# taz.de -- UN-Sicherheitsrat zu Syrien: "Hunderte Tote zu spät" | |
> Der UN-Sicherheitsrat hat Syrien "verurteilt". Zu einer Resolution | |
> reichte es nicht, aber immerhin: Der Rat hat sich einstimmig gegen das | |
> Regime in Damaskus gewandt – mit Russland und China. | |
Bild: Proteste überall, hier an der syrischen Botschaft in Athen. Da ist es we… | |
NEW YORK dpa/rtr/afp | Nach den jüngsten Gewaltexzessen des syrischen | |
Regimes gegen sein eigenes Volk hat der UN-Sicherheitsrat die Regierung in | |
Damaskus verurteilt. In einer Präsidentiellen Erklärung prangert das | |
Gremium eine "weitreichende Verletzung der Menschenrechte und die Gewalt | |
gegen Zivilisten" an. Zwar ist die Erklärung nicht so stark wie eine | |
Resolution und zudem rechtlich nicht bindend. Nach monatelangen Debatten | |
gelang es so aber, auch Russland, China und andere Staaten an Bord zu | |
holen, die bislang ein Vorgehen gegen die syrische Regierung ablehnten. | |
Die Erklärung ist der kleinste gemeinsame Nenner. Insbesondere Russland und | |
China, beide als ständige Mitglieder mit Vetorecht ausgestattet, hatten | |
keine schärfere Kritik an Syrien zugelassen. Auch der unter starkem | |
syrischen Einfluss stehende Libanon war bis zuletzt gegen Kritik an seinem | |
Nachbarland. | |
"Wir rufen zum sofortigen Ende der Gewalt auf und fordern von allen Seiten | |
größtmögliche Zurückhaltung und Abstand von Repressalien, einschließlich | |
der Angriffe auf staatliche Institutionen", heißt es in dem Papier, dass | |
der Ratspräsident, in diesem Monat der indische UN-Botschafter Hardeep | |
Singh Puri, verlas. Die Regierung müsse die Menschenrechte achten und die | |
Verantwortlichen für Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. "Wir begrüßen die | |
Ankündigung von Reformen, sehen aber Mängel bei deren Durchsetzung und | |
fordern diese nun mit Nachdruck." UN-Generalsekretär Ban Ki Moon soll | |
innerhalb einer Woche Bericht über die Situation in Syrien erstatten. | |
## Dekret für neue Parteien | |
Staatschef Assad hat per Dekret die Gründung neuer Parteien im Land | |
zugelassen. Assad habe das Dekret über das Parteiengesetz am Donnerstag | |
unterzeichnet, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Sana. Bereits | |
Ende Juli hatte die syrische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das unter | |
bestimmten Einschränkungen die Gründung von politischen Parteien erlaubt. | |
Durch das Dekret können die darin gemachten Vorgaben umgehend und ohne | |
Abstimmung im Parlament umgesetzt werden. | |
Die Zulassung politischer Parteien und damit einhergehende Schaffung eines | |
Mehrparteiensystems ist eine der Hauptforderungen der seit Mitte März | |
anhaltenden Proteste in Syrien. Die syrische Politik wird seit dem Jahr | |
1963 von der regierenden Baath-Partei dominiert. Den neuen Regeln zufolge | |
dürfen neue Parteien aber nicht religiös oder auf Stammesgruppierungen | |
ausgerichtet sein und auch nicht aus dem Ausland unterstützt werden. Sie | |
dürfen auch keine bewaffneten Gruppierungen unterhalten. | |
## 45 Tote in Hama | |
Bei dem Panzervorstoß der syrischen Armee in die Protesthochburg Hama sind | |
einem Menschenrechtler zufolge mindestens 45 Menschen getötet worden. | |
Allein 40 Menschen seien am Mittwoch und am Donnerstagmorgen durch | |
Maschinengewehr-Feuer und Panzergeschosse im Stadtteil Al-Hader ums Leben | |
gekommen, sagte der Aktivist, der aus der eingekesselten | |
700.000-Einwohner-Stadt entkommen konnte, der Nachrichtenagentur Reuters. | |
