# taz.de -- Israelischer Sicherheitsexperte über Kairo: "Der Weg zum Krieg ist… | |
> Kein Grund zur Panik nach der Attacke auf die Botschaft: Mit der | |
> ägyptischen Öffentlichkeit sei ein neuer Akteur ins Spiel gekommen, sagt | |
> Sicherheitsexperte Shlomo Brom. | |
Bild: Zerstörte israelische Botschaft in Kairo. | |
taz: Herr Brom, nach über 30 Jahren Frieden mit Ägypten wird der | |
israelische Botschafter in die Flucht getrieben. Überrascht Sie das? | |
Shlomo Brom: Die Entwicklung war absehbar. Es war klar, dass wir einen | |
schwierigen Weg bei den diplomatischen Beziehungen mit Ägypten zu erwarten | |
haben. Natürlich konnten wir nicht genau so mit dem Ereignis rechnen, das | |
sich am Wochenende in Kairo abgespielt hat, aber schon damit, dass es zu | |
großen Problemen kommen würde. | |
Warum passiert das jetzt? | |
Der Hauptgrund ist, dass ein neuer zentraler Protagonist auf die Bühne | |
getreten ist: die ägyptische Straße, die Öffentlichkeit. Dieser neue | |
Spieler hat Einfluss, und dessen ist er sich durchaus bewusst. Wer glaubte, | |
dass die Ägypter jetzt für eine Weile so sehr mit sich selbst beschäftigt | |
sein würden, dass sie keine Zeit haben, sich um uns zu kümmern, sieht sich | |
enttäuscht. Der Aufstieg der ägyptischen Öffentlichkeit zum zentralen | |
Spieler bedeutet, dass es eine stärkere Einmischung Ägyptens in den | |
israelisch-arabischen Konflikt geben wird als bisher. | |
Inwieweit ist Israel mit schuld an den Entwicklungen? | |
Der Protest gegen die Regierung und gegen das Ausbleiben konkreter | |
Veränderungen richtet sich selbstverständlich auch gegen die ägyptische | |
Außenpolitik. Das Thema Israel-Palästinenser liegt den Menschen am Herzen. | |
Natürlich trägt Israel eine strategische Mitverantwortung, denn der beste | |
Weg, dem Unmut zu entgegnen, wäre gewesen, den israelisch-palästinensischen | |
Konflikt in Vergessenheit geraten zu lassen. | |
Das erreicht man natürlich am besten durch einen Friedensvertrag. Aber auch | |
wenn ein solcher Vertrag nicht möglich ist, bleiben viele Möglichkeiten, | |
den Konflikt zu lindern. Unsere Verantwortung rührt daher, dass wir auf | |
gewisse Weise genau das Gegenteil tun: Wir verschärfen den Konflikt mit der | |
arabischen Welt. | |
Was sollte Israel jetzt tun? | |
Das Wichtigste ist die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit den | |
Palästinensern. | |
Regierungschef Benjamin Netanjahu scheint in diesen Wochen eher mit | |
Schadensbekämpfung beschäftigt zu sein als mit konstruktiver Politik. Was | |
treibt ihn Ihrer Meinung nach an? | |
Ich kann keine klare Strategie, kein Ziel erkennen. Seine Politik ist eine | |
Politik der Reaktion und der Verunsicherung. Die logische Folgerung ist, | |
dass er eine politische Überlebensstrategie verfolgt. Dann wiederum stellt | |
sich die Frage, warum will er so dringend Regierungschef sein, wenn er doch | |
nichts draus macht. | |
Der Termin 20. September rückt näher, an dem die PLO vor der UNO die | |
Anerkennung des Staates Palästina beantragen will. Der Druck auf Israel von | |
palästinensischer Seite wird wachsen. Wo sehen Sie die größten Gefahren? | |
Die diplomatischen Beziehungen zu den Nachbarstaaten sind die Gefahr, zu | |
Ägypten und zur Türkei - und die Entwicklungen bei den Palästinensern am | |
Tag danach. Die Palästinenser werden etwas tun müssen, um den Erfolg vor | |
der UN-Generalversammlung praktisch umzusetzen. Davon ausgehend, dass es | |
keine neuen Friedensverhandlungen geben wird, bleibt aus ihrer Sicht nur | |
der Weg der Volksproteste. Die Situation ist extrem heikel im | |
Westjordanland, wo sich zwei feindliche Seiten gegenüberstehen, sodass aus | |
friedlichen Demonstrationen ganz schnell blutige Auseinandersetzungen | |
werden können. | |
In den vergangenen Tagen mehren sich Stimmen, die sagen, dass sich der | |
Arabische Frühling zu einem islamistischen Winter entwickeln wird. Was | |
glauben Sie? | |
Es wird sicher weitere Konflikte mit Ägypten geben. Trotzdem würde ich | |
nicht sagen, dass der Frieden mit Ägypten in Gefahr ist und dass wir vor | |
einem neuen Krieg stehen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Man muss | |
sich nur die Reaktionen in Ägypten ansehen auf die Stürmung der | |
israelischen Botschaft. Der Vorfall wird von sämtlichen Parteien, inklusive | |
der Muslimbrüder, verurteilt. Letztendlich beeinflussen die Parteien auch | |
die Straße. Der Friedensvertrag mit Israel, der für Kairo von großem | |
strategischem Interesse ist, steht außer Frage. | |
12 Sep 2011 | |
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