# taz.de -- Proteste in Ägypten: Tag der Zwietracht auf dem Tahrir | |
> Bei den Demonstrationen am Freitag haben radikalislamische Gruppen das | |
> Zentrums Kairo fest im Griff. Junge Aktivisten fürchten die gewaltsame | |
> Räumung ihres Camps. | |
Bild: Flagge zeigen für Ägypten: Ein Demonstrant am Freitag im Zentrum von Ka… | |
KAIRO taz | Ein "Freitag der Einheit" sollte es werden auf dem Tahrirplatz | |
- der Einheit zwischen den Jugendbewegungen, den liberalen Parteien und den | |
radikalislamischen Gruppen. Doch davon ist schon am Vormittag nichts mehr | |
zu sehen: Nicht nur der Tahrirplatz ist voll von Männern mit dem Bart der | |
Salafiten und Muslimbrüder, in sämtlichen Straßen der Innenstadt versammeln | |
sich die Gläubigen, beten, diskutieren, rufen Slogans: "Für einen | |
islamischen Staat! Bei unserem Leben und Blut, wir schützen den Islam und | |
den Koran!" | |
Frauen sind nirgends zu sehen, und die jungen Aktivisten, bartlos, stehen | |
am Rand des Platzes und wagen es nicht, sich zu ihrem Camp durchzudrängeln, | |
das seit der letzten Protestwelle vor drei Wochen auf dem Tahrirplatz | |
steht. "Es ist unglaublich!" schimpft Aktivistin Gigi Ibrahim: "Ich | |
protestiere hier seit Wochen. Wenn ich nun versuche zu meinem Zelt zu | |
kommen, machen mich die Leute an: Was willst du hier? Die rufen nach der | |
Einführung der Scharia!" | |
Die jungen AktivistInnen, liberale Parteien und radikalislamische Gruppen | |
wie die Muslimbrüder hatten während der Revolution im Januar und Februar | |
Seite an Seite gegen das Regime von Husni Mubarak gekämpft. Im Mai war das | |
Zweckbündnis jedoch zerbrochen: Während säkulare Teile der Bewegung für | |
eine Verschiebung der Wahlen und eine vorherige Ausarbeitung einer neuen | |
Verfassung kämpfen, haben sich die radikalislamischen Gruppen gut im neuen | |
System eingerichtet, Parteien gegründet und gute Chancen, bei den Wahlen | |
einen Großteil der Sitze zu erringen. | |
Als Ende Juni in Ägypten neue Proteste begannen und der Tahrirplatz erneut | |
besetzt wurde, hielten die radikalislamischen Gruppen sich fern. Nun, | |
mitten in den Vorbereitungen für den Fastenmonat Ramadan, sind sie zurück | |
auf dem Platz. Vor Sonnenaufgang rollen Busse an, um Gläubige auf den | |
Tahrirplatz zu bringen, die Muslimbrüder, die Partei der Salafiten und | |
al-Gamaa al-Islamija haben das organisiert. "Es ist schön hier zu sein", | |
sagt ein junger Mann aus Oberägypten. "Gott hat uns beschützt, Gott schenkt | |
mir, dass ich das erleben darf!" | |
## Streit um ein Plakat | |
Hunderttausende drängen sich am Nachmittag auf dem Platz und in den | |
umliegenden Straßen. Am frühen Morgen hat es noch Streit um ein Transparent | |
gegeben, das einen islamistischen Staat forderte - säkulare AktivistInnen | |
hängten es ab. Um die Mittagszeit hat der Widerstand gegen solche | |
Forderungen keine Chance mehr: Über den ganzen Platz fordern Plakate und | |
Sprechchöre die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, die | |
Säuberung der "atheistischen" Presse und die Errichtung eines islamischen | |
Staats. Stellenweise werden Rufe zur Unterstützung des Militärrats Scaf | |
laut - in Opposition zu den Jugendbewegungen, die sich offen gegen die | |
Militärherrschaft wenden und seit 22 Tagen den Tahrirplatz besetzt halten. | |
Die Besetzung war in den letzten Tagen zunehmend unter Druck geraten: Am | |
Samstag hatten Militär und Polizei eine Demonstration gegen den Scaf | |
eingekesselt, Schlägertruppen verletzten hunderte Menschen. Seither | |
herrscht im Camp die Angst vor einer Räumung. Die könnte nun von anderer | |
Seite kommen: Am Freitagnachmittag wuchs im Camp die Furcht vor einem | |
Angriff der radikalislamischen Gruppen. Diese hatten die Mobilisierung | |
gegen das Militär und die Besetzung kritisiert. Zudem hatte die Presse zum | |
Thema gemacht, dass auf dem Tahrirplatz Männer und Frauen gemeinsam | |
übernachteten. Von der Hoffnung auf Einheit ist am Samstagnachmittag auf | |
dem Tahrirplatz nichts mehr zu spüren. | |
29 Jul 2011 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
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