Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Menschenrechtler in Ägypten: Wegen Hochverrat angeklagt
> Das Militär verschärft den Druck auf Organisationen von
> Menschenrechtlern, die Gelder aus dem Ausland erhalten. Nichts habe sich
> gebessert, klagen diese.
Bild: Soldat neben der Flagge der ägyptischen Revolution.
KAIRO taz | An diesem Mittwochmorgen reden sie sich ihren ganzen Frust von
der Seele. Die Vertreter von 36 Menschenrechtsorganisationen drängen sich
um einen niedrigen Tisch, hinter ihnen prangt das blaue Logo des Kairoer
Instituts für Menschenrechte CIHRS. "Willkommen zu dieser Pressekonferenz
in dem äußerst miserablen Zustand, in dem sich unser Land befindet",
beginnt die CIHRS-Mitarbeiterin direkt.
"Viele haben geglaubt, dass mit der Revolution ein neues Leben beginnt,
alles besser wird. Aber von wegen: Das neue Regime macht genau dasselbe wie
das davor!" Nicht nur das, betont ein Kollege: "Es ist schlimmer! Uns des
Hochverrats anzuklagen, das hat nicht einmal Mubarak gewagt!"
Acht Monate nach dem Beginn der ägyptischen Revolution verschärft das seit
Februar herrschende Militär den Druck auf Aktivisten und Organisationen,
die seine Politik kritisieren. Die Regierung wirft 36 zumeist kleineren
Menschenrechts- und Frauenorganisationen vor, vom Ausland finanziert und
gesteuert zu sein. Im Juli hat die Regierung einen Sonderausschuss
beauftragt, dies zu untersuchen. Alle finanziellen Transaktionen der
Gruppen werden nun von der Zentralbank überwacht.
Am 8. August wurde bekannt, dass die Oberste Staatsanwaltschaft, ein Organ
des weiterhin geltenden Ausnahmezustands, verkündet hat, dass sie gegen die
Gruppen wegen Hochverrats, Verschwörung gegen den Staat und Gefährdung der
nationalen Sicherheit ermittle. Nachdem einzelne Gruppen sich gegen diese
"Schmutzkampagne" beim Obersten Militärrat (SCAF) beschwerten, wurden deren
Vertreter zu Verhören vor Militärgerichte geladen. Ihnen wurde teils mit
weiteren Vorladungen oder schwerwiegenden Konsequenzen gedroht, sollten sie
ihre Arbeit fortsetzen.
## Andauernde Folter und sexuelle Übergriffe
Die meisten der betroffenen Gruppen haben schon unter Mubarak
Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Seit das Militär die Macht
übernommen hat, kritisieren sie vor allem, dass zahlreiche Zivilisten vor
Militärtribunale gestellt werden. Das gilt vor allem für Protestierende und
andere Aktivisten. Außerdem prangern die Organisationen die andauernde
Folter und sexuellen Übergriffe an, wie etwa am 9. März, als Hunderte
Protestierende vom Militär gefoltert und Frauen zu Jungfräulichkeitstests
gezwungen wurden.
"Es sind genau dieselben Vorwürfe, mit denen wir schon vor der Revolution
konfrontiert waren", sagt ein Vertreter des Hisham-Mubarak-Zentrums für
Menschenrechte, das am 3. Februar von Sicherheitskräften gestürmt wurde.
Die Medien seien längst wieder unter Kontrolle, und die Organisationen, die
weiterhin Kritik üben und Menschenrechtsverletzungen aufdecken, würden als
vom Ausland finanziert denunziert.
"Dabei erhalten zahlreiche ägyptische Organisationen Geld aus den USA oder
Europa - am allermeisten die staatlichen Institutionen und das Militär
selbst." Das ägyptische Militär erhält jährlich 1,4 Milliarden Dollar
Militärhilfe aus den USA. Die Menschenrechtsorganisationen kündigten an,
ihre Arbeit fortzusetzen und riefen die Militärregierung auf, die Kampagne
gegen sie zu stoppen.
Doch nicht nur Menschenrechtsorganisationen sind betroffen. Allein in der
vergangenen Woche häuften sich Verhöre und Vorladungen von Aktivisten vor
Militärgerichte. Am 15. August wurde die Aktivistin Asmaa Mahfouz wegen
eines militärkritischen Facebook-Eintrags verhört, sie kam gegen die
Zahlung von rund 3.000 Euro Kaution frei. Ob ihr Verfahren weiterläuft, ist
noch unklar. Zwei Tage später wurde bekannt, dass drei weitere Aktivisten
vors Militärgericht müssen, auch dabei ging es um politische Äußerungen im
Internet sowie den Ruf "Nieder mit der Militärherrschaft" auf einer
Demonstration.
24 Aug 2011
## AUTOREN
Juliane Schumacher
## ARTIKEL ZUM THEMA
Prozess gegen Ägyptens Ex-Präsident: Polizist nimmt Mubarak in Schutz
Ein Polizeigeneral hat im Prozess gegen Mubarak ausgesagt, dass es keinen
Befehl gab, auf Demonstranten zu schießen. Ein Anwalt warf dem Polizisten
vor, die Wahrheit zu verdrehen.
Ägyptens Ex-Staatschef: Mubarak im Krankenwagen zum Prozess
Ex-Staatschef Husni Mubarak wurde auch zum dritten Prozesstag ins Gericht
getragen. Zwischen seinen Gegnern und Anhängern kam es unterdessen zu
gewaltsamen Auseinandersetzungen.
Proteste in Ägypten: Fahne auf Israels Botschaft verbrannt
Tausende protestieren in Kairo gegen die Tötung von fünf Soldaten durch das
israelische Militär. Und Islamisten rufen zum Dschihad auf.
Justiz in Ägypten: Prozess gegen Mubarak vertagt
Künftig soll das Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten nicht im
Fernsehen übertragen werden. Vor dem Gericht kam es am zweiten
Verhandlungstag zu Schlägereien.
Bloggerin in Ägypten festgenommen: 2300 Euro für die Freiheit
Eine prominente ägyptische Aktivistin ist wegen Beleidigung des Militärs
und angeblichen Mordaufrufen festgenommen worden. Gegen eine ungewöhnlich
hohe Kaution kam sie wieder frei.
Kommentar Prozess gegen Mubarak: Test für das neue Ägypten
Den Demonstranten vom Tahrir-Platz ist es zu verdanken, dass Mubarak vor
Gericht steht. Würde daraus jetzt ein Schauprozess wäre das fatal.
Mubarak vor Gericht: Auf dem Anklagebett
Der 83-jährige Ex-Präsident Husni Mubarak erklärte sich am ersten
Prozesstag für unschuldig. Draußen demonstrierten viele Gegner und eine
Handvoll Anhänger.
Proteste in Ägypten: Tag der Zwietracht auf dem Tahrir
Bei den Demonstrationen am Freitag haben radikalislamische Gruppen das
Zentrums Kairo fest im Griff. Junge Aktivisten fürchten die gewaltsame
Räumung ihres Camps.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.