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# taz.de -- Brutaler Einsatz der ägyptischen Polizei: "Das ist wie in alten Ze…
> Schlägertrupps und Tränengas: Es sind die blutigsten Kämpfe auf dem
> Tahrir-Platz seit dem Sturz Mubaraks. Über 1.000 Menschen wurden bereits
> verletzt.
Bild: Vor dem Innenministerium in Kairo lieferten sich Demonstranten und Sicher…
KAIRO taz | Die Szenen rund um den Tahrir-Platz und in den Seitenstraßen am
Innenministerium in Kairo erinnern an den Höhepunkt des Aufstandes gegen
den gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak. Mehrere tausend Demonstranten
haben sich auf dem Tahrir versammelt und werden in den Seitengassen von der
Bereitschaftspolizei gejagt. Diese geht seit der Nacht zum Mittwoch brutal
gegen die Demonstranten vor.
Über 1.000 Menschen sind nach Regierungsangaben in den vergangenen beiden
Tagen bei Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten
verletzt worden. 900 der Verletzten seien noch vor Ort verarztet worden,
mehr als 120 weitere seien in Krankenhäuser eingeliefert worden, sagte am
Mittwoch der stellvertretende Gesundheitsminister Abdul Hameed Abasah laut
einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Mena.
Über den Straßen hängt auch am Mittwochmittag noch der Dunst von Tränengas.
Junge Leute errichten überall Barrikaden. Die Auseinandersetzungen, die
blutigsten seit dem Sturz Mubaraks, dauern an. Immer wieder werden
Verletzte aus den vorderen Linien mit Motorrädern zu den Krankenwagen am
Rande des Platzes gebracht. Einer fährt, einer sitzt auf dem Rücksitz,
zwischen beiden klemmt der Verletzte. Viele scheinen durch Gummigeschosse
verwundet worden sein.
"Das ist wie in alten Zeiten, die Polizei deckt uns mit Tränengas ein, dann
greifen uns die zivilen Schlägertrupps an", erzählt Student Haissam Ragab,
der sich für das Gespräch kurz seine Maske heruntergezogen hat, die ihn
gegen das Tränengas schützen soll. "Wir sind sauer, weil die Prozesse gegen
Mubarak und die Seinen immer wieder hinausgezögert werden", sagt der
21jährige. "Sie veranstalten ein Theaterstück und hoffen auf unser
Vergessen, aber da haben sie sich getäuscht", schimpft er. Es war vor allem
der Prozess gegen den ehemaligen Innenminister Habib Adli, dessen
Urteilspruch diese Woche erneut auf den 25. Juli vertagt wurde, der das
Fass für viele der jungen Demonstranten zum Überlaufen brachte.
## "Sie stehlen uns unsere Revolution"
Auch die Studentin Zeinab Khattab ist gekommen, weil ihr langsam der
Geduldsfaden reißt. "Die Toten der Revolution sind bisher umsonst
gestorben, viel zu wenig hat sich verändert und alles geht viel zu
langsam," macht sie ihrem Ärger Luft. "Sie stehlen uns unsere Revolution
oder, noch besser gesagt, sie versuchen, sie einzuschläfern", sagt sie. Die
neuen Herrscher könnten einfach nicht damit umgehen, dass nun das Volk die
Macht habe.
Besonders entzürnt sind die Demonstranten darüber, dass die staatlichen
Medien sie als Schlägertrupps verunglimpfen. "Sie drehen einfach alles um
und sagen, die Polizei sei unschuldig und das Volk die Schläger", sagt
Hisham Adli, ein Beamter im Kulturministerium. Manche Ministerien hätten
begonnen, sich von Innen zu säubern. Im Innenministerium und im Militärrat
sei bisher dagegen nichts geschehen, meint er. Die Polizei sei ein
Psychofall, sie könnten einfach nicht damit umgehen, dass sie in der
Revolution die Schlechten und die Demonstranten die Guten gewesen seien,
fügt der Beamte hinzu.
Hatten die Demonstranten während der des Aufstands gegen Mubarak immer
wieder dessen Sturz gefordert, steht bei ihnen jetzt Feldmarschall Muhammad
Tantawi ganz oben auf der Liste, der Chef des obersten Militärrates, der
kommissarisch das Land verwaltet. "Tantawi ist ein Mann des alten Regimes
und er ist dafür verantwortlich, dass die Prozesse gegen die Vertreter des
Mubarak-Regimes immer wieder hinausgezögert werden", glaubt Studentin
Khattab.
## Angehörige bei Gedenkveranstaltung festgenommen
Es ist völlig geklärt, wie die neuste Eskalation auf den Straßen Kairo
eingeläutet worden war. Nach Aussagen vieler Demonstranten hatten
Schlägertrupps am Abend zuvor eine Gedenkveranstaltung für die Toten der
Revolution im Kairoer Stadtteil Agouza gestürmt. Die angerückte Polizei
nahm statt den Schlägern Angehörige der Toten fest. Daraufhin wurde über
Facebook und Twitter zu den neuen Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz und
vor dem Innenministerium mobilisiert.
Der oberste Militärrat hielt dagegen: "Die bedauernswerten Ereignisse auf
dem Tahrir-Platz können nicht gerechtfertigt werden und unterwandern die
Stabilität und Sicherheit Ägyptens, laut einem Plan, der das Blut der
Märtyrer der Revolution missbraucht, um eine Kluft zwischen den
Revolutionären und dem Sicherheitsapparates zu schaffen", heißt es in einer
Erklärung des obersten Militärrates. Am Mittwochnachmittag war diese Kluft
in den Straßen vor dem Innenministerium sehr breit und es machte nicht den
Eindruck als sei eine der beiden Seiten bereit, sich zurückzuziehen.
29 Jun 2011
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
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