Fünf weitere Menschen, darunter zwei Kinder, seien getötet worden, als sie | |
mit einem Auto fliehen wollten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben | |
ist nicht möglich, da Syrien die meisten ausländischen Journalisten | |
ausgewiesen hat. | |
Einwohnern zufolge hatten die Panzer am Mittwoch den zentralen | |
Orontes-Platz in Hama besetzt, wo es in den vergangenen Monaten zu einigen | |
der größte Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad gekommen war. | |
Scharfschützen hätten auf Dächern Stellung bezogen. Die Beschuss | |
konzentrierte sich demnach auf das Viertel Al-Hader, das 1982 eines der | |
Zentren eines Aufstandes gegen Assads Vater und Vorgänger Hafis al-Assad | |
war. Bei der Niederschlagung der Revolte waren damals Tausende Menschen | |
getötet worden. | |
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen wurden bei dem gewaltsamen Vorgehen | |
der Sicherheitskräfte gegen die Protestbewegung bislang etwa 1700 | |
Demonstranten getötet. Bereits vor den neuesten Berichten über Tote in Hama | |
hieß es, dass allein 90 Menschen seit Beginn der jüngsten Offensive der | |
Regierungstruppen am Sonntag getötet worden seien. | |
## Ban Ki Moon: "grausam schockierend" | |
Der Tod so vieler Demonstranten sei "grausam schockierend", sagte | |
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York. Jeder Fall müsse unabhängig | |
aufgeklärt werden. Ban forderte Damaskus ebenfalls zu politischen Reformen | |
auf und verlangte grundlegende Freiheiten für das syrische Volk. Die | |
Erklärung des Sicherheitsrates nannte Ban eine "klare Botschaft" an das | |
Regime. | |
"Das ist ein guter Text. Wir haben gezeigt, dass wir mit einer Stimme | |
sprechen können", sagte indische UN-Botschafter Hardeep Singh Puri. "Mit | |
dem einstimmigen Votum haben wir ein deutliches Signal nach Damaskus | |
geschickt." Auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte das Papier. | |
"Die internationale Gemeinschaft hat eine wichtige Botschaft an die | |
syrische Regierung gesendet", erklärte er in Berlin. Er hätte sich aber | |
"frühere und noch deutlichere Worte gewünscht". Auch Deutschlands | |
amtierenden UN-Botschafter Miguel Berger sprach von einem "klaren Signal", | |
aber ein Resolutionsentwurf habe schon zwei Monate auf dem Tisch gelegen. | |
"Erst jetzt, Hunderte Tote später, konnte der Widerstand überwunden | |
werden." | |
## Gleichsetzung der Konfliktparteien | |
Kritischer Punkt war lange die Gleichsetzung beider Konfliktparteien: | |
Insbesondere die Russen vertraten die Ansicht, dass die Gewalt des | |
syrischen Staates nur eine Erwiderung von Gewalt der Straße sei. Diese | |
Haltung hatte bei westlichen Diplomaten für Empörung gesorgt: "Das ist | |
offenkundig der Versuch, die syrische Regierung zu entlasten. Für uns ist | |
dies völlig inakzeptabel", sagte Berger. Die syrische Regierung kämpfe mit | |
Panzern und Scharfschützen gegen ihr eigenes Volk. | |
Human Rights Watch hatte eine Resolution gefordert, weil nur "das | |
deutlichste Signal" Präsident Baschar al-Assad von weiteren Angriffen | |
abhalten könne. Die jetzige Erklärung sei aber nicht zu unterschätzen, | |
sagte Peggy Hicks von der Menschenrechtsorganisation: "Wenn sogar Syriens | |
enge Verbündete die Taten verurteilen, sollte Präsident Assad die Botschaft | |
begreifen und die Angriffe auf friedliche Demonstranten stoppen." | |
4 Aug 2011 | |
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