAIRO taz | Ein ehemaliger Diktator, dessen Verhandlungsfähigkeit in Frage
steht, ein ägyptischer Premier, der sein neues Kabinett vorstellt, und ein
ehemaliger Informationsminister Husni Mubaraks, dessen Prozess nun
öffentlich im Fernsehen übertragen wird: die ägyptische Revolution bietet
dieser Tage ein recht durchwachsenes Bild.
Am Wochenende hatte der Anwalt des gestürzten Husni Mubarak erklärt, sein
Mandant habe einen Schlaganfall erlitten und sei in ein Koma gefallen. Eine
Nachricht, die kurz darauf vom leitenden Arzt des Krankenhauses im
ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich, in dem sich Mubarak befindet,
abgestritten wurde. Mubarak leide an niedrigem Blutdruck und ihm sei
lediglich etwas schwindelig geworden, erklärte Dr. Assem Azzam.
Schon vor ein paar Wochen war Mubaraks Anwalt Farid al-Deeb an die
Öffentlichkeit gegangen und hatte erklärt, der ehemalige Präsident leide
unheilbar an Krebs. Auch damals hatte das Krankenhaus dieser Aussage
widersprochen. Der Zeitpunkt für die Ankündigungen des Anwalts ist für
viele kein Zufall. Mubaraks Prozess ist auf den 3. August angesetzt und in
den Medien wird spekuliert, dass der Anwalt versuche, Mubarak für
verhandlungsunfähig erklären zu lassen.
Unterdessen schließt der ägyptische Premier Essam Scharaf seine seit Tagen
angekündigte Kabinettsumbildung ab, um die Gemüter auf dem Tahrirplatz zu
beruhigen. Die staatlichen Medien hatten das neue Kabinett als
"Revolutionsregierung" angekündigt. Doch die Ministerriege mit 14 neuen
Köpfen besteht meist aus Technokraten ihm gleichen Alter der früheren
Mubarak-Regierung. Doch diese werden von weiten Teilen der Bevölkerung
respektiert werden. Darunter ist der UN-Wirtschaftsexperte Hazem
al-Beblawy, der das Finanzministerium übernimmt, und der neue Vizepremier
Ali al-Selmy, ein prominentes Mitglied der unter Mubarak oppositionellen
liberalen Wafd-Partei.
Der umstrittene Innenminister Mansur al-Essawy bleibt hingegen im Amt. Er
war in den vergangenen Tagen den Demonstranten auf dem Tahrirplatz
entgegengekommen, die eine Säuberung des Innenministeriums gefordert
hatten, indem er verkündete, dass fast 600 hochrangige Polizeioffiziere
entlassen werden sollen. Neuer Außenminister ist Mohammed Kamel Amr, der
Mohammed al-Orabi ersetzt, der weniger als einem Monat diesem Ministerium
vorstand. Amr war Botschafter in Saudi-Arabien und hatte später bei der
Weltbank gearbeitet.
## Schwur dem Chef des Militärrates
Das neue Kabinett stößt auf gemischte Reaktionen. Vielen auf dem
Tahrirplatz gehen die Veränderungen nicht weit genug. Andere wollen dem
Kabinett eine Chance geben, ehe sie über die neuen Minister urteilen.Der
Spielraum der neuen Regierung bleibt allerdings begrenzt. Das zeigte sich
schon darin, wem gegenüber die neuen Minister ihren Schwur ablegen müssen.
Es ist der Chef des hohen Militärrates Mohammed Tantawi, der kommissarisch
das Land verwaltet. So kommt es zu der bizarren Szene, dass Ägyptens neue
Minister ausgerechnet von einem Mann des alten Regimes eingeschworen
werden. Muhammad Tantawi war Mubaraks Verteidigungsminister.
Unterdessen baut die Armee in den Ministerien zum Teil ein paralleles
System auf. So hat sich zum Beispiel im Ministerium für Altertümer nach dem
Abtritt von Minister Zahi Hawass ein General eingerichtet, bevor der neue
Minister dort Einzug hielt. Auch im wieder eröffneten
Informationsministerium sitzt dem vor wenigen Tagen neu eingesetzte Chef
mit General Tarek Mahdi ein Militär zur Seite.
Das Ministerium war nach der Revolution als ehemaliges Propagandainstrument
Mubaraks abgeschafft worden. Es wurde erneut ins Leben gerufen, weil das
staatliche Fernsehen ohne das Informationsministerium derzeit kein eigenes
Budget besitzt. Ein Umstand, der die chaotischen Strukturen nach der
Revolution deutlich macht. Auch der neue Informationsminister Ahmad Heikal
genießt wenig Vertrauen auf dem Tahrirplatz. Ägyptische Blogger hatten
genüsslich Aussagen Heikals wenige Tage vor dem Sturz Mubaraks ausgegraben,
in denen dieser "alle ehrenhaften Ägypter" dazu aufruft, nicht dem
chaotischen Tahrirplatz zu folgen.
18 Jul 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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