# taz.de -- Niederschlagung der Proteste in Syrien: Die Achse mit dem Iran | |
> Die internationale Gemeinschaft zögert in Syrien einzugreifen. Grund ist | |
> die besondere strategische Position des Landes. Auch die Opposition ist | |
> dagegen. | |
Bild: Protest gegen Assad: Syrer in Jordanien. | |
KAIRO taz | Die Antwort des syrischen Regimes auf den Aufstand wird mit | |
jedem Tag blutiger. Immer mehr drängt sich die Frage auf: Warum greift die | |
internationale Gemeinschaft nicht ein, wie sie es in Libyen tut? Die | |
Antwort liegt in der besonderen regionalen Position Syriens. Libyen ist | |
international aus zwei Gesichtspunkten interessant: Es hat große | |
Erdölvorkommen und ist wichtig als Ausgangspunkt für afrikanische Migration | |
nach Europa. | |
In Syrien dagegen ist die Situation viel vertrackter. Da ist einmal die | |
Nachbarschaft zu Israel und den seit 1967 israelisch besetzten Golanhöhen. | |
An der Grenze zwischen beiden Ländern ist seit 40 Jahren trotz aller | |
Rhetorik kein Schuss gefallen. De facto fungiert das syrische Regime als | |
Garant für die Ruhe und Stabilität an dieser Grenze. Als die Regierung in | |
Damaskus zu Beginn des Aufstands mehrfach hunderte unbewaffneter Menschen | |
über die Demarkationslinie auf die Golanhöhen durchließ und israelische | |
Soldaten auf diese feuerten, war das weniger ein Ablenkungsmanöver vom | |
heimischen Aufstand als vielmehr ein Warnsignal an Israel sowie die an USA | |
und die Europäer. | |
Rami Machlouf, der Cousin Baschar Assads und der wohl zweitmächtigste Mann | |
Syriens, formulierte das jüngst in einem Interview mit der New York Times | |
ganz offen: "Wenn es keine Stabilität in Syrien gibt, gibt es auch keine | |
für Israel." | |
Die zweite Trumpfkarte des syrischen Regimes ist seine politische Achse mit | |
dem Iran. Völlig unklar ist, wie sich der Iran bei einer internationalen | |
Intervention in Syrien verhalten würde. Anders als Muammar Gaddafi, dem | |
niemand von außen offen zu Hilfe eilte, hätte Baschar Assad mit Teheran | |
einen gewichtigen Verbündeten. Das iranische Regime hat die ägyptischen und | |
tunesischen Revolutionäre als Helden bezeichnet, die Aufständischen in | |
Syrien dagegen als "Terroristen" gebrandmarkt. | |
Damit verbunden ist der Einfluss Syriens im Nachbarland Libanon. Wenn das | |
Regime Assad will, kann es mit Hilfe der von ihm gesponserten schiitischen | |
Hisbollah dort einen politischen Brand legen, der sich nur schwer löschen | |
ließe. Die Hisbollah fühlt sich derzeit ohnehin in die Ecke gedrängt, | |
nachdem das UN-Tribunal vor wenigen Tagen Anklage gegen vier seiner | |
Mitglieder wegen Mordes an dem ehemaligen libanesischen Premier Rafik | |
Hariri erhoben hat. Es wäre ein Einfaches für Syrien, den instabilen | |
Libanon, in dem die Hisbollah mit in der Regierung sitzt, an den Rand eines | |
erneuten Bürgerkriegs zu drängen. | |
## Unterstützung für die irakische Guerilla | |
Und dann ist da auf der anderen Seite noch die lange syrische Grenze zum | |
Irak. Seit dem Einmarsch der US-amerikanischen Truppen hatte das Regime | |
Assad immer wieder zugelassen, dass sunnitische Kämpfer in den Irak | |
eindringen, um die irakische Guerilla gegen die US-Besatzung zu | |
unterstützen. Die syrische Regierung wollte damit verhindern, dass das | |
US-Experiment des Regimesturzes wie in Bagdad Schule macht und es | |
möglicherweise selbst als nächstes an der Reihe ist. Mit Erfolg. Denn | |
gerade jetzt möchte der US-amerikanische Präsident Barack Obama seine | |
Truppen bis Ende des Jahres endgültig aus dem Irak abziehen. Ein Aufflammen | |
des irakischen Aufstandes käme da sehr ungelegen. | |
Alle diese strategischen Fäden, die in Damaskus zusammenlaufen, erklären | |
das internationale Zögern im Falle Syriens. Die syrische Opposition selbst | |
ruft nicht nach ausländischer Intervention. Zu sehr hat sie das Beispiel | |
des Nachbarlandes Irak abgeschreckt und das Chaos, das die USA dort | |
hinterlassen haben. | |
"Wir wollen keine ausländische militärische Intervention, weil wir im Irak | |
gesehen haben, wie eine solche zum Bürgerkrieg führen kann", sagt der | |
prominente syrische Menschenrechtler Ammar al-Kurabi. Trotzdem fordert er | |
von der internationalen Gemeinschaft und der Arabischen Liga, dem | |
"mörderischen und kriminellen" Regime in Syrien die Legitimität | |
abzusprechen. | |
Auch unter den Demonstranten in Syrien hat sich der Ton hinsichtlich dieser | |
Frage in den letzten Tagen spürbar geändert. "Euer Schweigen tötet uns", | |
lautete das Motto bei ihren Protesten letzten Freitag. Das war, bevor die | |
syrische Armee in Hama einmarschiert ist. Gerichtet war ihr Protest gegen | |
das Schweigen zunächst vor allem der benachbarten arabischen Länder. | |
Der Ruf kommt an. Ägyptische Blogger fordern den neuen ägyptischen | |
Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil El-Arabi auf, endlich sein | |
Schweigen in Sachen Syrien zu brechen und Position zu beziehen. | |
2 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
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