# taz.de -- Wieder Notstandsgesetze in Ägypten: Mubaraks Schatten über Kairo | |
> Nach der Verhängung des Ausnahmerechts wurden 93 Personen festgenommen. | |
> Die Regierung droht Streikenden und warnt vor Kritik im Internet. | |
Bild: Ist das Spiel in Ägypten wirklich zu Ende? | |
KAIRO taz | Zurück zu alten Zeiten: Nach der Wiedereinsetzung der | |
Notstandsgesetze am Samstag geht das Militär in Ägypten gegen die | |
Revolutionsbewegung vor - mit jenen Methoden, die vor der Revolution der | |
gestürzte Präsident Husni Mubarak anwandte. Das Kabinett hatte die | |
Wiedereinsetzung des Ausnahmezustandes verkündet, nachdem es am Freitag | |
nach einer Demonstration zu einem Angriff auf die israelische Botschaft | |
gekommen war. | |
Am Sonntag wurden 93 Männer festgenommen. Die berüchtigte | |
Sicherheitspolizei, die nach der Revolution aufgelöst wurde, seit April | |
jedoch wieder arbeitet, verhaftete sie offenbar zu Hause und an ihren | |
Arbeitsstellen. Am Freitag waren vor der Botschaft rund 40 Personen | |
festgenommen worden. Ihre Gesichter wurden im Staatsfernsehen gezeigt. Die | |
Regierung sagt, sie seien an dem Angriff beteiligt gewesen und würden vor | |
Sondergerichte gestellt. Aktivisten sagen, es handele sich um | |
Protestierende, die auf dem Tahrirplatz waren. | |
Derweil häufen sich Vorwürfe gegen das Militär, der Angriff auf die | |
Botschaft sei von diesem gebilligt oder gar initiiert worden. Augenzeugen | |
berichten, Soldaten hätten die vier jungen Männer, die in die Botschaft | |
eindrangen, bis zur deren Tür gebracht. Diese bestätigten das in | |
Interviews. | |
Rund 3.000 Demonstranten waren nach einer friedlichen Großdemonstration auf | |
dem Tahrirplatz am Freitagnachmittag zur israelischen Botschaft gezogen und | |
hatten dort eine Schutzmauer eingerissen, eine Gruppe drang in die | |
Botschaft ein, legte Feuer und warf Akten aus dem Fenster. Das Militär | |
griff, obwohl anwesend, erst nach sieben Stunden ein. | |
An den Ausschreitungen beteiligt waren radikale Fußballfans der Kairoer | |
Clubs Ahly und Zamalek. Sie hatten sich der Demonstration auf dem | |
Tahrirplatz angeschlossen, nachdem zwei Tage zuvor bei Zusammenstößen mit | |
der Polizei ein Fan getötet worden war. | |
## Kritiker werden nach dem Notstandsgesetz verurteilt | |
Innenminister Mansour al-Essawy kündigte in einem Fernsehinterview ein | |
hartes Vorgehen an. Auf jeden, der eine Polizeistation oder ein offizielles | |
Gebäude angreife, werde scharf geschossen. Das Notstandsgesetz werde | |
insbesondere gegen Drogen- und Waffenhändler, baltagiyas (Verbrecher) sowie | |
Streikende angewandt, die dem Land schadeten. Im Staatsfernsehen wurde | |
zudem gewarnt, jeder, der im Internet "Falschinformationen" verbreite oder | |
das Militär kritisiere, werde nach dem Notstandsgesetz verurteilt. | |
Nach dem ersten Schock wächst in der Revolutionsbewegung der Widerstand. | |
Die "Koaliton der Jugend der Revolution in Suez" wies in einer Erklärung | |
das Verhalten des Militärrates scharf zurück: "Wir werden uns das nie | |
wieder gefallen lassen", heißt es darin. "Ganz gleich, ob der | |
Ausnahmezustand herrscht, wir werden weiter demonstrieren und | |
protestieren." | |
Vier Mitglieder der Gruppe reichten Klage gegen Armeechef Hassan Tantawi | |
und vier Polizisten ein. Sie waren am Freitag verhaftet und gefoltert | |
worden. Viele Aktivisten riefen zum Wiederaufleben eines Bündnisses mit | |
islamischen Gruppen und ArbeiterInnen auf. | |
Die islamischen Gruppen, die den Militärrat in den vergangenen Monaten | |
unterstützt und die Gewalt gegen Militär und Polizei am Freitag verurteilt | |
hatten, wechselten nach der Ausrufung des Ausnahmezustands ihre Position. | |
Hazem Abu Ismail, ein Führer der Salafiten, veröffentlichte Sonntagabend | |
eine Erklärung, in der es hieß: "Das Militär steckt hinter dem Angriff auf | |
die Botschaft. Wir müssen uns bereitmachen für eine heftige Konfrontation, | |
sei es jetzt oder später." Mubarak hatte das Notstandsgesetz auch genutzt, | |
um die Islamisten zu verfolgen. | |
Am Sonntag traten die Ärzte der staatlichen Kliniken in Assuan aus Protest | |
gegen das Notstandsgesetz in den Streik. Neben Fabrikarbeitern und | |
Angestellten streiken auch Lehrer und Dozenten in ganz Ägypten für mehr | |
Lohn. Der Schulunterricht fällt aus, in vielen Universitäten haben sich die | |
Studierenden angeschlossen. | |
12 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
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