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# taz.de -- Aufstand in Syrien: Assad macht's dem Vater nach
> Panzer beschießen Wohnviertel in Hama. Derweil ringt der
> UN-Sicherheitsrat um eine mögliche Reaktion auf die Gewalt. Und die
> deutsche Opposition wirft der Regierung Passivität vor.
Bild: Bilder des TV-Senders "al-Arabiya" vom 1. August: Rauch über der Innenst…
DAMASKUS/NEW YORK rtr/dpa/afp | In Syrien haben am Mittwoch Panzer die
Protest-Hochburg Hama beschossen. Anwohner berichteten, das Militär des
Präsidenten Baschar al-Assad habe den zentralen Orontes-Platz besetzt.
"Alle Kommunikationswege sind abgeschnitten", sagte ein Anwohner per
Satellitentelefon. "Das Regime nutzt es aus, dass die Medien sich auf den
Prozess gegen Ägyptens Expräsident Husni Mubarak konzentrieren, um Hama
fertigzumachen." Mubarak war im Februar gestürzt worden, am
Mittwochvormittag ist der Prozess gegen ihn in Kairo eröffnet worden.
Die Panzer seien vom Süden her in das Zentrum von Hama vorgerückt,
berichtete der Anwohner weiter. Sie seien von ultra-loyalen Einheiten wie
den Schabbiha-Milizen begleitet gewesen. Der Panzer-Beschuss habe sich auf
das Viertel al-Hader konzentriert. Auf dem Orontes-Platz haben in dem seit
fünf Monaten dauernden Aufstand gegen die Führung von Baschar al-Assad
einige der größten Demonstrationen stattgefunden.
Das staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete indes, dass "bewaffnete
Gruppen von Saboteuren" den Justizpalast in Hama gestürmt hätten. "Hunderte
von vermummten Männern auf Motorrädern" hätten das Gebäude überfallen und
in Brand gesteckt. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder bewaffneter
Zivilisten auf einem Platz in Hama. In einer Menschenmenge waren einige
Männer zu sehen, die Gewehre oder Schwerter trugen.
Die 800.000-Einwohner-Stadt gilt als Symbol des Widerstands, seitdem dort
1982 bei der gewaltsamen Niederschlagung eines Aufstands der Muslimbrüder
durch Hafis el Assad, den Vater und Vorgänger des heutigen Präsidenten, bis
zu 20.000 Menschen getötet wurden.
## Deir Essor von Panzern belagert
Auch die Ölstadt Deir Essor im Osten des Landes werde von rund 200 Panzern
belagert, sagte Rami Abdel Rahman von der Syrischen Beobachtungsstelle für
Menschenrechte in London. Nach Angaben Rahmans wurden zudem in der Stadt
Rakka im Nordosten des Landes zwei Menschen bei einer Demonstration gegen
Präsident Baschar el Assad von Sicherheitskräften erschossen. In der
Küstenstadt Dschableh sei ein Demonstrant getötet worden. Eine unabhängige
Bestätigung dieser Angaben gab es nicht, da ausländische Journalisten seit
Beginn des Aufstands in Syrien nicht mehr frei reisen dürfen.
Nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern vom Dienstag waren am Vortag
durch die Gewalt des Regimes in ganz Syrien 24 Menschen getötet worden,
davon 10 in Hama. Nach dem Fastenbrechen am Montag, dem ersten Tag des
Fastenmonats Ramadan, waren Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen,
um den Rücktritt von Präsident Assad und seiner Gefolgsleute zu verlangen.
## Zähes Ringen im Sicherheitsrat
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Italien ruft seinen Botschafter in Damaskus wegen der andauernden brutalen
Gewalt zu Konsultationen nach Rom zurück. Außenminister Franco Frattini
schlug zugleich vor, dass alle EU-Länder diesem Schritt folgen. Das teilte
das italienische Außenamt am Dienstag in Rom mit. Es sprach von einer
"entsetzlichen Repression" in Syrien.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stieg nach zähen Verhandlungen am
Dienstag erstmals in konkrete Textverhandlungen ein. Nach langen Gesprächen
konnte sich das mächtigste UN-Gremium zwar noch nicht auf ein einheitliches
Handeln gegenüber Syrien einigen. Allerdings gelang es nach Angaben aus
westlichen Diplomatenkreisen erstmalig, in ernsthafte Gespräche zu einer
möglichen Reaktion auf die eskalierende Gewalt in Syrien einzusteigen.
Grundlage für die Beratungen war zunächst der seit bereits zwei Monaten
vorliegende Resolutionsentwurf der europäischen Mitglieder des
Sicherheitsrates. Laut Teilnehmerkreisen gelang es den Europäern, die
bislang eher zögerlichen Regierungen Indiens, Brasiliens und Südafrikas
aktiv in die Textverhandlungen einzubeziehen. Es hieß, dadurch sei
überhaupt erst ein Einstieg in Verhandlungen mit Russland und China möglich
geworden. Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin trat nach dem
Verhandlungsmarathon allerdings vor die Presse und verkündete nur, dass es
keine Ergebnisse gegeben habe.
Auch wenn der amtierende deutsche UN-Botschafter Miguel Berger den Beginn
der Textverhandlungen als einen ersten Fortschritt bezeichnete, so dämpfte
er am Rande der Sitzung allerdings die Erwartungen: "Wir haben uns zwar auf
einen Text als Verhandlungsgrundlage geeinigt - in diesem sind allerdings
noch einige substanziell strittige Punkte enthalten. Hier müssen wir noch
Lösungen finden." Es hieß, dass man jetzt zunächst die Hauptstädte mit dem
vorläufigen Zwischenstand befassen wolle. Am Mittwochvormittag sollten die
Verhandlungen um 10 Uhr New Yorker Zeit (16 Uhr deutscher Zeit)
weitergehen.
## Kritik von SPD und Grünen
Die Opposition im Bundestag hat der Bundesregierung Passivität angesichts
des gewaltsamen Vorgehens der syrischen Sicherheitskräfte gegen
Regierungsgegner vorgeworfen. Deutschland müsse endlich seine "guten
Beziehungen zu Russland" nutzen, um die Regierung von Baschar el Assads
"konsequent zu isolieren", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der
Berliner Zeitung vom Mittwoch. "Assad hat schon lange die Legitimation
verloren, für Syrien zu sprechen."
Die Europäische Union und Russland als Mitglieder des Nahost-Quartetts
könnten "kein Interesse an einer weiteren Destabilisierung der Region
haben", sagte Trittin weiter. In diesem Punkt zeigten Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP)
"erschreckende Passivität".
Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler sagte der Zeitung,
Deutschland gehöre zu den wichtigsten Partnern Russlands und Chinas. "Warum
wurden die Treffen in den letzten Wochen in Berlin und in Hannover nicht
dazu genutzt, um die Russen und die Chinesen davon zu überzeugen, von ihrer
Haltung im Sicherheitsrat abzurücken?", sagte der frühere Staatsminister im
Auswärtigen Amt. "Ich habe keinerlei Aktivitäten auf bilateraler Ebene dazu
feststellen können." In den vergangenen Wochen hatte zuerst China und dann
Russland mit Deutschland Regierungskonsultationen abgehalten.
3 Aug 2011
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